Interview Lesezeit 3 Min.

„Wir sind keine Teflonpfanne“

Das Institut der deutschen Wirtschaft hat seine Wachstumsprognose für 2018 und 2019 nach unten revidiert. Was dahintersteckt, erklärt Michael Grömling, Leiter der IW-Forschungsgruppe „Gesamtwirtschaftliche Analysen und Konjunktur“, im Gespräch mit dem iwd.

Kernaussagen in Kürze:
  • Nach Einschätzung von Michael Grömling, Leiter der IW-Forschungsgruppe „Gesamtwirtschaftliche Analysen und Konjunktur“, bekommt die deutsche Wirtschaft die globalen Handelsstreitigkeiten zu spüren – deshalb hat das IW seine Wachstumsprognose für 2018 nach unten korrigiert.
  • Ein Risiko geht auch von den weiterhin zu hohen Staatsschulden in vielen europäischen Ländern aus.
  • Deutschland sollte aus Sicht Grömlings einen Teil seiner Haushaltsüberschüsse für den Schuldenabbau verwenden, um resistenter gegen künftige Anspannungen auf den Finanzmärkten zu werden.
Zur detaillierten Fassung

Herr Grömling, das IW senkt seine Wachstumsprognose – müssen wir uns Sorgen machen?

Wir sind nach gegenwärtiger Einschätzung weit von einer Rezession entfernt. Auch die Beschäftigungsperspektiven sind gut. Insofern besteht kein Grund zur übermäßigen Sorge. Aber die Weltwirtschaft und insbesondere die handelsoffene deutsche Wirtschaft sind keine Teflonpfanne, an der nichts haften bleibt. Wir sehen sehr wohl, dass sich die handelspolitischen Machtkämpfe negativ niederschlagen. Der Welthandel und die globalen Investitionen stagnieren, die deutschen Exporte treten mehr oder weniger auf der Stelle. Das lässt unsere Unternehmen wieder vorsichtiger werden mit ihren Investitionen. Ohne die vielen politischen Unberechenbarkeiten und ihre Bremseffekte ginge es uns allen ein Stück weit besser.

Sie sagen in Ihrer Prognose auch, die Robustheit der Finanzmärkte stehe auf dem Prüfstand. Das klingt – zehn Jahre nach der Lehman-Pleite – schon gefährlich.

Eine akute Gefahr für eine Finanzmarktkrise wie 2009 gibt es derzeit nicht. Wir weisen gleichwohl sorgsam darauf hin, dass sich politische Verwerfungen schnell über die Finanzmärkte ins Wirtschaftsleben hineinfressen können. Die Fortschritte beim Abbau der hohen Staatsschulden in einer Reihe von europäischen Ländern sind überschaubar, zum Teil nicht wirklich erkennbar. Damit verhärtet sich auch das Misstrauen in die Stabilität der Banken, die ja einen Teil der Staatsanleihen halten. Die italienische Regierung zum Beispiel lässt meiner Meinung nach nicht glaubhaft erkennen, dass ihr das Schuldenproblem wichtig ist. Damit bleiben auch die Banken und die Finanzmärkte im gesamten Euroraum anfällig. Investoren und Sparer bleiben vorsichtig und sie treffen deshalb möglicherweise nicht immer die langfristig besseren Entscheidungen. Die Immobilienmärkte scheinen dies zum Teil abzubilden.

Politische Verwerfungen können sich schnell über die Finanzmärkte ins Wirtschaftsleben hineinfressen.

Viele Experten bemängeln schon lange die angeblich zu geringe Binnennachfrage in Deutschland – und in diesem Jahr schwächelt der private Konsum ein wenig. Haben Sie ein Rezept dagegen?

Die Konsumnachfrage in Deutschland ist stark und robust. In den vergangenen Jahren kamen rund drei Viertel des gesamtwirtschaftlichen Wachstums von 2 Prozent aus dem Konsum. Und das wird auch in diesem und im kommenden Jahr so bleiben. Zentraler Treiber dieser Entwicklung ist der nunmehr über viele Jahre andauernde Beschäftigungsaufbau in Deutschland. Wir nähern uns der Marke von 45 Millionen Erwerbstätigen – das sind über 5,5 Millionen mehr als im Jahr 2005. Insofern tut uns konjunkturell alles gut, was dem Arbeitsmarkt hilft.

Trotz der konjunkturellen Eintrübung: Im internationalen Vergleich scheint Deutschland seit Jahren eine Art Insel der Seligen zu sein – was machen wir besser als die anderen?

Das Wirtschaftswachstum in Österreich, der Schweiz, Finnland, Irland, den Niederlanden und Schweden ist sogar deutlich höher als das deutsche. Was uns derzeit trägt, ist die gute Arbeitsmarkt- und Konsumentwicklung. Die Weichen dafür wurden mit der Agenda 2010 vor nunmehr 15 Jahren gestellt und davon profitiert Deutschland noch immer. Dies hat dem Staat komfortable Einnahmen beschert. Freilich sind die Zinszahlungen wegen der niedrigen Zinssätze deutlich gesunken, sodass wir trotz steigender Staatsausgaben satte Überschüsse erzielen. Wenn diese zum Teil auch für den Schuldenabbau verwendet würden, wären wir hoffentlich resistenter gegen künftige Anspannungen an den Finanzmärkten.

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