Vermögensverteilung in Deutschland
Während die verfügbaren Einkommen in Deutschland verhältnismäßig gleich verteilt sind, sieht das bei Vermögenswerten wie Immobilien und Finanzanlagen anders aus – hier sind die Unterschiede beachtlich. Einen großen Einfluss auf die Vermögensposition eines Haushalts im Gesamtgefüge hat einerseits das Alter des Hauptverdieners und andererseits, ob jemand mit Partner oder allein lebt.
- Die Vermögen der Haushalte sind in Deutschland ungleicher verteilt als die Einkommen.
- Die Grenze, um zu den vermögendsten 10 Prozent zu gehören, liegt allerdings deutlich niedriger, als viele denken.
- Vom Medianvermögen, also dem Vermögen genau in der Mitte der Verteilung, liegt die Grenze zum oberen Zehntel bei den jüngeren Altersgruppen relativ betrachtet besonders weit entfernt.
Den meisten Menschen fällt es schwer, sich richtig in die Vermögensverteilung einzuordnen: Nicht einmal 3 Prozent der Haushalte in Deutschland glauben, dass sie zu den 20 Prozent mit den höchsten Vermögen gehören. Und am anderen Ende der Verteilung denken deutlich zu viele, dass sie zu jenen mit mittlerem oder niedrigem Vermögen zählen.
Während die persönliche Vermögenssituation also oft falsch eingeschätzt wird, irrt die Öffentlichkeit nicht, wenn sie hierzulande hohe Vermögensunterschiede innerhalb der Gesellschaft vermutet. Tatsächlich sind diese deutlich ausgeprägter als bei der Verteilung der Nettoeinkommen, wie eine neue IW-Studie zeigt.
Das belegt der Gini-Koeffizient, ein unter Ökonomen oft verwendetes Maß für die Messung der Ungleichheit: Hat der Koeffizient den Wert null, besitzen alle das gleiche Nettovermögen. Je mehr sich der Wert der Eins nähert, desto größer ist die Ungleichheit.
Da es innerhalb der Haushalte oft finanzielle Unterschiede gibt – ein Partner arbeitet Vollzeit, der andere Teilzeit oder einer besitzt hohe Vermögenswerte, der andere fast keine –, betrachtet die Wissenschaft bei Verteilungsfragen in aller Regel die Haushalts- statt die individuelle Ebene.
Zudem werden Einkommen bedarfsgewichtet. Diese Methode berücksichtigt, dass ein gemeinsamer Haushalt Kostenvorteile gegenüber einem Singlehaushalt hat und dass Kinder weniger Geld benötigen als Erwachsene.
Vermögen sind deutlich ungleicher verteilt als Einkommen
Der Gini-Koeffizient für die bedarfsgewichteten Haushaltsnettoeinkommen betrug in Deutschland in den vergangenen Jahren weniger als 0,3; bei den Haushaltsvermögen aber regelmäßig mehr als 0,7 – selbst bei einer eher unüblichen Bedarfsgewichtung der Vermögen.
Noch deutlicher wird der Befund beim Blick auf konkrete Beträge:
Um in Deutschland zu den vermögendsten 10 Prozent zu gehören, müssen Haushalte in der Systematik der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 477.200 Euro besitzen. Die Grenze zu den vermögensärmsten 10 Prozent der Haushalte liegt bei 0 Euro – unterhalb dieser Grenze überwiegen bei vielen Haushalten Schulden etwaige Vermögenswerte.
Betriebsvermögen werden in der EVS nicht erfasst.
Noch deutlicher werden die Vermögensunterschiede, wenn man die 90-Prozent-Grenze ins Verhältnis zum Median, also dem Wert genau in der Mitte der Verteilung, setzt:
Vermögensunterschiede sind bei jüngeren Altersgruppen besonders groß
Bei der Einkommensverteilung befindet sich die Grenze zu den oberen 10 Prozent in etwa beim doppelten Medianeinkommen. In der Vermögensverteilung liegt diese Grenze dagegen beim Siebenfachen des Medianvermögens. Differenzierter wird das Bild, wenn der Wohlstand einzelner Altersgruppen analysiert wird. Dann zeigt sich, dass Haushalte mit einem älteren Haupteinkommensbezieher deutlich schneller in höhere Vermögensbereiche gelangen (Grafik):
In der Gruppe der Haushalte, deren Haupteinkommensbezieher jünger als 30 ist, reicht ein Vermögen von gut 71.000 Euro aus, um zu den reichsten 10 Prozent der Altersgruppe zu gehören. In der Gruppe der 55- bis 59-Jährigen muss ein Haushalt dafür mindestens 625.000 Euro besitzen.
Darüber hinaus sind die Vermögensunterschiede in den jüngeren Altersgruppen besonders groß – hier braucht es das 14-Fache des Medianvermögens, um zu den obersten 10 Prozent aufzuschließen.
Vom Medianvermögen ins oberste Zehntel – dieser Weg ist bei den jüngeren Altersgruppen besonders weit.
Mit steigendem Alter nimmt die relative Ungleichheit der Vermögen in den Alterskohorten dann ab: Der Sprung vom Median ins obere Zehntel gelingt bei den 55- bis 59-Jährigen mit dem fünffachen Vermögen.
Trotzdem sind auch bei den älteren Jahrgängen längst nicht alle vermögend. So gelten rund 3 Prozent der Haushalte mit einem mindestens 65-jährigen Haupteinkommensbezieher als überschuldet, das sind immerhin rund 340.000 Haushalte in Deutschland.
Jüngere Haushalte sind in der Gruppe des vermögensreichsten Zehntels deutlich unterrepräsentiert. Mehr noch:
Über 20 Prozent der Haushalte, bei denen der Haupteinkommensbezieher jünger als 30 Jahre ist, weisen ein negatives Nettovermögen auf – sie haben also mehr Schulden als Vermögen, verursacht beispielsweise durch Konsumenten- und Ausbildungskredite.
Haushalte mit einem Hauptverdiener, der älter als 30 Jahre ist, haben dann häufig Hypothekenkredite abzuzahlen.
Dieser Befund erklärt allerdings auch, weshalb vor allem Paare im weiteren Lebensverlauf oft beachtliche Vermögen anhäufen – die Schulden werden zunehmend getilgt und die einst per Kredit finanzierte Immobilie mehrt den Wohlstand.
Die Grenze, ab der ein Haushalt zu den vermögensreichsten 10 Prozent gehört, verschiebt sich tatsächlich deutlich, wenn man zwischen Singles und Paaren unterscheidet:
Ein Alleinstehender schafft es mit knapp 306.000 Euro ins höchste Vermögenszehntel aller Singles.
Paare müssen indes mehr als 601.000 Euro in der Hinterhand haben, um in ihrer Vergleichsgruppe zum vermögensreichsten Dezil zu zählen. Während diese beiden Werte allerdings noch einer gewissen Logik folgen – als Paar braucht man fast das doppelte Vermögen, um es auf der Verteilungsskala nach oben zu schaffen –, zeigt ein anderer Vergleich, wie unterschiedlich die Situation je nach Beziehungsstatus wirklich ist:
Das Medianvermögen der Gruppe der Singles und Alleinerziehenden liegt bei 20.000 Euro; zusammenlebende Paare – mit oder ohne Kinder – kommen im Median der Vermögensverteilung schon auf 151.400 Euro.
Mit Blick auf all diese Zahlen dürfte es viele überraschen, zu welcher Vermögensgruppe sie selbst gehören. Denn sicherlich nur ein kleiner Teil derer, die statistisch zu den vermögensreichsten 10 Prozent zählen, wird sich wirklich reich fühlen – beispielsweise mit Blick auf die Tatsache, dass ein großes, schuldenfreies Haus in begehrter Lage schon genügt, um in diese Gruppe aufzusteigen.
Richtig reich ist erst das oberste Promille
Da die geläufigen statistischen Stichproben die Spitzeneinkommen und -vermögen allerdings eher untererfassen, hat das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) im Jahr 2019 seine Stichprobe gezielt um mehr Hochvermögende erweitert. Dafür berücksichtigt es zusätzlich nennenswerte Firmenbeteiligungen – die bisher unzureichend erfasst waren und in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe nicht erhoben werden.
Vor allem beim obersten Prozent der Vermögenden führt das zu deutlichen Verschiebungen der Grenzwerte – hier allerdings auf individueller und nicht mehr auf Haushaltsebene:
Werden die Spitzenvermögen sowie Unternehmensbeteiligungen berücksichtigt, steigt die Grenze des obersten Prozents der Vermögenden im SOEP von 1,05 auf 1,33 Millionen Euro.
Die Grenze für die Zugehörigkeit zum obersten Promille erhöht sich sogar um annähernd 1,5 Millionen Euro – von rund 4 auf 5,5 Millionen Euro.
Das sind wohl eher jene Beträge, die von vielen mit Reichtum gleichgesetzt werden. Zur entsprechenden Personengruppe zählen dann allerdings nur noch wenige.