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Wohlstand in Italien: Reicher Norden, armer Süden

Schon lange existiert ein regionales Wohlstandsgefälle zwischen Nord- und Süditalien. Für einen Lichtblick könnten die EU-Gelder aus dem Corona-Hilfsfonds sorgen, die auch der italienischen Regionalpolitik zugutekommen sollen – die Mittel müssen nur sinnvoll eingesetzt werden.

Kernaussagen in Kürze:
  • Das Wohlstandsgefälle zwischen Nord- und Süditalien hat sich in den vergangenen 20 Jahren kaum verändert: Im Norden Italiens ist das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner fast doppelt so hoch wie in den südlichen Regionen
  • Dabei erhielt Italien in diesem Zeitraum 77 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt für seine Kohäsionspolitik..
  • Der jüngste Geldsegen aus dem Corona-Hilfsfonds der EU muss deswegen so eingesetzt werden, dass die ärmeren, südlichen Regionen auch wirklich profitieren
Zur detaillierten Fassung

Um die Folgen der Corona-Krise abzufedern und die Mitgliedsstaaten in Sachen Klimaschutz und Digitalisierung voranzubringen, hat die EU im Sommer 2020 ein 750 Milliarden Euro schweres Hilfspaket auf den Weg gebracht. Den größten Batzen an Krediten und Zuschüssen erhält Italien: Insgesamt 192 Milliarden Euro sollen das Land digitaler, ökologischer und sozial gerechter machen (siehe: "Wirtschaftsreform in Italien könnte an Verwaltung scheitern").

Dass dieses Geld dringend gebraucht wird, zeigt der Blick auf das italienische Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner, das 2019 rund 29.800 Kaufkraftstandards (KKS) betrug. KKS ist eine künstliche Währungseinheit: Mit jedem KKS kann man in einem bestimmten Land die gleiche Menge an Waren und Dienstleistungen kaufen wie anderswo. Auf dieser Vergleichsbasis lag Italien mehr als 4 Prozent unter dem EU-Durchschnitt von 31.200 KKS.

Das Wohlstandsgefälle zwischen Nord- und Süditalien hat sich in den vergangenen 20 Jahren kaum verrringert, obwohl Italien in diesem Zeitraum 77 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt für die Kohäsionspolitik erhielt.

Der Wohlstand der Italiener variiert allerdings deutlich, je nachdem in welchem Landesteil sie wohnen: So erreicht der Süden nach IW-Berechnungen nur 66 Prozent des durchschnittlichen italienischen BIP pro Kopf, die südlichen Inseln kommen sogar nur auf 63 Prozent. Zugleich erzielt der Nordwesten 123 Prozent des Landesdurchschnitts – der Nordosten schneidet mit 120 Prozent ähnlich gut ab. Diese Werte verdeutlichen das riesige Wohlstandsgefälle (Grafik):

Im Norden Italiens ist das Pro-Kopf-BIP fast doppelt so hoch wie in den südlichen Regionen.

So hoch war das kaufkraftbereinigte Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in diesen Regionen Italiens, Italien insgesamt = 100 .. Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Dies ist vor allem deswegen besorgniserregend, weil das Problem schon seit Langem existiert:

Das regionale Wohlstandsgefälle zwischen Süden und Norden hat sich in den vergangenen 20 Jahren kaum verändert.

Und das, obwohl Italien in diesem Zeitraum 77 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt für seine Kohäsionspolitik erhalten hat, mit der die EU-Staaten ihre regionalen Wohlstandsunterschiede verringern sollen.

Italien muss viel in die Infrastruktur des Südens investieren

Der jüngste Geldsegen aus Brüssel kommt Italien also sehr gelegen – die Mittel müssen nun auch so eingesetzt werden, dass die ärmeren, südlichen Regionen wirklich profitieren. In Italiens Aufbau- und Reformplan ist bislang vorgesehen, dass mindestens 40 Prozent der Ausgaben, die für Regionalpolitik vorgesehen sind, in den südlichen Teil des Landes fließen. Der Fokus liegt dabei vor allem auf der Infrastruktur, die dringend ausgebaut werden muss. Darunter fallen Breitbandnetze, Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnstrecken und regionale Zugverbindungen sowie die Wasserversorgung und die Infrastruktur für die Abfall- und Abwasserentsorgung. Doch auch grundlegende Dienstleistungen in ländlichen und abgelegenen Gebieten und die Bekämpfung der Bildungsarmut stehen oben auf der Agenda.

All dies zu bewältigen wird aber nicht leicht: Es ist zu bezweifeln, dass auf regionaler und kommunaler Ebene genügend Fachleute vorhanden sind, die Förderanträge für diese Vorhaben erstellen können. Die italienische Regierung will deswegen gegensteuern, indem sie Vorschriften vereinfacht und mehr qualifiziertes Personal einstellt.

Dass dies eine Grundvoraussetzung ist, zeigt erneut der Blick auf den bisherigen Fortschritt in Sachen Kohäsionspolitik: Ende 2020 hatte Italien dem Europäischen Rechnungshof zufolge nicht mal die Hälfte der 45 Milliarden Euro ausgeschöpft, die dem Land für den Zeitraum von 2014 bis 2020 an Mitteln aus den EU-Strukturfonds zustanden. Was das Abrufen von finanziellen Mitteln angeht, landete Italien EU-weit damit auf dem letzten Platz, knapp hinter Kroatien und Spanien.

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