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Chancen und Grenzen auf dem Arbeitsmarkt

Der Fachkräftemangel und ein zunehmendes Demografieproblem belasten den deutschen Arbeitsmarkt. Eine wichtige Stellschraube, um der Entwicklung zu begegnen, ist eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit. Hier gibt es vor allem bei Teilzeitkräften Potenzial. Zudem gilt es, Geringqualifizierte und Ältere besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Kernaussagen in Kürze:
  • Bis zum Jahr 2030 werden – unterstellt man einen Renteneintritt mit 65 Jahren – etwa neun Millionen Menschen den deutschen Arbeitsmarkt verlassen. Es kommen aber nur etwa sechs Millionen nach.
  • Teilzeitkräfte näher an die Vollzeit zu bekommen, ist eine Option, um die Fachkräftelücke zu verkleinern.
  • Da vor allem Frauen Teilzeit arbeiten, sollte die Politik zum Beispiel mit einer besseren Betreuungsinfrastruktur das längere Arbeiten für Frauen mit Kindern attraktiver gestalten.
Zur detaillierten Fassung

Die deutsche Bevölkerung altert – das ist bekannt. Auch die Probleme für den Arbeitsmarkt durch den demografischen Wandel sind von Medien häufig thematisiert worden. Was in der Debatte jedoch oftmals fehlt, sind konkrete Zahlen, die das Ausmaß des Problems für Deutschland verdeutlichen.

Daten dazu finden sich beim Statistischen Bundesamt (Grafik):

Während zwischen 1959 und 1969 pro Jahr immer mehr als 1,2 Millionen Menschen in Deutschland geboren wurden, waren es seit 2002 stets weniger als 800.000.

Zahl der Neugeborenen in Deutschland pro Jahr Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Bis zum Jahr 2030 werden – unterstellt man einen Renteneintritt mit 65 Jahren – etwa neun Millionen Menschen den hiesigen Arbeitsmarkt verlassen. Ausgehend von einem durchschnittlichen Alter beim Berufseinstieg von 22 Jahren kommen im Gegenzug nur gut sechs Millionen neue potenzielle Arbeitnehmer dazu.

Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel

Die gewaltige Lücke versucht Deutschland zunehmend mit Fachkräften aus dem Ausland zu schließen. Weitere Optionen sind ein generell höherer Anteil an Erwerbstätigen, eine höhere Arbeitszeit pro Kopf oder eine höhere Produktivität. Letztere ist allerdings schwer zu beeinflussen. Sie wuchs in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr so stark wie zuvor. Dabei gilt es zu bedenken, dass in vielen Berufen – wie etwa der Altenpflege – kaum Möglichkeiten zur Steigerung bestehen und eine Arbeitsverdichtung negative Folgen für die körperliche und mentale Gesundheit der Beschäftigten haben kann.

Die Politik sollte mit einer besseren Betreuungsinfrastruktur das längere Arbeiten für Frauen mit Kindern unter 14 Jahren attraktiver gestalten.

Bei der Arbeitszeit je Erwerbstätigen gibt es dagegen noch viel Potenzial. In Deutschland leistete im Jahr 2021 jeder Beschäftigte durchschnittlich 1.349 Stunden. Im Vergleich der OECD-Staaten lag Deutschland damit auf Platz 38 (siehe "Geringe Arbeitszeit schwächt den Standort Deutschland"). Das hat einen zentralen Grund:

In Deutschland ist der Anteil der Teilzeitkräfte deutlich höher als in vielen anderen Industriestaaten.

Das IW hat sich deshalb damit beschäftigt, welche soziodemografischen Gruppen besonders häufig in Teilzeit angestellt sind und wie die Arbeitszeit verlängert werden kann. Dabei haben die Forscher Selbstständige, Auszubildende und Personen in 1-Euro-Jobs als erwerbstätig berücksichtigt, aber ihre Arbeitszeit nicht ausgewiesen, da ihr Arbeitszeitarrangement nicht mit dem von Beschäftigten vergleichbar ist. Ausgewertet wurden die Daten des Jahres 2020 von 25- bis 64-Jährigen, um Schüler oder Studenten weitestgehend auszuschließen. Ein erster Befund (Grafik):

Die deutliche Mehrheit der Teilzeitjobs wird von Frauen ausgeübt.

So viel Prozent dieser Personengruppe in Deutschland im Alter von 25 bis 64 Jahren arbeiten so viele Stunden pro Woche Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Rund 69 Prozent der Männer arbeiteten 2020 mehr als 30 Stunden in der Woche, bei den Frauen betrug der Anteil nur 44 Prozent. Der Hintergrund ist eindeutig: Frauen mit Kindern unter 14 Jahren gehen nur zu 27 Prozent länger als 30 Wochenstunden einem Beruf nach. Auffällig: Bei den Vätern liegt der Anteil mit 79 Prozent deutlich über dem der kinderlosen Männer (66 Prozent). Unklar ist, ob Frauen freiwillig oder unfreiwillig – etwa durch schlechte Betreuungsangebote – verkürzte Arbeitszeiten wählen.

Eine zweite Gruppe mit Potenzial für den Arbeitsmarkt sind Personen ohne berufliche Ausbildung. Bei ihnen geht es zunächst darum, sie überhaupt in Lohn und Brot zu bekommen – 40 Prozent der Menschen ohne berufliche Ausbildung in Deutschland haben keinen Job. Knapp die Hälfte von ihnen gibt an, „wahrscheinlich“ oder „ganz sicher“ in Zukunft arbeiten zu wollen.

Eine dritte interessante Gruppe für den Arbeitsmarkt sind die Älteren. Ab einem Alter von 60 Jahren sinkt die Zahl der Erwerbstätigen um 20 Prozentpunkte.

Zusammengefasst lässt sich anhand der vorliegenden Daten festhalten:

Von den drei betrachteten Gruppen sind Frauen demnach die einzige, bei der eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit Erfolg verspricht.

Die Politik sollte mit einer besseren Betreuungsinfrastruktur das längere Arbeiten für Frauen mit Kindern unter 14 Jahren attraktiver gestalten. Für teilzeitbeschäftigte Frauen mit älteren Kindern – sie sind absolut gesehen in der Überzahl – gilt es, den Wiedereinstieg in Vollzeit bestmöglich zu begleiten und zu unterstützen.

Bei den beiden anderen Gruppen liegt das Hauptproblem eher darin, dass viele keinen Job haben. Auch hier gibt es Ansatzpunkte, um das gesamtwirtschaftliche Arbeitszeitvolumen zu stärken.

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