Der Arbeitsmarkt in Deutschland
Viele Erwerbstätige, wenige Arbeitslose und die EU-weit geringste Jugendarbeitslosenquote – für Arbeitnehmer sieht es auf dem deutschen Arbeitsmarkt sehr gut aus. Die Unternehmen haben allerdings mit dem zunehmenden Fachkräftemangel zu kämpfen. Vom leichten Dämpfer durch die Corona-Pandemie erholte sich der Arbeitsmarkt in Deutschland immerhin schnell.
Erwerbstätige und Arbeitslose: Es geht wieder aufwärts
Mehr als 45 Millionen Erwerbstätige und nur noch rund 2,3 Millionen Arbeitslose – im Jahr 2019 stand der deutsche Arbeitsmarkt so gut da wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Ein Jahr später machte sich die Corona-Krise zumindest leicht bemerkbar. Inzwischen hat sich der Arbeitsmarkt wieder erholt: Setzen sich die wesentlichen Trends fort, könnte die Zahl der Beschäftigten in Deutschland bis 2026 weiter steigen (siehe Beschäftigung: Immer mehr Menschen in Deutschland haben einen Job).
Erwerbstätige: mit Arbeitsort in Deutschland (Inlandskonzept); Unterbeschäftigte: Arbeitslose einschließlich Teilnehmern an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, Älteren, Erkrankten und geförderten Existenzgründern, aber ohne Kurzarbeiter
Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Statistisches Bundesamt
Arbeitslosenquote: Überall stark gesunken
2022 lag die Arbeitslosenquote in allen Bundesländern mit Ausnahme von Bremen und Berlin unter 7,5 Prozent. Im Jahr 2005, in dem die deutschen Arbeitslosenzahlen ihren Höchststand erreicht hatten, lag sie mit Ausnahme von Baden-Württemberg überall darüber – teilweise deutlich. Besonders die ostdeutschen Bundesländer haben vom Boom auf dem Arbeitsmarkt profitiert: Die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland lag 2022 mit 6,7 Prozent 12 Prozentpunkte unter dem Niveau von 2005. Wesentlich dazu beigetragen hat die Agenda 2010 (siehe Agenda 2010: Vom Reformpaket zur Erfolgsgeschichte).
Quelle: Bundesagentur für Arbeit
Jugendarbeitslosigkeit: In Deutschland gering
Im EU-Vergleich glänzt Deutschland mit seiner niedrigen Arbeitslosigkeit – die Jugendarbeitslosenquote von 6 Prozent war 2022 sogar der geringste Wert. In Italien, Spanien und Griechenland war die Quote am höchsten. Auch bei der Erwerbslosenquote – also der Anteil der Erwerbslosen an allen Erwerbspersonen – schneidet Deutschland mit 3,1 Prozent sehr gut ab. Nur in Tschechien, Malta und Polen war der Anteil noch geringer.
Arbeitslosenquote der unter 25-Jährigen: Arbeitslose in Prozent der Erwerbspersonen, also jener Jugendlichen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und nicht in einer Ausbildung sind; Arbeitslosenquote (ALQ): Erwerbslosenquote nach ILO-Definition
Quelle: Eurostat
Erwerbsformen: Mehr Vollzeit gefragt
Der deutsche Aufschwung am Arbeitsmarkt wird oft mit dem Hinweis kleingeredet, es seien hauptsächlich prekäre Arbeitsplätze entstanden, also beispielsweise befristete Stellen und Minijobs. Ein Blick zurück zeigt jedoch: In Deutschland gab es 2022 gut 2 Millionen Vollzeitbeschäftigte mehr als vor 15 Jahren. Einen regelrechten Boom haben vor allem Teilzeittätigkeiten mit mehr als 20 Stunden erfahren, die Zahl der anderen Teilzeitbeschäftigungen ist seit einigen Jahren leicht rückläufig. Diese Teilzeitkräfte näher an die Vollzeit zu bekommen, ist eine Option, um die Fachkräftelücke zu verkleinern (siehe Chancen und Grenzen auf dem Arbeitsmarkt).
Erwerbstätige: ohne Erwerbstätige, die noch zur Schule gehen, studieren oder eine Ausbildung absolvieren, sowie ohne Wehr-, Zivil- und Freiwilligendienstleistende; teilweise Überschneidungen; Zeitarbeitnehmer 1997: keine Angaben verfügbar
Quelle: Statistisches Bundesamt
Erwerbstätige: ohne Erwerbstätige, die noch zur Schule gehen, studieren oder eine Ausbildung absolvieren, sowie ohne Wehr-, Zivil- und Freiwilligendienstleistende; teilweise Überschneidungen; Teilzeit < 20 h/Woche: einschließlich Minijobs; Zeitarbeitnehmer 1997: keine Angaben verfügbar
Quelle: Statistisches Bundesamt
Minijobs: Rückgang durch Corona
Zwar war die Zahl der reinen Minijobber zwischen 2013 und 2021 rückläufig, großen Zulauf gab es dafür bei den Minijobs im Nebenerwerb. Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse werden also nicht als Ersatz für normale Teilzeit- und Vollzeitstellen genutzt. Weil nebenerwerbliche Minijobs für Arbeitnehmer steuerfrei sind, wenn die Jobs vom Arbeitgeber pauschal versteuert werden, und bis zur Grenze von rund 520 Euro keine Sozialabgaben anfallen, ist ein zusätzlicher Minijob oft lukrativer als die Aufstockung der regulären Arbeitszeit. Hier machte sich allerdings die Pandemie stark bemerkbar: Branchen mit traditionell vielen geringfügig Beschäftigten wie das Gastgewerbe und der Einzelhandel waren von der Krise besonders betroffen. Insgesamt sank die Zahl der Minijobber zwischen 2019 und 2021 um rund 9 Prozent.
Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in 1.000
Quelle: Bundesagentur für Arbeit
Zeitarbeit: Vor allem eine Chance
Zeitarbeit ist keine Arbeit zweiter Klasse, sondern eine vollwertige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit vollem Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Für die Unternehmen bedeuten Zeitarbeitnehmer in erster Linie Flexibilität, weil sie helfen, Engpässe zu überbrücken und bei dünnerer Auftragslage – wie es in vielen Branchen durch die Coronakrise der Fall war – betriebsbedingte Kündigungen der Stammbelegschaft zu verhindern. Arbeitslosigkeit zu beenden oder zu vermeiden sind auch für Zeitarbeiter die zentralen Motive, diese Art der Beschäftigung zu wählen. Aber auch die berufliche Neuorientierung und das Schärfen des eigenen Profils sind Argumente dafür (siehe Gutes Geld und reichlich Abwechslung).
So viel Prozent der im ersten Halbjahr 2022 neu eingestellten Zeitarbeitnehmer waren …
Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Institut der deutschen Wirtschaft
Befristet Beschäftigte: Konstantes Niveau
Eine Familie gründen, eine Wohnung mieten oder einen Immobilienkredit aufnehmen – all das ist für Arbeitnehmer mit einer unbefristeten Stelle einfacher. Unternehmen betonen dagegen immer wieder, dass der Aufbau von Stellen mit befristeten Verträgen leichter sei, weil diese eine gewisse Flexibilität böten. Anders als oft behauptet ging die Erholung des Arbeitsmarkts in Deutschland seit 2005 jedoch keineswegs mit der Zunahme von befristeten Arbeitsverhältnissen einher – im Jahr 2022 lag der Anteil der befristet Beschäftigten unter allen Beschäftigten sogar 1,5 Prozentpunkte unter dem damaligen Niveau.
Befristet Beschäftigte in Prozent aller Beschäftigten
Erwerbstätige: ohne Erwerbstätige, die noch zur Schule gehen, studieren oder eine Ausbildung absolvieren, sowie ohne Wehr-, Zivil- und Freiwilligendienstleistende
Quellen: Statistisches Bundesamt, Institut der deutschen Wirtschaft
Arbeitszeit: Oft Wunsch nach weniger
Rund 4,2 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland hatten im Jahr 2018 mindestens zwei Jobs. Damit arbeiteten im Vergleich zu 2013 gut 650.000 mehr Bundesbürger in mehreren Beschäftigungsverhältnissen gleichzeitig. Menschen mit Zweitjob sind entweder mehrfach abhängig beschäftigt oder abhängig beschäftigt mit einem zeitgleich selbstständigen Erwerb, das sind sogenannte Hybridbeschäftigte. Über alle Beschäftigungsgruppen hinweg wird deutlich, dass der größte Anteil der Bundesbürger in ihrem Haupterwerb gerne weniger arbeiten würde. Doch sollte das hiesige Arbeitszeitvolumen weiter sinken, hätte das dramatische Konsequenzen – nicht nur für die Sozialsysteme, sondern auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland (siehe: Geringe Arbeitszeit schwächt den Standort Deutschland).
Mehrfachbeschäftigte: mehrfach abhängig Beschäftigte; Hybridbeschäftigte: abhängig Beschäftigte, die zeitgleich einem selbstständigen Erwerb nachgehen; Arbeitszeit und -wunsch im Haupterwerb; Stand: 2018
Quellen: Sozio-oekonomisches Panel, Institut der deutschen Wirtschaft
- Viele Erwerbstätige, wenige Arbeitslose und die EU-weit geringste Jugendarbeitslosenquote – für Arbeit-nehmer sieht es auf dem deutschen Arbeitsmarkt sehr gut aus.
- Auch vom leichten Dämpfer durch die Corona-Pandemie erholte sich der Arbeitsmarkt in Deutschland schnell.
- Weitere Zahlen zu den einzelnen Bundesländern, Zeitarbeit und Minijobs finden sie in unserer interaktiven Grafik unter iwd.de/grafikstrecke-arbeitsmarkt