Ausländische Fachkräfte Lesezeit 4 Min.

Qualifizierte Zuwanderer aus Drittstaaten gesucht

Deutschland ist aufgrund des demografischen Wandels auf ausländische Fachkräfte angewiesen. Weil die anderen EU-Staaten ebenfalls unter Fachkräfteengpässen leiden, sollte sich die deutsche Migrationspolitik verstärkt auf Zuwanderer aus Drittstaaten konzentrieren.

Kernaussagen in Kürze:
  • Deutschland ist auf Fachkräftezuwanderung angewiesen. Da in den anderen EU-Staaten ebenfalls der demografische Wandel voranschreitet, sollte sich die Bundesrepublik vor allem auf außereuropäische Regionen fokussieren.
  • Indien hat das mit Abstand größte Rekrutierungspotenzial, aber auch Regionen wie Nordafrika, Lateinamerika und Südostasien bieten sich an.
  • Es wäre fahrlässig, nur in einem Land Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt gewinnen zu wollen. Die deutsche Migrationspolitik muss ihr Augenmerk auch auf kleinere Länder in anderen Weltregionen richten.
Zur detaillierten Fassung

Ohne zusätzliche Fachkräfte aus dem Ausland sieht Deutschland – durchaus wörtlich – zunehmend alt aus. Klar ist, dass diese Menschen aus dem außereuropäischen Ausland kommen sollten, da in den anderen EU-Staaten die nachrückenden Altersgruppen, so wie in Deutschland, immer kleiner werden.

Neben Indien bieten sich Nordafrika, Lateinamerika und Südostasien als außereuropäische Regionen mit großem Fachkräftepotenzial an.

Ein Schwerpunkt einer solchen Migrationsstrategie sollte auf Indien liegen, das mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern ein besonders großes Rekrutierungspotenzial birgt. Aus Indien sind in den vergangenen Jahren bereits verstärkt Fachkräfte nach Deutschland zugewandert:

Lag die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Inder in Deutschland im Juni 2012 noch bei 16.900, waren es im Juni 2022 schon 99.000.

Viele gehen anspruchsvollen Jobs nach: Fast 57 Prozent der indischen Beschäftigten üben in Deutschland eine Experten- oder Spezialistentätigkeit aus, für die in der Regel ein Hochschul- oder Fortbildungsabschluss zum Meister, Techniker oder Fachwirt notwendig ist . Zum Vergleich: Unter den Bundesbürgern beträgt dieser Anteil gerade einmal 29,5 Prozent (siehe: "Deutschland gewinnt Fachkräfte aus Indien").

Es wäre allerdings fahrlässig, nur in einem Land Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt gewinnen zu wollen. Denn politische oder wirtschaftliche Veränderungen können schnell dazu führen, dass die für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands so wichtigen Wanderungsbewegungen zurückgehen oder gar zum Erliegen kommen. Daher muss die deutsche Migrationspolitik ihr Augenmerk auch auf kleinere Länder in anderen Weltregionen richten. Diese Länder sollten grundsätzlich drei Anforderungen erfüllen:

Zuwanderer sollten bereits Qualifikationen mitbringen

Zunächst sollten sie einen Entwicklungsstand erreicht haben, bei dem bereits ein größerer Teil der jungen Menschen im dortigen Bildungssystem Qualifikationen erwirbt, die in Deutschland anschlussfähig sind; dies ist auch notwendig, damit der Weggang gut ausgebildeter Fachkräfte für die ausländischen Arbeitsmärkte verschmerzbar ist. Zweitens sollte das Einkommensgefälle gegenüber Deutschland groß genug sein, damit es für die ausländischen Fachkräfte aus wirtschaftlicher Sicht attraktiv ist, hierher zu kommen. Und schließlich sollte der demografische Wandel in den Heimatländern noch nicht so weit fortgeschritten sein, dass die nachrückenden Kohorten bereits deutlich kleiner werden.

Drei Weltregionen, die alle drei Kriterien erfüllen und große Potenziale für die Fachkräftesicherung in Deutschland bieten, sind Lateinamerika, Nordafrika und Südostasien.

Die Regionen im Detail:

Lateinamerika. Die Region südlich der Vereinigten Staaten hat mit 20,1 Millionen Quadratkilometern eine sehr große Fläche. Allerdings ist die lateinamerikanische Bevölkerung mit 654 Millionen Menschen nicht mal halb so groß wie die von Indien. Obwohl die Region Lateinamerika insgesamt 33 eigenständige Staaten umfasst, lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung in nur zwei Staaten: nämlich in Brasilien und Mexiko.

Viele der Lateinamerikaner in Deutschland verfügen über ein hohes Qualifikationsniveau (Grafik):

Mitte 2022 übten fast 39 Prozent der in Deutschland beschäftigten Lateinamerikaner eine Experten- oder Spezialistentätigkeit aus.

So viel Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus diesen Regionen arbeiteten als … Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Allerdings ist die Gesamtzahl der Lateinamerikaner in Deutschland trotz einer deutlich verstärkten Zuwanderung in den 2010er Jahren mit aktuell knapp 170.000 Personen, von denen rund 86.000 einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, noch recht überschaubar (Grafik):

So viele Personen aus diesen Regionen waren in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Nordafrika. Betrachtet man die unterschiedlichen Weltregionen, wird Nordafrika meist mit dem Nahen Osten zusammengefasst. Die Wanderungsbewegungen nach Deutschland aus diesen beiden Regionen unterscheiden sich jedoch grundlegend. Während viele Personen aus den Kriegs- und Krisenländern Vorderasiens hierzulande Schutz suchen, spielt die Aufnahme Geflüchteter für die Zuwanderung aus Nordafrika nur eine geringe Rolle. Auch ist die Lage der Nordafrikaner am deutschen Arbeitsmarkt weit besser und hat in den vergangenen Jahren durch eine verstärkte Beschäftigung in Expertentätigkeiten im MINT-Bereich stark zugenommen.

Ägypter besonders erwünscht

Besonders günstig stellt sich die Lage bei den Zuwanderern aus Ägypten dar, dem mit 108 Millionen Einwohnern mit weitem Abstand einwohnerreichsten Land Nordafrikas. Hier ist die Position Deutschlands im Wettbewerb um international mobile Fachkräfte vergleichsweise günstig, da in der westlichen Welt bislang kaum größere ägyptische Communitys existieren.

Die größten Zuwanderergruppen aus Nordafrika stammen bisher aus Marokko und Tunesien: In diesen beiden Ländern wurden in den 1960er und 1970er Jahren gezielt Gastarbeiter angeworben.

Südostasien. Obwohl Südostasien flächenmäßig sehr viel kleiner ist als Lateinamerika, leben dort mit 670 Millionen Personen etwas mehr Menschen. Die größten Länder Südostasiens sind Indonesien mit 273 Millionen, die Philippinen mit 113 Millionen und Vietnam mit 97 Millionen Einwohnern.

In Deutschland lebten im Jahr 2021 insgesamt 238.000 Südostasiaten, darunter 111.000 Vietnamesen. Ursache dafür ist vor allem die gezielte Anwerbung vietnamesischer Arbeitskräfte durch die DDR in den späten 1980er Jahren.

Zur Fachkräftesicherung tragen die Beschäftigten aus den Philippinen stark bei, sie sind fast zur Hälfte (48 Prozent) im besonders stark von Engpässen betroffenen Gesundheits- und Sozialwesen tätig. Gut ist die Lage am deutschen Arbeitsmarkt auch für Zuwanderer aus Indonesien: Im Jahr 2021 betrug die Arbeitslosenquote von Indonesiern in Deutschland nur 3 Prozent. Fast jeder dritte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aus diesem Land ging zudem einer Spezialisten- oder Expertentätigkeit nach.

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