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Deutschland gewinnt Fachkräfte aus Indien

Um seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu wahren, ist Deutschland in den kommenden Jahren mehr denn je auf qualifizierte Zuwanderer angewiesen. Menschen mit indischer Staatsangehörigkeit leisten schon heute einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung. Das Potenzial ist aber noch nicht ausgereizt, die Politik bleibt gefordert.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Zahl der nach Deutschland eingewanderten Inder war im Jahr 2019 fast siebenmal so hoch wie 2010.
  • Viele Inder, die hierherkommen, sind gut ausgebildet; viele auf Expertenniveau qualifizierte Zuwanderer aus Indien arbeiten zudem im MINT-Bereich.
  • Das Potenzial, das Indien für die Fachkräftesicherung in Deutschland bietet. ließe sich allerdings noch besser ausschöpfen.
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Knapp 67 – so wenige 15- bis 24-Jährige standen in Deutschland Ende 2020 jeweils 100 Mitbürgern im Alter von 55 bis 64 Jahren gegenüber. Diese Relation zeigt unmissverständlich, dass die Wirtschaft hierzulande vor einem großen demografischen Problem steht. Schon heute fehlen in vielen Unternehmen qualifizierte Mitarbeiter.

Ohne eine umfangreiche Zuwanderung wird die demografische Herausforderung nicht zu bewältigen sein. Bereits in den vergangenen Jahren haben im Ausland geborene Personen die Arbeitskräftebasis in Deutschland gestärkt:

Der Anteil der ausländischen an allen Erwerbstätigen in der Bundesrepublik stieg von knapp 14 Prozent im Jahr 2010 auf rund 18 Prozent im Jahr 2020.

Mit Blick auf die Zuwanderer von morgen bietet vor allem Indien gute demografische Voraussetzungen. Es ist nicht nur – nach China – mit knapp 1,4 Milliarden Menschen das Land mit der zweitgrößten Bevölkerung, die Menschen dort sind im Schnitt auch sehr jung:

Etwa 250 Millionen Inderinnen und Inder sind zwischen 15 und 24 Jahre alt.

Zudem verfügten im Jahr 2020 in Indien fast 45 Millionen 25- bis 34-Jährige über einen Hochschulabschluss.

Das Potenzial für eine Zuwanderung nach Deutschland ist also rein rechnerisch enorm – schließlich müssten bis 2030 insgesamt „nur“ rund fünf Millionen Menschen einwandern, um die demografische Entwicklung zu stabilisieren.

Die tatsächlichen Zahlen sind weit von dieser Größenordnung entfernt. Doch der Trend stimmt zuversichtlich (Grafik):

Nettozuwanderung von indischen Staatsangehörigen nach Deutschland sowie Anteil an der gesamten Nettozuwanderung in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Per saldo kamen im Jahr 2019 gut 21.700 indische Staatsbürger nach Deutschland – fast siebenmal so viele wie 2010.

Was die Zuwanderer aus Indien besonders macht, ist ihr starker Erwerbsbezug. Während der Anteil der indischen Staatsangehörigen an der gesamten Bevölkerung aus Drittstaaten – also von außerhalb der EU – Ende 2020 nur 2,3 Prozent betrug, lag ihr Anteil an den Drittstaatenangehörigen mit einem Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit bei 11,3 Prozent.

Hohes Qualifikationsniveau

Vor allem aber sind die Inder, die hierherkommen, oft gut ausgebildet:

Von allen 32.037 Drittstaatenangehörigen, die im Jahr 2020 in Deutschland einen Aufenthaltstitel für qualifizierte Fachkräfte (wie die Blaue Karte der EU) erhielten, kamen 5.932 aus Indien – ein Anteil von 18,5 Prozent.

Damit tragen die indischen Zuwanderer zunehmend zur hiesigen Fachkräftesicherung bei. Dies gilt insbesondere für Jobs, die eine akademische Qualifikation erfordern. Von allen Menschen aus Drittstaaten, die im März 2021 hierzulande eine Expertentätigkeit ausübten – für die meist ein Studium bis zum Master vorausgesetzt wird –, stammten fast 12 Prozent aus Indien.

Das hohe Qualifikationsniveau der indischen Migranten zeigt sich auch aus anderer Perspektive (Grafik):

Von den knapp 71.000 Inderinnen und Indern, die im März 2021 in Deutschland einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgingen, übten fast 58 Prozent eine Experten- oder Spezialistentätigkeit aus.

So viel Prozent de sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland übten im März 2021 eine Tätigkeit auf diesem Niveau aus Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Dieser Anteil war deutlich höher als bei den ausländischen Beschäftigten insgesamt (rund 17 Prozent). Auch von den Beschäftigten mit deutscher Staatsangehörigkeit waren lediglich gut 28 Prozent als Experten oder Spezialisten tätig – Letztere benötigen in der Regel einen Fortbildungsabschluss wie den Meister oder einen Bachelorabschluss.

Inder bringen viel MINT-Expertise mit

Bemerkenswert ist zudem, dass die Zahl der indischen Experten im wirtschaftlichen Schlüsselbereich MINT – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – seit 2016 deutlich stärker gestiegen ist als die gesamte Beschäftigtenzahl in diesen Fachgebieten.

Inzwischen gibt es in Deutschland rund 18.600 indische MINT-Experten – sie stellen damit die größte Ausländergruppe in diesem Segment.

Dass sich immer mehr indische Migranten in Deutschland niederlassen, ist keineswegs selbstverständlich. Gerade hochqualifizierte Inder könnten sich ebenso für angelsächsische Länder wie die USA oder das Vereinigte Königreich entscheiden. Dort haben sie meist keine Verständigungsschwierigkeiten – Englisch gehört in Indien zu den Amtssprachen –, außerdem leben in diesen Ländern bereits große indische Gemeinschaften, die den Neuzuwanderern die Eingewöhnung erleichtern.

Einwanderung für Fachkräfte erleichtert

Deutschlands Ruf als Einwanderungsland hat sich jedoch seit einiger Zeit deutlich verbessert. Der langjährige wirtschaftliche Aufschwung vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie sorgte für gute Beschäftigungsperspektiven. Außerdem wurde der Zuzug für hochqualifizierte Erwerbszuwanderer in den vergangenen zwei Jahrzehnten sukzessive erleichtert, zuletzt mit dem 2020 in Kraft getretenen Fachkräfteeinwanderungsgesetz.

Des Weiteren dürften Initiativen wie „Make it in Germany“ mit ihren Informationsangeboten dazu beigetragen haben, dass potenzielle qualifizierte Zuwanderer Deutschland als möglichen Lebens- und Arbeitsort überhaupt erst in den Blick genommen haben.

Um das Potenzial, das Indien für die Fachkräftesicherung in Deutschland bietet, noch besser auszuschöpfen, muss die Bundesregierung unter anderem das Zuwanderungsrecht so weiterentwickeln, dass die Prozesse noch schneller ablaufen und mit weniger Aufwand für die Migranten verbunden sind. Zudem sollte auch jenen Aspiranten, die noch keinen Arbeitsvertrag vorweisen können, aber gute Integrationsperspektiven haben, der Zuzug nach klar definierten Kriterien ermöglicht werden.

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