Der Krankenstand in Deutschland
Fast 23 Tage war jeder Arbeitnehmer in Deutschland 2022 im Schnitt krankgeschrieben. So viele Fehltage gab es hierzulande nicht einmal in den Corona-Jahren, das geht aus der Auswertung der neuesten Daten des Dachverbands der Betriebskrankenkassen hervor. Weitere Daten und Fakten zum Krankenstand in Deutschland finden Sie in unseren interaktiven Grafiken.
Die durchschnittlichen Krankheitstage
Auf den ersten Blick haben die ersten vier Coronawellen kaum Spuren in der Statistik hinterlassen. Denn zu Beginn der Pandemie waren vor allem hochbetagte Menschen betroffen, die Belegschaften durch Lockdown, Abstandsregeln und Homeoffice relativ gut geschützt. Doch das hat sich 2022 mit der Omikron-Variante geändert. Und nach dem Wegfall von Schutzmasken und Co. im Frühsommer trafen altbekannte Erkältungsviren auf eine Bevölkerung, deren Immunität während der Pandemie abgenommen hat. Das führte insgesamt zu einem deutlichen Anstieg des Krankenstands.
Krankheitstage einschließlich Reha und Arbeitsunfälle: Kalendertage mit ärztlichem Attest von pflicht- und freiwillig versicherten Mitgliedern der Betriebskrankenkassen, ohne Arbeitslose und Rentner, ab 2016 wegen neuer Methodik nur bedingt mit früheren Werten vergleichbar
Quelle: Dachverband der Betriebskrankenkassen
Die durchschnittliche Krankheitsdauer
Wie in den Jahren zuvor, entfiel auch 2022 das Gros der Krankschreibungen auf kurzzeitige Erkrankungen: Knapp zwei Drittel sind nach spätestens einer Woche erledigt. Allerdings ließ die Coronavirus-Variante Omikron den Anteil der Fälle, deren Genesung zwischen ein und zwei Wochen beanspruchte, um 7,5 Prozentpunkte steigen.
So viel Prozent der Krankheitsfälle 2022 dauerten …
Kalendertage mit ärztlichem Attest von pflicht- und freiwillig versicherten Mitgliedern der Betriebskrankenkassen, ohne Arbeitslose und Rentner
Quelle: Dachverband der Betriebskrankenkassen
Der Krankenstand im Jahresverlauf
Wer dachte, die Bevölkerungsimmunität habe nach dem Winter 2022/2023 wieder das alte Niveau erreicht, wird derzeit eines Besseren belehrt. RS-Viren, Corona und Co. treiben den Krankenstand auch im Herbst 2023 in die Höhe. Ein schwacher Trost: Auch wenn die Coronazahlen wieder zulegen, bleiben sie doch unter dem Niveau der ersten Wellen. Zudem verlaufen die Infektionen meist mild.
Krankgemeldete in Prozent aller beschäftigten Mitglieder der Betriebskrankenkassen
Auswertung einer Stichprobe; krankgemeldete Mitglieder: arbeitsunfähig mit ärztlichem Attest
Quelle: Dachverband der Betriebskrankenkassen
Die Krankheitsgründe
Mit steigendem Alter treten vermehrt Verschleißerscheinungen auf. So ist rund ein Fünftel aller Krankheitstage auf Muskel- und Skeletterkrankungen zurückzuführen. In keiner anderen Krankheitsart steigen die Ausfälle mit dem Alter so kräftig an. Psychische Erkrankungen treten zwar seltener auf, verursachen aber die längsten Ausfallzeiten je Fall. Umgekehrt ist es bei den Atemwegserkrankungen: Sie treten am häufigsten auf, sind im Schnitt aber nach gut einer Woche ausgestanden.
Krankheitstage: Kalendertage mit ärztlichem Attest von pflicht- und freiwillig versicherten Mitgliedern der Betriebskrankenkassen, ohne Arbeitslose und Rentner
Quelle: Dachverband der Betriebskrankenkassen
Rest zu 100: Sonstige Ursachen
Krankheitstage: Kalendertage mit ärztlichem Attest von pflicht- und freiwillig versicherten Mitgliedern der Betriebskrankenkassen, ohne Arbeitslose und Rentner
Quelle: Dachverband der Betriebskrankenkassen
Die Rolle des Alters
Es liegt nahe, langwierige Ausfälle mit dem Alter der Beschäftigten in Verbindung zu bringen. Denn offenkundig beansprucht die Genesung älterer Mitarbeiter mehr Zeit. Jenseits der 55 ist die durchschnittliche Ausfallzeit fast doppelt so lang wie in der Altersgruppe der 35- bis 39-Jährigen. Körperliche Verschleißerscheinungen oder schwerwiegende Erkrankungen treten bei jüngeren Kollegen seltener auf.
Durchschnittliche Zahl der Krankheitstage 2022
Krankheitstage: Kalendertage mit ärztlichem Attest von pflicht- und freiwillig versicherten Mitgliedern der Betriebskrankenkassen, ohne Arbeitslose und Rentner
Quelle: Dachverband der Betriebskrankenkassen
Die Häufigkeit von Krankschreibungen
Während 2021 gut die Hälfte aller Beschäftigten gesund geblieben ist, hat es in Herbst und Winter 2022 gefühlt jeden erwischt. Ob Corona, Bronchitis oder RS-Virus – Ursachen gab es genug. Der Anteil der BKK-Mitglieder, die mindestens dreimal betroffen waren, hat gegenüber dem Vorjahr um gut 10 Prozentpunkte zugelegt. Ob Frauen häufiger erkranken als Männer, lässt sich mit der Statistik nicht belegen. Eine mögliche Erklärung, warum Frauen vergangenes Jahr öfter krankgeschrieben waren als Männer: Beschäftigte Mütter legen deutlich häufiger ein Attest wegen ihres erkrankten Kindes vor als Väter.
So viel Prozent der BKK-Mitglieder waren 2022 so häufig krankgeschrieben
BKK-Mitglieder: Pflicht- und freiwillig versicherte Mitglieder der Betriebskrankenkassen, ohne Arbeitslose und Rentner; krankgeschrieben: mit ärztlichem Attest
Quelle: Dachverband der Betriebskrankenkassen
Der Krankenstand in den Bundesländern
Über alle Bundesländer hinweg hat die Zahl der Fehltage zugenommen. Die Beschäftigten waren aber deutlich eher wieder auf den Beinen als im Vorjahr. Der Grund: Sie infizierten sich häufig mit Atemwegserkrankungen, die sich vergleichweise schnell auskurieren lassen. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern ergeben sich unter anderem aus dem regionalen Branchenmix, den unterschiedlichen Unternehmensstrukturen und der damit einhergehenden unterschiedlichen Bedeutung der einzelnen Berufsgruppen.
Durchschnittliche Krankheitstage 2022 …
Krankheitstage: Kalendertage mit ärztlichem Attest von pflicht- und freiwillig versicherten Mitgliedern der Betriebskrankenkassen, ohne Arbeitslose und Rentner
Quelle: Dachverband der Betriebskrankenkassen
Der Krankenstand in den Branchen
Das Vorurteil, die Arbeit in der Industrie sei ein Knochenjob, gilt heute weniger denn je. Der steigende Dienstleistungsanteil an Industrieprodukten, der hohe Standard in der Arbeitssicherheit und nicht zuletzt das betriebliche Gesundheitsmanagement lassen die Branchenunterschiede schwinden.
Krankheitstage je beschäftigtes Mitglied der Betriebskrankenkassen im Jahr 2022
Branchenauswahl; Kalendertage mit ärztlichem Attest
Quelle: Dachverband der Betriebskrankenkassen
Der Krankenstand nach Berufsgruppen
Deutliche Unterschiede treten bei den Berufsgruppen und den für sie typischen Tätigkeiten auf. Unabhängig von der Branche hatten 2022 zum Beispiel Altenpfleger knapp viermal mehr Ausfalltage als Beschäftigte in der Softwareentwicklung und Programmierung.
Krankheitstage 2022 je beschäftigtes Mitglied der Betriebskrankenkassen
Krankheitstage: Kalendertage mit ärztlichem Attest; pflicht- und freiwillig versicherte Mitglieder der Betriebskrankenkassen, ohne Arbeitslose und Rentner
Quelle: Dachverband der Betriebskrankenkassen
Die Krankheitskosten der Arbeitgeber
Bis zu sechs Wochen zahlt der Arbeitgeber das Gehalt weiter, wenn ein Mitarbeiter krankgeschrieben ist. Erst danach springt die Krankenkasse mit ihrem Krankengeld ein, das allerdings nur noch 70 Prozent des regelmäßigen Bruttoentgelts beträgt. Zuletzt brachten die Unternehmen gut 70 Milliarden Euro für die Entgeltfortzahlung auf – fast doppelt so viel wie noch im Jahr 2012. Die Gründe: Jährliche Lohnsteigerungen treiben die Ausgaben ebenso in die Höhe wie der Beschäftigungszuwachs im vergangenen Jahrzehnt und die Alterung der Belegschaften. RS-Viren, Grippe und Co. verursachten 2022 einen zusätzlichen Schub.
Ausgaben der Unternehmen für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Milliarden Euro
Entgeltfortzahlung: ohne gesetzlichen Mutterschaftsurlaub; Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber einschließlich der gesetzlichen Unfallversicherung; 2018 und 2019: vorläufig, 2020: geschätzt
Quellen: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Deutsche Rentenversicherung
Der Krankenstand nach Anforderungsniveau
Je höher das Anforderungsniveau der beruflichen Tätigkeit, desto geringer der Krankenstand im Jahr 2022. Der Unterschied zeigt sich auch bei der Aufsichts- und Führungsverantwortung – und das, obwohl Führungskräfte im Durchschnitt rund vier Jahre älter sind als der Rest der Beschäftigten.
Krankheitstage 2022 je beschäftigtes Mitglied der Betriebskrankenkassen
Anforderungsniveau der beruflichen Tätigkeit
Aufsichts- und Führungsverantwortung
Krankheitstage: Kalendertage mit ärztlichem Attest
Quelle: Dachverband der Betriebskrankenkassen
Die Rolle des Arbeitszeitmodells
Wer unbefristet in Vollzeit arbeitet, erkrankt zwar seltener als seine befristet angestellten Kollegen, fällt insgesamt allerdings mehr Tage aus. Letzteres gilt auch für Teilzeitbeschäftigte. Häufiger fehlen auch Arbeitnehmer, die in Leih- und Zeitarbeit beschäftigt sind.
Krankheitsfälle 2022 je beschäftigtes Mitglied der Betriebskrankenkassen
Krankheitstage: Kalendertage mit ärztlichem Attest
Quelle: Dachverband der Betriebskrankenkassen
Die Angaben in den Grafiken basieren auf einer jährlichen Auswertung des Dachverbands der Betriebskrankenkassen (BKK), in die alle von einem Arzt attestierten Krankheitstage einfließen. Die Ergebnisse lassen sich angesichts der 4,6 Millionen beschäftigten BKK-Mitglieder gut auf die Gesamtwirtschaft übertragen.
Alle Daten in einer Excel-Tabelle zum Herunterladen- Im Jahr 2022 waren Arbeitnehmer im Durchschnitt 22,6 Tage krankgeschrieben. So viele Fehltage gab es hierzulande nicht einmal in den Corona-Jahren.
- Der Grund für den Rekord: Altbekannte Erkältungsviren trafen nach dem Wegfall von Schutzmasken und Co. im Frühsommer 2022 auf eine durch die Pandemie immungeschwächte Bevölkerung.
- Die Fälle von Atemwegserkrankungen schossen in die Höhe und überholten die bisher häufigste Ausfallsursache, Muskel- und Skeletterkrankungen.
- Die interaktiven Grafiken finden Sie unter iwd.de/krankenstand