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Agenda 2010: Vom Reformpaket zur Erfolgsgeschichte

Vor 20 Jahren verkündete die damalige Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder die Eckpunkte der Agenda 2010. Die groß angelegte Reform des deutschen Sozialsystems und des Arbeitsmarktes hat sich langfristig ausgezahlt, wie Arbeitsmarktdaten belegen. Frankreich etwa ging einen anderen Weg und steht heute schlechter da.

Kernaussagen in Kürze:
  • Vor 20 Jahren stellte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder die Pläne für die Agenda 2010 vor.
  • Das stark polarisierende Reformpaket hat in der Rückschau sehr viele positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt gehabt.
  • Die Wirkung unterstreicht auch ein Vergleich mit Frankreich. Dort sind die Arbeitslosenquoten ohne Reform deutlich weniger gesunken als in Deutschland.
Zur detaillierten Fassung

Als der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder am 14. März 2003 ans Rednerpult im Deutschen Bundestag trat, hatte er Wichtiges zu verkünden. In einer Regierungserklärung stellte der SPD-Politiker seine Pläne für eine weitreichende Strukturreform vor – die Agenda 2010. Ziel dieses Prozesses war es, die Erwerbstätigkeit zu steigern, die Arbeitskosten zu senken und so die deutsche Wirtschaft international wettbewerbsfähiger zu machen.

Eckpunkte des Reformpakets waren unter anderen eine flexiblere Zeitarbeit sowie Lockerungen beim Kündigungsschutz. Ebenso baute die rot-grüne Bundesregierung Hürden für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ab und reformierte nach dem Prinzip „Fördern und Fordern“ die Arbeitslosenhilfe. Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe wurden in einem einheitlichen System zusammengeführt und bestehende Doppelstrukturen abgebaut. Die Behörden sollten so effizienter arbeiten. Die Bezugszeit von Arbeitslosengeld wurde für Ältere von 32 auf 18 Monate verkürzt, um Menschen im höheren Alter zu motivieren, länger zu arbeiten und zügiger nach einer neuen Stelle zu suchen.

Bis zum Jahresbeginn 2005 setzte die Bundesregierung all diese Reformvorhaben weitgehend um. Zentraler Baustein waren die vier Hartz-Gesetze – benannt nach dem Vorsitzenden der Expertenkommission, Peter Hartz.

Die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 haben dazu beigetragen, dass mehr Menschen in Deutschland heute einer Arbeit nachgehen können.

Die Agenda 2010 polarisierte stark. Befürworter sahen in dem Reformvorhaben einen wichtigen Schritt zur wirtschaftspolitischen Deregulierung und zur Sanierung der Sozialsysteme. Kritiker monierten den steigenden Druck auf Arbeitslose sowie die Arbeitseinkommen und fürchteten eine Zunahme der Zahl prekärer Beschäftigungsverhältnisse.

Das Institut der deutschen Wirtschaft zieht nun – zwei Jahrzehnte nach Schröders Regierungserklärung – noch einmal Bilanz. Zunächst lässt sich festhalten, dass deutlich mehr Menschen einer Arbeit nachgehen als vor zwei Jahrzehnten (Grafik):

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland ist von knapp 27 Millionen im Jahr 2003 auf 33,8 Millionen im Jahr 2021 gestiegen.

2022 legte sie noch weiter auf mehr als 34,4 Millionen zu.

Im selben Zeitraum sank die Arbeitslosenquote von 10,5 Prozent auf 5,3 Prozent. Die positive Entwicklung ist in allen Altersgruppen zu verzeichnen. So ging die Arbeitslosigkeit sowohl bei Jugendlichen bis 19 Jahren als auch bei Arbeitnehmern ab 55 Jahren zurück.

Das Arbeitsvolumen in Deutschland ist zwischen 2003 und 2021 um mehr als 3,6 Milliarden Stunden gestiegen. Alle Erwerbstätigen kamen zusammen zuletzt auf fast 60,3 Milliarden Arbeitsstunden im Jahr.

Und auch die frühere Sorge vor einer Flut an geringfügig Beschäftigten hat sich nicht bewahrheitet, wie die Statistik belegt:

Im Jahr 2003 waren knapp 4,7 Millionen Menschen in Deutschland ausschließlich geringfügig beschäftigt, 2022 hatten weniger als 4,4 Millionen nur einen Minijob.

Vergleich mit Frankreich zeigt Effekt der Reformen

Die Reformen der Agenda 2010 und die Arbeitsmarktdaten können natürlich nicht nur isoliert betrachtet werden. Schließlich haben zahlreiche andere Faktoren ebenfalls Effekte auf die Beschäftigung. Um die Ergebnisse besser einordnen zu können, lohnt sich ein Blick über die Grenze – Richtung Frankreich. Das Land entwickelt sich seit Jahrzehnten wirtschaftlich ähnlich wie die Bundesrepublik. So wuchs das Bruttoinlandsprodukt bei unseren Nachbarn zwischen 1970 und 2021 jährlich im Schnitt um 1,36 Prozent. Deutschland kommt für den gleichen Zeitraum auf einen jährlichen Wert von 1,45 Prozent.

Frankreich hat, anders als Deutschland, allerdings Anfang des Jahrtausends keine umfassende Arbeitsmarktreform gestartet. Das hatte unter anderem folgenden Effekt (Grafik):

Während in Deutschland die Erwerbslosenquote nach den Reformen der Agenda 2010 deutlich gesunken ist, entwickelte sich der Arbeitsmarkt in Frankreich eher seitwärts.

Erwerbslose in Relation zur Erwerbstätigenzahl in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Erst 2018 verabschiedete Frankreich Arbeitsmarktreformen wie flexiblere Arbeitszeiten und Erleichterungen beim Kündigungsschutz. Nun bleibt abzuwarten, wie sich diese Vorhaben langfristig auswirken.

Einen weiteren Effekt könnte langfristig die Rentenreform von Präsident Macron haben. Trotz massiver Proteste hat der französische Senat den umstrittenen Artikel im Gesetzentwurf gebilligt, der das gesetzliche Rentenalter von 62 auf 64 Jahre anhebt.

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