Interview Lesezeit 4 Min.

„Wir brauchen eine geschlossene europäische Antwort gegenüber China“

Spätestens zum 100-jährigen Jubiläum 2049 will die Volksrepublik China zur Weltspitze gehören. Dafür plant und denkt die Regierung in Peking groß, zum Beispiel mit dem Einkauf von Know-how durch Firmenübernahmen und Beteiligungen in Deutschland. Eine geschlossene Antwort der EU-Mitgliedsländer wird deswegen immer wichtiger, sagt Patricia Schetelig, stellvertretende Abteilungsleiterin im Bereich Internationale Märkte beim Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI).

Kernaussagen in Kürze:
  • Wir sollten keine Angst vor China haben und lernen, mit außereuropäischen Einflüssen durch transparente Anforderungen umzugehen, sagt Patricia Schetelig vom BDI im iwd-Interview.
  • Die Politik sei mehr denn je aufgerufen, eine umfassende China-Strategie zu entwickeln, meint Schetelig. Europa solle für den Fall gewappnet sein, dass die beiden Systeme aufeinandertreffen.
  • Sorge bereitet ihr, dass China durch seine Investitionspolitik politische Abhängigkeiten in der Welt schafft. Daher sei es umso wichtiger , dass die EU eine gemeinsame Position gegenüber China einnimmt.
Zur detaillierten Fassung

Studien zufolge versuchen chinesische Firmen mit staatlicher Hilfe zunehmend, deutsche Firmen aufzukaufen und so wertvolles technologisches Know-how abzuziehen. Hat die deutsche Industrie überhaupt Mittel, diesen geballten Angriff abzuwehren?

Wir sollten keine Angst vor China haben und lernen, mit außereuropäischen Einflüssen durch transparente Anforderungen umzugehen. Für die meisten deutschen Unternehmen besteht kein Zwang, schnell zu verkaufen – es sei denn, die Shareholder fordern es. Damit haben Unternehmen meist Zeit, Erfolg versprechende Strategien im Wettbewerb zu entwickeln. Bei Übernahmen in Deutschland kommt es so gut wie nie dazu, dass Unternehmen gekauft werden und der ganze Technologiebereich sofort nach China verschifft wird. Es geht den chinesischen Käufern vielmehr darum, die Technologie und Forschung selbst weiter zu betreiben.

Das klingt so, als würden Sie den jüngsten Alarmismus in Bezug auf China nicht teilen. Steht bei Ihnen also eher die Partnerschaft zu China im Vordergrund?

Natürlich sehen wir die Probleme, wenn die Regierung in Peking klar ihre eigenen Strategien verfolgt. Gleichzeitig müssen wir China signalisieren, dass Europa es sowohl als Partner als auch systemischen Wettbewerber betrachtet, aber nicht als Gegner. Zu einer offenen Marktwirtschaft gehört auch, dass ein Investor aus dem Ausland ein deutsches Unternehmen kaufen kann.

Mit der Industriestrategie „Made in China 2025“ will China in zehn Schlüsseltechnologien zum Weltmarktführer aufsteigen. Wie nötig ist angesichts dieser ehrgeizigen Ziele eine Strategie vonseiten der Bundesregierung oder der EU?

In bestimmten Bereichen kommen wir gegen den Wettbewerber China mit unseren Instrumenten nicht mehr an, dennoch sollten die Märkte möglichst offen bleiben. Das ist ein Spagat, der immer schwieriger zu bewerkstelligen ist. Die Politik ist mehr denn je aufgerufen, eine umfassende China-Strategie zu entwickeln. Das haben wir bereits im vergangenen Jahr in unserem Grundsatzpapier von der Bundesregierung gefordert. Sie befasst sich längst mit den Rahmenbedingungen, um sich gegenüber Peking einheitlicher aufzustellen und an bestimmten Stellen nachzujustieren. Das ist richtig, weil China sich unseren handelspolitischen Prinzipien sonst nicht annähern wird.

Zu befürchten ist, dass China in Organisationen, wie den Vereinten Nationen, aufgrund der geschaffenen Abhängigkeiten Abstimmungen unterläuft. Das bereitet uns Sorgen.

Europa sollte für den Fall gewappnet sein, dass die beiden Systeme aufeinandertreffen. Immer deutlicher wird, dass die EU ein effektives Schnittstellenmanagement braucht, das die Systemunterschiede berücksichtigt und einen fairen Wettbewerb sicherstellt. Das von der EU-Kommission im Juni 2020 auf den Weg gebrachte Weißbuch ist ein erster wichtiger Schritt, um Investitionen mithilfe von staatlichen Subventionen auch aus China zu beschränken.

In welchen Branchen sehen Sie die größten Konkurrenzkämpfe mit China?

Vom Konkurrenzkampf mit China betroffen sind vor allem Zukunftstechnologien und der digitale Markt.

Traditionell schließt das auch den Maschinen- und Anlagenbau ein. Trotz unseres derzeitigen Wissensvorsprungs blickt die Branche besorgt in die Zukunft. Auch im Wettbewerb um künstliche Intelligenz und B2C hat China Europa teilweise schon überholt.

Patricia Schetelig ist stellvertretende Abteilungsleiterin im Bereich Internationale Märkte beim Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.; Foto: BDI In der Öffentlichkeit konnte man bisher den Eindruck bekommen, die deutsche Industrie würde sich vor den wettbewerbsverzerrenden Praktiken Chinas wegducken, um ja nicht mit Kritik die Absatzchancen auf dem chinesischen Markt zu gefährden. Was sagen Sie zu solchen Vorwürfen?

Der BDI hat bereits im Januar 2019 in seinem Grundsatzpapier kritische Punkte klar formuliert. Allerdings betreibt die deutsche Wirtschaft mit vielen Ländern Handel, für die unsere Prinzipien und europäischen Regeln nicht gelten. Auch in Bezug auf die Einhaltung von Menschenrechten und Arbeitsstandards müssen sich Unternehmen in Zukunft noch stärker den politischen Rahmenbedingungen im Ausland stellen, in denen sie agieren. Zuletzt deutlich geworden ist das durch das sehr drastische Eingreifen der Pekinger Führung in Hongkong.

Ein großes Prestigeprojekt, mit dem China zur Weltmacht aufsteigen will, ist auch die Neue Seidenstraße. Was halten Sie von diesem Vorhaben?

Problematisch ist die Intransparenz, mit der China Kredite vergeben und Einzelprojekte aufgesetzt hat. Deutsche Unternehmen hat das vor die schwierige Frage gestellt, ob sie sich bewerben oder ein Gebot abgeben. Von der chinesischen Regierung wurden die Bedingungen nicht klar formuliert. Offenbar lag es nicht in ihrem Interesse, einen wirklich offenen Bieterprozess zu gewährleisten.

Uns treibt auch die Tatsache um, dass China damit politische Abhängigkeiten schafft. Durch chinesische Kredite werden Nehmerländer tief in der Kreide stehen. Wo das hinführen kann, sieht man am Hafen Sri Lankas. Als das Land seine Kredite nicht mehr bedienen konnte, hat China zugeschlagen.

Zu befürchten ist auch, dass China in Organisationen, wie den Vereinten Nationen, aufgrund der geschaffenen Abhängigkeiten Abstimmungen unterläuft. Das bereitet uns Sorgen.

Strahlen diese politischen Abhängigkeiten nicht auch schon bis nach Europa aus?

Ja. Manche EU-Länder, in denen China investiert, werden sich wahrscheinlich mit kritischen Positionen zurückhalten oder sogar China-kritische Entscheidungen blockieren. Deswegen ist es umso wichtiger, in der EU eine gemeinsame Position gegenüber China einzunehmen – durch europäische Einigkeit, mehr Investitionen in die eigene Wettbewerbsfähigkeit und durch Schutz vor Marktverzerrungen. Ein Fortschritt in den Verhandlungen zu einem EU-China-Investitionsabkommen wäre ein erster wichtiger Baustein. Ziel der deutschen Ratspräsidentschaft sollte sein, eine geschlossene Antwort aller Mitgliedsstaaten zu erwirken, die mehr ist als nur der kleinste gemeinsame Nenner. Das wird mit Blick auf die derzeitige Interessenlage eine große Herausforderung.

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