Übertriebene Erwartungen?
Die Zuwanderung von Flüchtlingen wird 2016 zu mehr Beschäftigung führen, aber auch zu einer moderat steigenden Arbeitslosigkeit. Die historisch günstige Arbeitsmarktlage wird dadurch allerdings kaum beeinträchtigt.
- Die historisch günstige Arbeitsmarktlage wird durch den Zustrom von Flüchtlingen kaum beeinträchtigt.
- Im Jahr 2016 wird es etwa 280.000 arbeitslose Flüchtlinge mehr geben. Listenelement
- Ohne die arbeitslosen Flüchtlinge würde die Arbeitslosigkeit zurückgehen.
Wie sich die vielen erwachsenen Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integrieren lassen, ist nur schwer abzuschätzen. Auf Basis zahlreicher Annahmen lassen sich aber Näherungswerte errechnen (Kasten):
Demnach ergibt sich allein für das Jahr 2016 ein zusätzliches Erwerbspersonenpotenzial von durchschnittlich 470.000 Personen, von denen rund 370.000 dem Arbeitsmarkt tatsächlich zur Verfügung stehen (Grafik).
Im Jahr 2017 werden weitere 360.000 Personen ihre Arbeitskraft anbieten. Damit werden zwischen 2015 und Ende 2017 insgesamt 880.000 Flüchtlinge zusätzlich auf den Arbeitsmarkt kommen.
Die entscheidende Frage ist, inwieweit dieses zusätzliche Arbeitsangebot auf eine entsprechende Nachfrage trifft. Vermutlich werden die meisten Flüchtlinge zunächst nur eine einfache Tätigkeit ausüben können. Wenn sie dann Deutsch sprechen, eine frühere Ausbildung im Heimatland anerkannt wird oder sie sich qualifiziert haben, werden die Karten neu gemischt.
Schon jetzt stehen aber 1,2 Millionen Arbeitslosen, die einen einfachen Job suchen, lediglich 110.000 gemeldete offene Stellen gegenüber. Für Flüchtlinge sind das keine guten Aussichten.
Angelehnt an Erfahrungen aus dem „Zuwanderungsland“ Schweden ist damit zu rechnen, dass zunächst nur 20 Prozent der 2015 zugewanderten Erwerbspersonen eine Beschäftigung finden.
Auf Deutschland übertragen werden 2016 also bloß 100.000 und im folgenden Jahr weitere 130.000 Flüchtlinge einen Arbeitsplatz finden. Dementsprechend wird es im Jahr 2016 etwa 280.000 und 2017 rund 235.000 arbeitslose Flüchtlinge mehr geben. Ohne sie würde die Arbeitslosigkeit zurückgehen.
Nicht alle Erwerbslosen werden überdies in der Arbeitslosenstatistik auftauchen: Die vielen Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen gelten zum Beispiel statistischen Konventionen zufolge nicht als arbeitslos.
Die Annahmen
Im Jahr 2015 kamen schätzungsweise 1,1 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland – zusätzlich zu den Menschen, die aus der EU eingereist sind, um hier einen Job zu suchen. Das IW Köln nimmt an, dass im Jahr 2016 rund 600.000 und im Jahr 2017 weitere 500.000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen.
Von den im Jahr 2015 Eingereisten werden 60 Prozent und von den danach Zugezogenen 80 Prozent als Flüchtlinge anerkannt. Das ist für die Berechnung deshalb wichtig, weil sich nur anerkannte Flüchtlinge ohne Einschränkung eine Stelle suchen dürfen.
Die höhere Anerkennungsquote ist darauf zurückzuführen, dass die große Zahl von Zuwanderern aus den Westbalkanländern im Jahresverlauf 2015 zurückgegangen ist und Asylsuchende aus Kriegs- und Krisenländern in der Regel bleiben dürfen. Zwischen Einreise und Bleiberecht vergehen durchschnittlich sechs Monate.
Zudem nimmt das IW Köln an, dass 70 Prozent der Flüchtlinge im erwerbsfähigen Alter sind. Dies ergibt sich aus der Altersstruktur der Asylbewerber des Jahres 2014. Davon werden nicht alle auch arbeiten wollen oder können. Deshalb rechnet das Institut mit einer Erwerbsquote von 80 Prozent.