Gesetzliche Krankenversicherung Lesezeit 3 Min.

Ausgabenanstieg der GKV bremsen

Die Bundesregierung hat den Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung in den vergangenen Jahren immer wieder erhöht. Der Grund: immens gestiegene Ausgaben der Kassen. Doch nur an der Einnahmenseite zu schrauben, kostet Mitglieder, Arbeitgeber und Rentenkasse immer mehr – und das eigentliche Problem bleibt ungelöst.

Kernaussagen in Kürze:
  • Da die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung in den vergangenen Jahren enorm gestiegen sind, hat die Bundesregierung den Beitragssatz immer wieder erhöht.
  • Um das Ausgabenwachstum zu bremsen, sollte die Politik die Arztpraxen in den Wettbewerb um kostengünstige Versorgungsangebote einbeziehen.
  • Könnten Krankenkassen ihren Versicherten Praxen mit niedrigen Kosten vorgeben und dafür im Gegenzug niedrigere Honorare abrechnen, würden die Ausgaben sinken.
Zur detaillierten Fassung

Der Patient: die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Das Krankheitsbild: starkes Ausgabenwachstum. So lässt sich in Kurzform das Problem der Gesundheitspolitik in Deutschland beschreiben. Denn die jährlichen Ausgaben der GKV sind enorm gestiegen: Lagen sie im Jahr 2012 noch bei gut 184 Milliarden Euro, waren es zehn Jahre später schon fast 289 Millionen Euro – eine Zunahme von rund 57 Prozent. Zum Vergleich: Zwischen 2002 und 2012 stiegen die Ausgaben um etwas mehr als ein Viertel.

Um die überproportional stark wachsenden GKV-Ausgaben zu stabilisieren, sollte die Politik die Arztpraxen in den Wettbewerb um möglichst kostengünstige Versorgungsangebote einbeziehen.

Da die GKV umlagefinanziert ist, müssen die Ausgaben im selben Jahr durch Einnahmen gedeckt werden. Die höheren Ausgaben hatten deshalb zur Folge, dass der Beitragssatz zur GKV einschließlich des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes seit 2000 von 13,6 Prozent auf aktuell 16,3 Prozent gestiegen ist.

Problem liegt auf der Ausgabenseite

Dass der jährliche Ausgleich nicht ohne steigende Beitragssätze möglich war, kann zwei Gründe haben: Entweder sind die beitragspflichtigen Einkommen der Mitglieder – also sozialabgabenpflichtige Einnahmen wie Löhne, Gehälter oder Renten – zu wenig gestiegen oder die Kosten zu stark. Woran genau die GKV kränkelt, hat das Institut der deutschen Wirtschaft untersucht und dazu die Entwicklungen der durchschnittlichen GKV-Ausgaben und der beitragspflichtigen Einkommen gegenübergestellt. Das Ergebnis (Grafik):

Zwischen 2000 und 2022 haben sich die GKV-Ausgaben je Versicherten im Schnitt mehr als verdoppelt. Das beitragspflichtige Einkommen eines durchschnittlichen Versicherten wuchs in diesem Zeitraum aber nur um gut 65 Prozent.

in Deutschland, 2000 = 100 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Um das Auseinanderklaffen beider Trends zu erklären, differenziert die IW-Studie zusätzlich zwischen Versicherten und Beitragszahlern. Denn Kinder und Ehepartner ohne Einkommen werden in der GKV auch dann versorgt, wenn sie keinen Beitrag zahlen. Zudem muss zwischen Versicherten im Erwerbsalter und im Ruhestand unterschieden werden. Erstere sind in der allgemeinen Krankenversicherung (AKV) erfasst, Letztere in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).

So ist die Zahl aller Beitragszahler in der AKV von 2000 bis 2022 um rund fünf Millionen gestiegen, die der Versicherten dagegen nur um rund 1,4 Millionen. Unter den Personen im Erwerbsalter ist der Anteil der Beitragszahler damit von gut 65 Prozent auf fast 73 Prozent gewachsen. Damit stieg auch die Grundlohnsumme (Grafik):

Die Summe der beitragspflichtigen Löhne und Gehälter der AKV-Versicherten legte zwischen 2000 und 2022 um schätzungsweise 77 Prozent zu.

Versicherte, Mitglieder und Grundlohnsumme Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Pro Kopf gerechnet fiel der Zuwachs mit 49 Prozent allerdings deutlich schwächer aus, weil mehr Beitragszahler in Teilzeit arbeiten als früher. Wenn es der Politik gelingt, durch Maßnahmen wie eine verbesserte Betreuungsinfrastruktur vor allem die Arbeitszeit von teilzeitbeschäftigten Frauen langfristig zu steigern, könnte sich das positiv auf die GKV-Einnahmen auswirken.

An dem grundsätzlichen Problem der überproportional stark wachsenden GKV-Ausgaben würde das allerdings nichts ändern. Politische Reformen sollten demnach vor allem das Ausgabenwachstum bremsen.

Stärkerer Wettbewerb nötig

Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, den Wettbewerb um möglichst kostengünstige Versorgungsangebote zu stärken. Derzeit erhalten ambulante Ärzte für gleiche Leistungen das gleiche Entgelt, solange das Praxisbudget nicht überschritten wird. Arbeiten verschiedene Praxen unterschiedlich effizient, erlaubt das System dem günstiger wirtschaftenden Anbieter bislang nicht, weniger Honorar zu fordern. Gleichzeitig haben Versicherte bisher keinen Grund, auf die freie Arztwahl zu verzichten, da die Höhe ihres Beitrags lediglich von ihrem Einkommen abhängt.

Könnten Krankenkassen ihren Versicherten allerdings Praxen mit niedrigen Kosten vorgeben und dafür im Gegenzug niedrigere Honorare abrechnen, würden die Ausgaben sinken. Für teilnehmende Ärzte kann sich das lohnen, da die Krankenkasse die Versichertenzahl kennt und das Patientenaufkommen abschätzen kann. Das erlaubt eine bessere Planung der Praxisauslastung und damit niedrigere Betriebskosten. Und kostenbewusste Versicherte würden von der Reform profitieren, weil ihre zu zahlende Prämie sinkt.

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