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Übernahmen sorgfältig prüfen

In den vergangenen Jahren haben chinesische Unternehmen verstärkt deutsche Firmen aufgekauft. Ein Motiv dabei dürfte gewesen sein, technologisches Know-how nach China zu transferieren. Dies könnte zu Wohlstandsverlusten führen. Dass die EU und die Bundesregierung ihre Investitionspolitik verschärfen, ist daher grundsätzlich sinnvoll – die Politik muss aber mit Augenmaß vorgehen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Das Engagement chinesischer Unternehmen in Deutschland hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, ein Motiv dabei dürfte gewesen sein, technologisches Know-how nach China zu transferieren.
  • Holt die Volksrepublik den bisherigen technologischen Rückstand in hohem Tempo auf, könnte dies in den Industrieländern – also auch in Deutschland – zu Wohlstandsverlusten führen.
  • Ab Oktober 2020 gilt in der EU deswegen eine neue Verordnung, die auf eine kritischere Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen aus Drittstaaten setzt – vor allem, wenn es um kritische Infrastrukturen oder zukunftsweisende Technologien geht.
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Bis zum Jahr 2017 war der deutsche Roboterhersteller KUKA wohl nur Branchenexperten ein Begriff. Doch mit der Übernahme durch die chinesische Midea Group kam das Unternehmen in die Schlagzeilen. Spätestens seither diskutieren Politiker und Wirtschaftsfachleute, ob und inwieweit solche Firmenübernahmen Deutschland schaden und wie die Bundesregierung oder die EU darauf reagieren sollten.

Das Engagement chinesischer Unternehmen in Deutschland hat jedenfalls seit der Jahrtausendwende deutlich zugenommen (Grafik):

Von 2000 bis 2009 investierten chinesische Firmen pro Jahr maximal knapp 500 Millionen Euro in Deutschland, in den Jahren danach beliefen sich die jährlichen Direktinvestitionszuflüsse häufig auf mehr als 1 Milliarde Euro.

So viele Millionen Euro an Direktinvestitionen flossen aus China und Hingkong nach Deutschland Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Es spricht vieles dafür, dass es bei den Transaktionen auch darum ging, technologisches Know-how nach China zu übertragen. Schließlich hat sich das Reich der Mitte mit der Strategie „Made in China 2025“ (MIC25) explizit zum Ziel gesetzt, in vielen jener Branchen technologisch aufzuholen, in denen Firmen in Deutschland und Europa bislang im Wettbewerb vorn liegen. Die chinesischen Übernahmeaktivitäten passen hierzu:

Laut einer Studie für die Jahre 2014 bis 2017 fanden fast zwei Drittel der größeren Beteiligungen chinesischer Investoren an deutschen Unternehmen in den zehn Schlüsselbranchen statt, die in der MIC25-Strategie genannt werden.

China hatte vor allem die Autobranche, die Medizintechnik sowie den Bereich computergestützte Maschinen und Robotik im Visier.

Kritikern des chinesischen Engagements in Deutschland werden unter anderem die Vorteile der Kapitalverkehrsfreiheit entgegengehalten. Und generell können Investitionszuflüsse aus dem Ausland im Zielland tatsächlich den Kapitalstock erhöhen und neues Wachstum ermöglichen. Doch chinesische Direktinvestitionen in Europa bestehen nur zu einem sehr geringen Teil aus dem Aufbau neuer Produktionsstätten und bringen kaum neue Technologien.

Mögliche Wohlstandsverluste in Industrieländern

Geht die chinesische Strategie auf und holt die Volksrepublik den bisherigen technologischen Rückstand in hohem Tempo auf, könnte dies in den Industrieländern – also auch in Deutschland – zu Wohlstandsverlusten führen. Das legen Außenhandelsmodelle nahe. Demnach kommt es in einem Industrieland, das mit einem sich schnell entwickelnden, großen Schwellenland konkurriert, zu Preis- und Absatzeinbußen bei Exporten, Produktionsrückgängen und sinkenden Unternehmensgewinnen. Zwar beruhen solche ökonomischen Modelle auf einer Vielzahl von Annahmen – diese erweisen sich bei näherer Prüfung aber durchaus als realitätsnah.

Ab Oktober 2020 gilt in der EU eine Verordnung, die auf eine stärkere Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen aus Drittstaaten setzt – vor allem, wenn diese Investitionen kritische Infrastrukturen oder zukunftsweisende Technologien betreffen.

Die Furcht vor Wohlstandseinbußen hätte weniger Gewicht, wenn China in Sachen Außenhandelspolitik mit den gleichen Karten spielen würde wie die meisten westlichen Länder. Doch unter der Führung von Staatspräsident Xi Jinping hat die Kommunistische Partei Chinas die Kontrolle über Wirtschaft und Gesellschaft weiter verstärkt und setzt mehr denn je auf Staatskapitalismus mit verzerrtem Wettbewerb durch immer größere Staatsfirmen und vielfältige Subventionen.

Stärkere Prüfung von Firmenübernahmen

Vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass die EU und Deutschland bei Firmenübernahmen aus Drittstaaten künftig genauer hinsehen. So gilt ab Oktober 2020 in der EU eine neue Verordnung, die auf eine kritischere Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen aus Drittstaaten setzt – vor allem, wenn diese Investitionen kritische Infrastrukturen wie Wasser, Energie und den Transportsektor betreffen, aber auch für zukunftsweisende Technologien wie beispielsweise Robotik, Nano- und Biotechnologien oder künstliche Intelligenz.

Anknüpfend an die neuen EU-Regeln erleichtert auch die jüngste Reform des Außenwirtschaftsgesetzes in Deutschland die Prüfung ausländischer Investitionen.

Das härtere Vorgehen findet hierzulande auch die Zustimmung vieler Betriebe (Grafik):

Rund 70 Prozent der im Rahmen des IW-Zukunftspanels befragten Unternehmen befürworten Maßnahmen, die Deutschland besser gegen Übernahmen aus China schützen, wenn diese staatlich subventioniert sind oder auf strategische, technologisch bedeutende Sektoren abzielen.

So viel Prozent der Unternehmen in Deutschland befürworten auf diesen Gebieten restriktivere Maßnahmen gegenüber China Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Dennoch sollte die Bundesregierung – ebenso wie die EU insgesamt – mit den neuen Kontrollmechanismen sorgsam umgehen, um ausländische Investoren nicht grundsätzlich zu verschrecken. Außerdem braucht es für die neuen Regelungen hinreichend klare Begriffsdefinitionen und Ausführungsbestimmungen, damit künftige Investoren Rechtssicherheit haben und keine übermäßige Bürokratie entsteht.

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