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Internationale Arbeitsteilung bleibt sinnvoll

Weil infolge der Corona-Epidemie Zulieferungen an die deutschen Industrieunternehmen ausfallen, mehren sich Forderungen, ausgelagerte Produktionsteile wieder nach Deutschland zurückzuholen. Doch zum einen ist der Anteil ausländischer Vorleistungen am Produktionswert in der Industrie längst nicht so hoch, wie viele denken, und zum anderen sollten die Vorzüge der Globalisierung nicht leichtfertig über den Haufen geworfen werden.

Kernaussagen in Kürze:
  • Im Zuge der Lieferausfälle infolge der weltweiten Corona-Epidemie mehren sich Forderungen, industrielle Produktion nach Deutschland zurückzuholen.
  • Der Anteil der Vorleistungen am gesamten Produktionswert der deutschen Industrie ist allerdings seit Langem stabil oder sogar leicht rückläufig – der Anteil der importierten Vorleistungsgüter am Produktionswert beträgt zudem nur rund ein Fünftel.
  • Auch wenn manche Lieferverflechtungen hinterfragt werden können, bleiben die Vorzüge der internationalen Arbeitsteilung unverändert bestehen.
Zur detaillierten Fassung

Die Ausbreitung des Coronavirus wirft die Frage auf, inwieweit die vielfach grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten der deutschen Industrieunternehmen noch tragfähig sind. Denn die Unternehmen bieten ihren Kunden zwar meist ein Gesamtpaket aus Waren und produktbegleitenden Dienstleistungen an. Doch oft erstellen die Firmen die benötigten Komponenten nicht selbst, sondern beziehen sie von anderen Unternehmen aus dem In- und Ausland.

Die Gründe für den Vorleistungsbezug sind unter anderem, dass die Fertigung der benötigten Teile andernorts günstiger ist, Lieferrisiken gestreut werden oder es sich schlicht nicht rechnet, eigene Kapazitäten dafür aufzubauen.

Wer nun aber vermutet, dass es aufgrund dieser Vorteile einen ungebremsten Trend hin zur industriellen Arbeitsteilung gibt, liegt falsch (Grafik):

Der Anteil der Vorleistungen am Produktionswert in der deutschen Industrie ist in den 1990er Jahren um gut 5 Prozentpunkte auf knapp 67 Prozent gestiegen, blieb seither aber weitgehend stabil oder ist sogar wieder leicht gesunken.

Anteil der Vorleistungen am Produktionswert des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland, auf Basis preisbereinigter Werte Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Diese Vorleistungsquoten sind auf Basis realer Werte berechnet, um Verzerrungen zum Beispiel durch Rohstoffpreisschwankungen zu vermeiden.

Der Anstieg der Quoten zwischen 1991 und 2000 ist zum einen durch die ökonomische Integration der osteuropäischen und asiatischen Länder in die globalen industriellen Wertschöpfungsketten zu erklären. Diese Länder boten oft gute Bedingungen für die Produktion von Vorleistungsgütern.

Zum anderen litt die deutsche Industrie in der ersten Hälfte der 1990er Jahre unter einem starken Anstieg der Arbeitskosten. Außerdem wurde es für die Firmen durch die zunehmende Verbreitung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien leichter, industrielle Prozesse auf mehrere Standorte im In- und Ausland aufzuteilen.

Der Anteil der importierten Vorleistungen am Produktionswert der deutschen Industrie liegt seit 2005 unverändert bei etwa einem Fünftel.

Seit nahezu zwei Jahrzehnten hat sich allerdings nicht nur am Ausmaß der Arbeitsteilung insgesamt kaum noch etwas geändert, auch die Rolle des Auslands hat sich nicht mehr vergrößert. Dies ergibt sich aus Input-Output-Daten, die zwar nur nominal und bis 2016 vorliegen. Doch die Entwicklung ist eindeutig:

Der Anteil der importierten Vorleistungen am Produktionswert der deutschen Industrie ist zwischen 1991 und 2005 von 12 auf 21 Prozent gestiegen, seitdem jedoch konstant geblieben.

Der Anteil der inländischen Vorleistungen liegt dagegen seit 1991 mit wenigen Schwankungen recht stabil bei etwa 50 Prozent des Produktionswerts.

Coronavirus schmälert Vorteile der industriellen Internationalisierung nicht

Vor dem Hintergrund dieser Zahlen und der aktuellen Corona-Krise ist es zwar durchaus sinnvoll, über die Tragfähigkeit der bestehenden Produktionsstrukturen nachzudenken. Sind die Abhängigkeiten in bestimmten Branchen oder Unternehmen von einzelnen ausländischen Zulieferern tatsächlich zu groß, sind Verlagerungen an heimische Standorte erwägenswert. Zur grundsätzlichen Abkehr von der Internationalisierung der Industrie besteht allerdings kein Anlass, zumal ein effizientes, breit gefächertes Produktionsnetzwerk Fertigungsrisiken streut und damit eher weniger als mehr Abhängigkeiten schafft.

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