Was ein Digitaler Produktpass leisten kann
Um Ressourcen möglichst lange zu nutzen, plant die EU die Einführung eines Digitalen Produktpasses. Als Grundlage für ein solch technisch und inhaltlich komplexes System bieten sich bereits bestehende Datenstandards wie ECLASS an. Außerdem gilt es, die Unternehmen einzubinden, damit der Effekt möglichst groß ist.
- Die EU will den Digitalen Produktpass einführen, um die Kreislaufwirtschaft zu verbessern.
- Als Grundlage für das System bietet sich der bereits weltweit im Einsatz befindliche Datenstandard ECLASS an.
- Damit möglichst viele Unternehmen den künftigen Digitalen Produktpass nutzen können, muss Deutschland die Digitalisierung der kleinen und mittleren Betriebe vorantreiben.
Um die Umwelt und das Klima zu schonen, bietet die Kreislaufwirtschaft jede Menge Potenzial. Der Gedanke dahinter: Alte Produkte werden möglichst wieder instand gesetzt oder ihre Bestandteile für neue Produktionsprozesse verwendet. Die Schwierigkeit besteht allerdings häufig darin, überhaupt zu wissen, was alles in einem Produkt enthalten ist. So sind zum Beispiel in einem Smartphone im Schnitt 60 unterschiedliche Rohstoffe verbaut.
Um die Kreislaufwirtschaft einfacher und effektiver zu machen, will die EU im Zuge ihres Green Deals einen Digitalen Produktpass (DPP) einführen. Dazu sollen alle relevanten Informationen eines Produkts wie Hersteller, Material, Reparatur- und Entsorgungsmöglichkeiten digital erfasst und über das DPP-System transparent für alle am Produktlebenszyklus beteiligten Akteure zugänglich sein.
Bis es so weit ist, gilt es allerdings noch einige Hürden zu nehmen, zum Beispiel rechtliche:
Der DPP muss so angelegt werden, dass er mit den EU-Gesetzen vereinbar ist – von den produktbezogenen Regelungen bis hin zum EU-Abfallrecht.
Die Angaben zu den Produkten müssen zudem im Einklang mit der Datenintegrität, der Datensicherheit und dem Datenschutz sein.
Der DPP muss technisch modular aufgebaut werden, etwa wie ein Baukastensystem. Der DPP dient dabei aus technischer Sicht als sogenannter Transportcontainer. Hersteller, Lieferanten und auch Verbraucher sollen gleichermaßen auf die enthaltenen Informationen zugreifen und sie verstehen können wie Maschinen und Anwendungssysteme.
Der Digitale Produktpass kann nur erfolgreich sein, wenn ihn möglichst viele Unternehmen nutzen. In Deutschland brauchen die Betriebe daher mehr Unterstützung bei der Digitalisierung.
Eine weitere Herausforderung ist die Semantik. Es braucht Standards, damit Informationen zu den Produkten vergleichbar und auch filterbar sind. Die Vielzahl der Anforderungen zeigt: Das Einführen eines DPP ist ein komplexes Vorhaben.
Sinnvoll ist es daher, das neue System auf bereits bestehenden Standards aufzubauen. Hier bietet sich beispielsweise ECLASS an. Er ist ein Standard für die Klassifizierung und eindeutige Beschreibung von Produkten und Dienstleistungen. Im Gegensatz zu anderen Datenstandards hat ECLASS zwei entscheidende Vorteile. Zum einen kommt er schon heute weltweit zum Einsatz. Zum anderen ist das System branchenübergreifend.
Darüber hinaus bietet der ECLASS-Standard eine einheitliche Datenstruktur, verwendet eindeutige Codes und wird jährlich an die Anforderungen verschiedener Branchen, Märkte und Produktinnovationen angepasst. Außerdem werden in menschlicher Sprache verfasste Normen bei ECLASS semantisch maschineninterpretierbar umgesetzt.
Der DPP kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn ihn auch möglichst viele Unternehmen nutzen. Der Nachhaltigkeitsaspekt, den das System verfolgt, ist auch für einen Großteil deutscher Produzenten bedeutsam (Grafik):
Für gut zwei Drittel der Produktionsbetriebe in Deutschland ist die Langlebigkeit ihrer Erzeugnisse bereits heute eine wichtige Eigenschaft.
Ebenfalls hohe Werte erzielen die Ressourceneffizienz (61 Prozent) und die Abfallvermeidung (58 Prozent). Eigenschaften wie Reparaturfähigkeit und Wiederverwendbarkeit ihrer Produkte sind dagegen für deutlich weniger als die Hälfte der Befragten ein wichtiger Aspekt. Gerade auf die letzten beiden Eigenschaften will die EU in Zukunft einen größeren Wert legen.
Um den DPP effektiv und gewinnbringend zu nutzen, ist nicht nur die grundsätzliche Haltung eines Unternehmens von Bedeutung. Wenn die nötige digitale Infrastruktur fehlt, nützen die besten Absichten nichts. Unter diesem Gesichtspunkt gibt es in Deutschland noch einiges zu tun (Grafik):
Im Jahr 2022 waren nur 31 Prozent der deutschen Unternehmen in der Lage, Daten effizient zu bewirtschaften.
Die größeren Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten erzielten mit 77 Prozent ein deutlich besseres Ergebnis als der Durchschnitt. Da in der Bundesrepublik aber die überwältigende Mehrheit der Firmen zu den kleinen und mittleren Betrieben zählt, gilt es, bei diesen anzusetzen und die Möglichkeiten der Digitalisierung stärker zu nutzen.