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„Wir wollen keine 40 Jahre warten“

Brigitte Zypries (SPD), seit Januar 2017 Deutschlands erste Bundeswirtschaftsministerin, hat sich schon im Studium für Gleichberechtigung engagiert. Heute organisiert sie Gründerinnenfrühstücke und twittert über ihre Begegnungen mit Frauen aus der Wirtschaft. Unternehmen, die sich weigern, Führungspositionen mit Frauen zu besetzen, würde Zypries notfalls mit Bußgeldern belegen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die geschäftsführende Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries möchte mehr Frauen in Führungspositionen von großen Unternehmen sehen – ein Schlüssel dazu sei, starke Frauen öffentlich besser sichtbar zu machen, weil es Vorbilder brauche.
  • Ein Problem ist aus ihrer Sicht, dass Vorgesetzte dazu neigen würden, Mitarbeiter zu rekrutieren, die ihnen ähnlich seien – so hielten aber weder Vielfalt noch Frauen Einzug in die Führungsetagen.
  • Trotzdem geht Zypries davon aus, dass es vor dem Hintergrund der Fachkräfteknappheit auch im Interesse der Unternehmen ist, mehr weibliche Führungskräfte aufzubauen – und es keiner neuen gesetzlichen Regelungen bedarf.
Zur detaillierten Fassung

Frau Zypries, Sie haben sich gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit als Wirtschaftsministerin für die Gleichberechtigung starkgemacht. Welche konkreten Fortschritte für Frauen können Sie vorweisen?

Die Gleichstellung von Frauen und Männern begleitet mich seit meinem Jurastudium. Leider haben wir immer noch Aufholbedarf – auch 100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts.

Im Wirtschaftsministerium habe ich schon als Parlamentarische Staatssekretärin vor Jahren ein Gründerinnenfrühstück initiiert, damit sich junge Frauen vernetzen und austauschen können. Im Rahmen unserer Initiative „FRAUEN unternehmen“ gehen etwa 100 Unternehmerinnen als gute Vorbilder in Schulen und Universitäten und erläutern, wie erfolgreiche Wege in die berufliche Selbstständigkeit funktionieren können.

Mir ist es besonders wichtig, erfolgreiche Frauen sichtbar zu machen, denn wir brauchen Vorbilder.

Im vergangenen Sommer habe ich zusammen mit anderen Frauen das Manifest „Starke Frauen – starke Wirtschaft“ verfasst. Der Titel kommt von #starkefrauenstarkewirtschaft, unter dem Hashtag posten das Ministerium und ich persönlich. Damit haben wir nochmals auf die Notwendigkeit von starken Frauen in der Wirtschaft aufmerksam gemacht. Mir ist es besonders wichtig, erfolgreiche Frauen sichtbar zu machen, denn wir brauchen Vorbilder.

Seit 2016 gibt es eine Frauenquote, von der das Gros der Unternehmer allerdings nicht begeistert ist. Wie überzeugen Sie die überwiegend männlichen Geschäftsführer und Vorstände?

Weil wir die männlichen Führungskräfte in den letzten 20 Jahren nicht überzeugen konnten, haben wir ein Gesetz verabschiedet. Dieses gilt jetzt und ist von den Unternehmen zu beachten. Vielfalt trägt erwiesenermaßen zum Erfolg von Unternehmen bei. Wir brauchen aber auch mutige Frauen, die den Herren klar sagen: „Vorstand? Klar, das kann ich!“

Im harten Wettbewerb von heute müssen die Unternehmen ihre Abläufe permanent optimieren – aber mit gemischten Führungsteams tun sich manche noch schwer. Warum?

Brigitte Zypries ist seit 2017 Bundeswirtschaftsminis­terin. Bis zur Vereidigung einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers übt sie das Amt geschäftsführend aus; Foto: BMWi/Susanne Eriksson In vielen kleinen und mittleren Betrieben, insbesondere in Familienunternehmen, sind gemischte Teams selbstverständlich. Wir sprechen von den großen und sehr großen börsennotierten Unternehmen, bei denen sich tatsächlich die Frage stellt, warum in der Führungsriege keine oder kaum Frauen sind. Ein Grund dafür ist sicher auch die Tatsache, dass Vorgesetzte dazu neigen, Personen zu rekrutieren, die ihnen selbst ähnlich sind. Die Allbright Stiftung spricht von dem „Thomas“, der den „Thomas“ einstellt. So kommen jedoch weder Vielfalt noch Frauen in die Führungsetagen. Dabei könnte ein frischer Blick häufig bares Geld wert sein. Hier brauchen wir also mehr Selbstreflexion bei denen, die die Posten in den Vorständen und Aufsichtsräten vergeben.

Die Frauenquote gilt nur für wenige Unternehmen, die meisten brauchen lediglich eine Zielgröße für Frauen in Führungspositionen anzugeben. Der neue Koalitionsvertrag sieht Sanktionen für Firmen vor, die hier als Zielgröße „null“ angeben.

Ich finde es ehrlich gesagt sehr schade, dass wir überhaupt mit Sanktionen drohen müssen, und hoffe auch sehr, dass diese nicht notwendig werden. Wir haben im Entwurf des Koalitionsvertrags auf die üblichen Regelungen im Handelsgesetzbuch verwiesen. Dieses sieht in vielen Fällen Ordnungsgelder vor.

Und was machen Sie, wenn Unternehmen Zielgrößen von 1 oder 2 Prozent angeben?

Es darf nicht sein, dass sich Unternehmen nur eine „Alibi-Quote“ geben. Die betroffenen Betriebe sind nicht nur verpflichtet, eine Zielgröße festzulegen – sie müssen sie auch offenlegen. Das schafft Transparenz und ermöglicht im Zweifelsfall auch kritische Nachfragen.

Darüber hinaus gilt: Eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in den Führungsgremien des Unternehmens steigert die Attraktivität als Arbeitgeber. Ich gehe davon aus, dass das vor dem Hintergrund der Fachkräfteentwicklung auch im Interesse der Unternehmen ist.

Im öffentlichen Dienst sollen bis 2025 alle Leitungsfunktionen zur Hälfte mit Frauen besetzt sein. Warum gilt für die Wirtschaft nicht dasselbe Ziel?

Für den öffentlichen Dienst können wir andere Vorschriften machen. Dort gelten die gesetzlich klar benannten Kriterien Eignung, Leistung und Befähigung, die das Prinzip der Bestenauslese verkörpern. Natürlich hat der öffentliche Dienst hier eine Vorbildfunktion.

Aus eigener Erfahrung: Haben es Frauen in der Politik leichter als in der Wirtschaft?

In gewisser Weise schon, denn die Politik hat gelernt, dass es ohne Frauen in Führungspositionen nicht mehr geht.

Viele Frauen verdienen sogar im gleichen Job weniger als Männer. Das neue Transparenzgesetz soll helfen, solche Lohnunterschiede im Betrieb aufzudecken. Allerdings müssen die Beschäftigten diesen Vergleich selbst initiieren. Das dürfte nicht selten zu atmosphärischen Störungen führen, oder?

Erste Anlaufstelle für das Auskunftsersuchen wird in vielen Unternehmen der Betriebsrat sein. Das heißt, der oder die Beschäftigte macht seinen Anspruch gegenüber dem Betriebsrat und nicht direkt beim Arbeitgeber geltend. Für die Fälle, in denen Beschäftigte sich aber direkt an ihren Arbeitgeber wenden müssen, hoffe ich, dass die Betroffenen sachlich miteinander umgehen können. Im Entwurf des Koalitionsvertrags haben wir vorgesehen, dass Betroffenen gezielte Beratungs- und Unterstützungsangebote bei der Antidiskriminierungsstelle zur Verfügung stehen werden.

Sie haben 2011 Gerhard Cromme, der dem Corporate-Governance-Gremium vorsaß, eine Liste mit 418 Frauennamen überreicht, die für einen Aufsichtsratsposten geeignet gewesen wären. Wie vielen dieser Frauen ist dies gelungen?

Die genaue Zahl kenne ich leider nicht. Mittlerweile kann ich diese Liste aber noch um viele Namen erweitern. Auf jeden Fall war es eine wichtige Geste, um zu zeigen, dass es qualifizierte Frauen gibt – denn nur allzu häufig hört man die Ausrede, dass es keine geeignete Frau für diesen oder jenen Posten geben würde. Die Liste zeigt, dass das Unsinn ist.

Welches Land ist in puncto Gleichberechtigung schon viel weiter als Deutschland?

Schweden wird ja gerne als Vorbild in Sachen Gleichberechtigung genannt. Immerhin liegt dort der Frauenanteil in den Vorständen der großen Firmen bereits bei 25 Prozent. Nur in rund einem Viertel aller börsennotierten Unternehmen gibt es keine Frau im Vorstand. In Deutschland ist das bei drei Vierteln der börsennotierten Unternehmen der Fall.

Bis wann wird Deutschland so weit sein wie Schweden?

Man darf nicht übersehen, dass diese Entwicklung in Schweden bereits vor 40 Jahren eingesetzt hat. Das bestätigt, dass solche Prozesse Zeit brauchen. Wir haben mit der Frauenquote erst seit 2016 eine konsequente Politik für mehr Frauen in Führungspositionen. Das ist sicherlich nicht das Ende der Fahnenstange. Aber klar ist auch: Wir wollen keine 40 Jahre warten, bis Frauen in Führungsetagen nicht mehr die Ausnahme sind.

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