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Corona-Krise trifft vor allem die Kleinunternehmen

Mit umfangreichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens soll die Ausbreitung des Coronavirus gestoppt beziehungsweise stark verlangsamt werden. Um die wirtschaftlichen Folgen des landesweiten Shutdowns abzumildern, hat die Bundesregierung nahezu unbegrenzte Liquiditätshilfen für Unternehmen versprochen. Doch ob die Gelder auch rechtzeitig bei den betroffenen Kleinunternehmen ankommen werden, ist unklar.

Kernaussagen in Kürze:
  • In Deutschland gibt es vier Millionen Unternehmer und Selbstständige: Rund 400.000 von ihnen leiden besonders unter der Corona-Krise, darunter Gastronomen, Hoteliers sowie Einzelhändler, die keine Lebensmittel und Drogerieartikel verkaufen.
  • Um die wirtschaftlichen Folgen durch das Virus einzudämmen, hat die Bundesregierung einen Fonds von 40 Milliarden für Kleinunternehmen und Selbstständige beschlossen. Davon sollen 10 Milliarden als Zuschüsse und 30 Milliarden als Darlehen vergeben werden.
  • Wichtig ist nun, dass diese Hilfsgelder zügig bei den Selbstständigen ankommen – allein die schiere Zahl der Antragsteller dürfte aber zu Verzögerungen führen.
Zur detaillierten Fassung

Während sich einige Großunternehmen wie die Lufthansa oder der Reisekonzern TUI bereits um staatliche Hilfen beworben haben, stellt sich die Situation für ebenfalls schwer betroffene Mittelständler und Selbstständige sehr viel komplizierter dar. Doch genau in diesen Segmenten spielt sich ein Großteil des heimischen Wirtschaftslebens ab (Grafik):

In Deutschland gibt es vier Millionen Unternehmer und Selbstständige – mehr als die Hälfte von ihnen hat keine Angestellten, sondern ist solo unterwegs.

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Rund 77 Prozent der Selbstständigen sind im Bereich Dienstleistungen und Handel tätig, nur 17 Prozent in der Industrie.

Etwa 400.000 Selbstständige in Deutschland leiden besonders stark unter der Corona-Krise, darunter Gastronomen, Hoteliers sowie Einzelhändler, die keine Lebensmittel verkaufen.

Von den Selbstständigen im Handel befassten sich im Jahr 2015 etwa 195.000 mit dem Verkauf von Bekleidung, Elektronik, Autos und anderen Waren. Rund 120.000 waren als Gastronomen tätig, 24.000 als Fotografen, 23.000 betrieben Hotels oder Pensionen. Im Bereich Tourismus und Sport gibt es weitere 20.000 Selbstständige, im Veranstaltungsmanagement 13.000, ebenso viele wie in der Floristik.

Alle diese Branchen mit zusammen etwa 400.000 Selbstständigen leiden stark unter dem Corona-Shutdown.

Nimmt man die Steuerstatistik zur Hilfe, um die Größe der Betriebe nach den zu versteuernden Umsätzen zu bestimmen, zeigt sich (Grafik):

Mehr als die Hälfte der knapp 4,7 Millionen selbstständig Tätigen – einschließlich der Kleinstunternehmer, die die Selbstständigkeit als Nebenerwerb betreiben – erzielen weniger als 24.000 Euro Umsatz im Jahr.

im Jahr 2015 in Deutschland Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Nach und nach kommt das öffentliche Leben in Deutschland zum Erliegen: Reisen werden nicht mehr angetreten, Bars, Restaurants und Geschäfte, die nicht dem täglichen Bedarf dienen, geschlossen. Die meisten Veranstaltungen sind bereits zuvor abgesagt worden.

Schon in einer Umfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE) vom 13. März sagten zwei Drittel der 700 teilnehmenden Betriebe, dass sie Nachfrageausfälle verzeichneten. Mittlerweile dürfte sich die Situation noch deutlich verschärft haben. Laut HDE wird es schon drei bis vier Wochen nach Schließung beziehungsweise Geschäftsausfall zu ersten Pleiten im Handel kommen.

Kleine Betriebe kommen schwerer an Gelder

Besonders betroffene Branchen sind der Einzelhandel für Güter des nicht täglichen Bedarfs – also praktisch alles außer Lebensmitteln und Drogerieartikeln –, das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie Dienstleistungen rund ums Reisen und die Messe- und Ausstellungswirtschaft (siehe: „Coronavirus schadet der regionalen Wirtschaft“). Kleinen Boutiquen und Restaurants in Ausgehbezirken mit hohen Mieten dürfte besonders schnell die Luft ausgehen. Aber auch viele Ketten bestehen aus Einzelfilialen, die von selbstständigen Franchisenehmern betrieben werden. Als Faustregel kann gelten, dass ein Unternehmen umso schwieriger an die versprochenen Hilfen gelangt, je kleiner es ist.

Profitieren wird hingegen der Versandhandel. So hat Amazon für die USA schon 100.000 kurzfristige Neueinstellungen angekündigt, und auch in Europa sollen höhere Löhne zusätzliche Kräfte locken.

Der Versandhandel floriert

Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat derweil die von der Krise betroffenen Unternehmen aufgerufen, die angebotenen Hilfen zur Liquiditätssicherung anzunehmen. Für Kleinunternehmen und Selbstständige soll ein Fonds von 40 Milliarden Euro aufgelegt werden, wovon 10 Milliarden als Zuschüsse und 30 Milliarden als Darlehen vorgesehen sind. Die Finanzierung soll über ein Sondervermögen sichergestellt werden. Die Bundesregierung hat zwar eine unbürokratische Vergabe mit nachträglicher Prüfung des Bedarfs beschlossen, allein die schiere Zahl der Antragsteller dürfte aber zu Verzögerungen führen. Denn viele Bank- und Sparkassenfilialen, die die Hilfen der staatlichen Förderbank KfW an die Wirtschaft vermitteln, sind ebenfalls geschlossen. Telefonisch sind die Banken aber kaum noch erreichbar und auch die Hotline der KfW ist offenbar überlastet.

Niedrigere Unternehmensteuern würden helfen

Und selbst wenn die Liquiditätshilfen auch von Kleinbetrieben abgerufen werden können, droht ihnen bei mehrwöchiger Betriebsschließung schnell die Überschuldung, was dann ebenfalls den Gang zum Insolvenzgericht notwendig macht. Dem Bundesfinanzminister zufolge denkt die Regierung darüber nach, wie die durch die Hilfen entstandene Schuldenlast für die Betriebe reduziert werden kann. Volkswirte drängen schon seit Längerem darauf, die Steuerlast für Unternehmen in Deutschland von im Schnitt 31 Prozent an den internationalen Mittelwert anzunähern, der bei weniger als 25 Prozent liegt.

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