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Brückenteilzeit: Ein Gesetz für 0,9 Prozent

Arbeitnehmer erhalten ab 2019 das Recht auf eine vorübergehende Teilzeit von ein bis fünf Jahren mit anschließender Rückkehr zur alten Arbeitszeit. Diese Regelung stellt jedoch viele Betriebe vor kaum lösbare Aufgaben – und sie geht auch am Bedarf vorbei, wie eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt.

Kernaussagen in Kürze:
  • Das Gesetz zur Brückenteilzeit hat den Bundestag passiert, schon Anfang 2019 wird das Recht auf Rückkehr in Vollzeit in Kraft treten. Den Betrieben entsteht dadurch ein immenser zusätzlicher Personalaufwand.
  • Nötig gewesen wäre das Gesetz nicht, wie eine Untersuchung des IW zeigt: Teilzeitarbeit entspricht meist den Wünschen der Beschäftigten und wenn sie es nicht tut, gelingt die Aufstockung in aller Regel nach kurzer Zeit.
  • Lässt sich der Wechsel von Teilzeit in Vollzeit nicht umsetzen, liegt dies oft entweder an familiären Umständen, an mangelnder Qualifikation oder daran, dass der betreffende Betrieb zu klein ist.
Zur detaillierten Fassung

Die Brückenteilzeit bedeute das Ende der Teilzeitfalle, loben ihre Befürworter. Das von der Bundesregierung erst nach längerem Tauziehen in der Koalition beschlossene Recht auf vorübergehende Teilzeitarbeit mit garantierter Rückkehr in die Vollzeit hat nun auch den Bundestag passiert und wird ab Anfang 2019 gelten.

Grundgedanke ist, Arbeitnehmern nicht nur einen Anspruch auf Verkürzung ihrer Arbeitszeit zu gewähren, wie ihn das Teilzeit- und Befristungsgesetz seit 2001 vorsieht, sondern den Teilzeitern ebenso den Schritt zurück zum ursprünglichen Wochenpensum zu ermöglichen. Gerade den Frauen, die wegen der Kinder ihre Arbeitszeit verkürzen, soll das Rückkehrrecht einen Ausweg aus der sprichwörtlichen Teilzeitfalle bieten.

Mag die Brückenteilzeit aus Arbeitnehmersicht noch so praktisch sein, aus Sicht der Betriebe ist sie es nicht.

Doch mag die Brückenteilzeit aus Arbeitnehmersicht noch so praktisch sein, aus Sicht der Betriebe ist sie es nicht: Die vorübergehend ausfallende Arbeitskraft muss ersetzt werden. Dazu müssen neue Mitarbeiter gesucht und eingearbeitet werden, später können ihre Verträge dann mangels Bedarf womöglich nicht verlängert werden – für alle Beteiligten kein sonderlich motivierendes Szenario.

Um kleineren Betrieben diese Belastungen zu ersparen, wird die Brückenteilzeit erst für Firmen gelten, die mehr als 45 Beschäftigte haben; und bei bis zu 200 Beschäftigten kommt sie nur eingeschränkt für je einen von 15 Mitarbeitern in Betracht.

Wer Teilzeit arbeitet, möchte es meist auch

Trotzdem stellt sich die Frage, ob es ein solches Gesetz gebraucht hätte und ob es an der richtigen Stelle ansetzt. Um das zu beurteilen, hat das Institut der deutschen Wirtschaft die Befragungsdaten des Sozio-oekonomischen Panels ausgewertet. Schon die einfache Gegenüberstellung von Arbeitszeitwünschen und tatsächlicher Arbeitszeit legt nahe, dass es nicht allzu viele Beschäftigte geben kann, die mit ihrer Teilzeit hadern. Denn diese ist beliebter als gedacht:

Im Jahr 2016 gaben 37 Prozent aller Arbeitnehmer an, weniger als 35 Stunden pro Woche arbeiten zu wollen, und 29 Prozent der abhängig Beschäftigten hatten tatsächlich eine Teilzeitstelle.

Auch im konkreten Fall passen Wunsch und Wirklichkeit meist zusammen (Grafik): So deckte sich im Jahr 2016 die tatsächliche mit der gewünschten Arbeitszeit Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

 

  1. Rund 11 Prozent aller Arbeitnehmer arbeiteten 2016 maximal 15 Stunden pro Woche – und 64 Prozent von ihnen waren zufrieden damit. Die Übrigen würden gerne aufstocken.
  2. Von den 9 Prozent Teilzeitbeschäftigten mit einem Wochenpensum von 16 bis 25 Stunden würde gut ein Viertel gerne mehr arbeiten, 63 Prozent arbeiten in etwa im gewünschten Umfang.
  3. Und von jenen Teilzeitkräften mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 26 bis 34 Stunden – sie machen 9 Prozent aller abhängig Beschäftigten aus – wünscht sich nur jeder Fünfte eine höhere Stundenzahl, aber jeder Vierte eine niedrigere.

Insgesamt strebten im Jahr 2016 also gerade einmal 8 Prozent aller Arbeitnehmer eine höhere Arbeitszeit an.

Ob diese unglücklichen Teilzeitbeschäftigten nun tatsächlich gesetzliche Schützenhilfe brauchen, steht auf einem anderen Blatt.

Die Arbeitszeit aufzustocken gelingt meist

Eine weitere Analyse des IW bezieht den Faktor Zeit mit ein und zeigt, dass sich das Problem meist binnen weniger Jahre von allein löst (Grafik):

Von allen Teilzeitbeschäftigten des Jahres 2013 hegte etwa ein Siebtel den Wunsch, Vollzeit zu arbeiten. Knapp die Hälfte davon war 2016 tatsächlich in einer Vollzeitstelle – und von diesen wiederum wollten 17 Prozent lieber wieder Teilzeit arbeiten. Entwicklung von tatsächlicher und gewünschter Arbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten des Jahres 2013 bis 2016 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Dass sich Präferenzen ändern können, gilt auch für die Vollzeitwilligen des Jahres 2013, die 2016 weiterhin einen Teilzeitjob hatten: Mehr als die Hälfte von ihnen war drei Jahre später gar nicht mehr auf eine Vollzeitstelle aus. Das bedeutet:

Gerade einmal 3,3 Prozent der Teilzeitbeschäftigten und damit 0,9 Prozent aller Arbeitnehmer aus dem Jahr 2013 mussten 2016 entgegen ihrem ausdrücklichen Wunsch weiterhin Teilzeit arbeiten.

Nicht ganz unwahrscheinlich ist sogar, dass das neue Rückkehrrecht in Vollzeit diese 0,9 Prozent nicht erfasst und außerdem jenen nicht hilft, die zwar theoretisch gerne mehr arbeiten würden, diesen Wunsch aber praktisch nicht äußern, weil die Rahmenbedingungen nicht passen.

Was wirklich nützt, ist bessere Kinderbetreuung

Schaut man sich genauer an, welche Arbeitnehmer statt Teilzeit lieber Vollzeit arbeiten möchten, zeigen sich klare Muster. Es sind:

 

  1. 63 Prozent Frauen,
  2. 56 Prozent Eltern,
  3. 68 Prozent An- und Ungelernte sowie Angestellte mit einfachen Tätigkeiten;
  4. 50 Prozent haben keine Berufsausbildung,
  5. 37 Prozent arbeiten in Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten.

Dieses Bild legt nahe, dass auch andere Gründe einer Vollzeitbeschäftigung entgegenstehen – nicht nur der Unwille der Unternehmen. Der wohl wichtigste Faktor ist die Familie: Um mehr Müttern eine Vollzeittätigkeit zu ermöglichen, braucht es daher vor allem eine bessere Kinderbetreuung. Ein weiteres Vollzeithemmnis ist die mangelnde Qualifikation mancher Beschäftigten. Viele Betriebe benötigen zwar dringend Fachkräfte, haben aber nicht genug einfache Tätigkeiten im Angebot. Was dazu beitragen könnte, die Arbeitszeitwünsche von Geringqualifizierten besser zu erfüllen, ist Weiterbildung. Dies kann der Staat unterstützen, er sollte es aber mit Augenmaß tun (siehe „Weiterbildung: Förderkonzept mit Fragezeichen“).

Zudem arbeiten viele Teilzeitkräfte mit Vollzeitwunsch in kleinen Betrieben, die diesen Wunsch nicht erfüllen können, weil sie nicht genug Mitarbeiter haben, die entsprechend weniger arbeiten würden. Deshalb ist es ein sinnvolles Zugeständnis an die Belange der Arbeitgeber, dass das Gesetz zur Brückenteilzeit erst ab einer Mindestzahl an Mitarbeitern gelten wird.

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