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Wo der Gender Pay Gap am größten ist

Laut Eurostat hat Deutschland die drittgrößte unbereinigte Lohnlücke zwischen Frauen und Männern in der EU. Der größte Teil der hiesigen Verdienstunterschiede basiert jedoch darauf, dass Frauen in anderen Berufen arbeiten und ihre Karriere öfter unterbrechen als Männer.

Kernaussagen in Kürze:
  • Im europäischen Vergleich hat Deutschland einen großen unbereinigten Gender Pay Gap von fast 22 Prozent – stärker unterscheiden sich die Bruttostundenlöhne von Männern und Frauen nur in Estland und Tschechien.
  • Die bereinigte Lohnlücke, die Kriterien wie Berufserfahrung, Betriebsgröße und Branche berücksichtigt, beträgt in Deutschland jedoch nur knapp 4 Prozent.
  • Seit diesem Jahr ermöglicht das Entgelttransparenzgesetz in größeren Unternehmen geschlechterübergreifende Gehaltsvergleiche – Leistung oder Arbeitsergebnis können ein unterschiedliches Entgelt bei vergleichbarer Tätigkeit aber rechtfertigen.
Zur detaillierten Fassung

In Europa verdienten Frauen im Jahr 2016 pro Stunde brutto durchschnittlich rund 16 Prozent weniger als Männer. Besonders klein – jeweils unter 10 Prozent – ist der von Eurostat ausgewiesene Gender Pay Gap in Rumänien, Italien, Luxemburg, Belgien, Polen und Slowenien (Grafik). Die unbereinigte Lohnlücke zwischen Männern und Frauen in den EU-Mitgliedsstaaten im Jahr 2016 in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

In fünf Mitgliedsländern betrug die unbereinigte Lohnlücke jedoch mehr als 20 Prozent, so auch in Deutschland.

Mit 21,5 Prozent weist Deutschland die drittgrößte unbereinigte Lohnlücke in der EU auf.

Zu einem fast identischen Ergebnis kommt auch das Statistische Bundesamt, das die unbereinigte Lücke mithilfe seiner zuletzt 2014 erschienen Verdienststrukturerhebung fortschreibt und gerade bekannt gegeben hat, dass die Lohndifferenz 2017 unverändert bei 21 Prozent lag.

Es besteht jedoch ein immenses West-Ost-Gefälle: Während in Westdeutschland der durchschnittliche Bruttostundenlohn von Frauen 22 Prozent niedriger ist als der von Männern, bekommen ostdeutsche Frauen nur 7 Prozent weniger.

Die bereinigte Lohnlücke

Wenn man sich anschaut, was Frauen bei vergleichbaren Tätigkeiten und anderen beruflichen Merkmalen erhalten, anstatt alle Gehälter in einen Topf zu werfen, schrumpft der Lohnunterschied zu den Männern: Die sogenannte bereinigte Lohnlücke, die Kriterien wie Berufserfahrung, Betriebsgröße und Branche berücksichtigt, belief sich in Deutschland laut einer IW-Studie auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) im Jahr 2013 auf knapp 4 Prozent.

Auch das europäische Ranking des Gender Pay Gap wird gehörig durcheinandergewirbelt, wenn man statt der unbereinigten die bereinigte Lohnlücke betrachtet. Diesen Vergleich hat das IW für 2013 mithilfe von EU-Daten vorgenommen: Deutschland hatte demnach in der EU sogar den viertkleinsten nicht statistisch erklärbaren Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen – während das vermeintlich vorbildliche Slowenien die viertgrößte bereinigte Lohnlücke aufwies.

Doch wie kann das sein? Zu berücksichtigen ist im internationalen Vergleich auch, dass Frauen nicht überall im selben Maß am Arbeitsmarkt vertreten sind. In vielen Ländern, in denen die Erwerbstätigenquote von Frauen niedrig ist, fällt auch der unbereinigte Gender Pay Gap gering aus – und umgekehrt. Wenn nämlich überwiegend die hochqualifizierten, vergleichsweise gut bezahlten Frauen in Lohn und Brot stehen, ist ihr Durchschnittslohn relativ hoch – während der Schnitt bei den Männern von Geringverdienern nach unten gedrückt wird.

Vergleicht man jedoch gleich und gleich, also Frauen und Männer auf ähnlichen Kompetenzstufen in ähnlichen Berufen, kann sich durchaus herausstellen, dass die weiblichen Fachkräfte schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Pendants. Oder umgekehrt – so etwa in Deutschland – Frauen plötzlich gar nicht mehr so weit von den Männern entfernt sind.

Die neue Entgelttransparenz: Was das Gesetz möglich macht

Wer in Deutschland Auskunft über das mittlere Gehalt von Kollegen des jeweils anderen Geschlechts in vergleichbaren Tätigkeiten erhalten will oder wer erfahren möchte, nach welchen Kriterien das eigene Entgelt festgelegt wird, kann dies seit Anfang Februar in größeren Unternehmen nachfragen. Eine Voraussetzung ist, dass mindestens sechs Kolleginnen oder Kollegen in einer vergleichbaren Tätigkeit arbeiten.

Dabei ist laut § 3 Entgelttransparenzgesetz aber zu beachten: Bestimmte Kriterien, die sich zum Beispiel auf die Leistung oder das Arbeitsergebnis beziehen, können ein unterschiedliches Entgelt rechtfertigen, sofern der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wurde.

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