Klimaschutz Lesezeit 5 Min.

Kreislaufwirtschaft ist noch ausbaufähig

Damit die Wirtschaft in Deutschland möglichst bald klimaneutral wird, müssen die Unternehmen verstärkt Kreisläufe für Produkte und Materialien etablieren und auf diese Weise Ressourcen sparen. Bislang geht allerdings nur ein relativ kleiner Teil der Industriefirmen diesen Weg konsequent – obwohl Daten des IW-Zukunftspanels zeigen, dass Unternehmen mit zirkulären Strategien erfolgreicher sind.

Kernaussagen in Kürze:
  • Um Deutschland klimaneutral zu machen, ist es hilfreich, wenn Unternehmen zirkuläre Geschäftsmodelle etablieren, die den Wert von Produkten und Ressourcen so lange wie möglich erhalten.
  • Zwar verfolgt knapp ein Viertel der Industrieunternehmen sämtliche zirkulären Strategien, mehr als ein Drittel der Firmen hat aber noch keine davon in Angriff genommen.
  • Dabei zeigt das IW-Zukunftspanel, dass Unternehmen, die umfassend auf zirkuläre Strategien setzen, überdurchschnittlich erfolgreich sind.
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Laut Bundesregierung soll Deutschland bis 2045 klimaneutral werden. Entsprechend drastisch müssen die Treibhausgasemissionen sinken. Die Wirtschaft und hier nicht zuletzt die Industrie kann einen erheblichen Beitrag dazu leisten, indem sie weniger Rohstoffe verbraucht und Ressourcen möglichst schonend einsetzt. Dies gelingt umso besser, je mehr Produkte, Materialien und Energie in einen Kreislauf überführt und wiedergewonnene Materialien so zu neuen Produkten verarbeitet werden.

Erstrebenswert sind sogenannte zirkuläre Geschäftsmodelle, die Kreisläufe in Unternehmen, aber auch im Zusammenspiel mit Lieferanten und Kunden etablieren und dadurch den Wert von Produkten und Ressourcen so lange wie möglich erhalten, ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden.

Unternehmen, die ein zirkuläres Geschäftsmodell eingeführt haben oder einführen wollen, verfolgen eine Reihe von Strategien, die auf unterschiedliche Weise die Kreislaufwirtschaft fördern. Vier grundlegende zirkuläre Strategien lassen sich unterscheiden:

Kreisläufe schließen. Hier geht es darum, Produkte am Ende ihres Lebenszyklus nicht einfach zu entsorgen, sondern sie durch Reparatur oder eine andere Form der Wiederaufbereitung wieder nutzbar zu machen. Sofern dies technisch nicht möglich oder nicht wirtschaftlich ist, gilt es, die in dem Produkt enthaltenen Ressourcen – zum Beispiel Metalle – zu recyceln und für die Herstellung neuer Güter zu verwenden.

Kreisläufe ermöglichen. Ansatzpunkt dieser Strategie ist, dass die Kreislaufführung schon bei der Produktentwicklung berücksichtigt wird. Zum einen können von vornherein ökologisch unschädliche Ressourcen wie zum Beispiel nachwachsende Rohstoffe eingesetzt werden. Zum anderen können die Unternehmen Ökodesign anwenden und damit bereits bei der Konzeption eines Produkts die spätere Wiederverwendbarkeit beziehungsweise die Möglichkeiten zur Reparatur oder zum Recycling berücksichtigen, sodass der Ressourceneinsatz insgesamt verringert wird.

Kreisläufe schaffen. Diese Strategie zielt darauf ab, Primärmaterialien durch andere Materialien zu ersetzen. Ein Abfallprodukt eines Unternehmens A kann zum Beispiel in einem Unternehmen B als Ausgangsmaterial für ein neues Gut verwendet werden. Auf diese Weise entstehen firmenübergreifende Ressourcenkreisläufe.

Kreisläufe verlängern. Kern dieser Strategie ist der Werterhalt. Wird ein altes Produkt vom bisherigen Nutzer nicht mehr benötigt, kann es oft noch einem anderen Nutzer zugutekommen. Diesem Gedanken entspricht auch der Sharing-Ansatz. So können sich Unternehmen eine teure Maschine, die sie nur zeit- und fallweise benötigen, teilen.

Zirkuläre Strategien sind noch nicht in allen Firmen etabliert

Die Frage ist nun, in welchem Ausmaß die Unternehmen in Deutschland bereits eine oder mehrere dieser Strategien verfolgen. Eine Antwort darauf geben Daten des IW-Zukunftspanels, in dessen Rahmen unter anderem knapp 500 Industrieunternehmen danach befragt wurden, inwieweit sie mit Blick auf die Ressourcennutzung bestimmte Ziele verfolgen.

Demnach haben zwar viele Firmen übergreifende Ziele im Visier, also solche, die mit einer effizienteren Nutzung von Ressourcen verbunden sind, aber nicht eindeutig einer zirkulären Strategie zugeordnet werden können. So wollen fast neun von zehn Industriebetrieben durch eine Steigerung der Ressourceneffizienz ihre Herstellungskosten verringern und rund acht von zehn Unternehmen Abfälle vermeiden.

Bei den jeweils drei Zielen, die unmittelbar auf eine der aufgeführten zirkulären Strategien einzahlen – wobei aufgrund der Datenlage die Strategien „Kreisläufe ermöglichen“ und „Kreisläufe schaffen“ zusammengefasst werden –, sind die Zahlen dagegen weniger eindeutig (Grafik):

Nur drei Ziele – die Wiederverwertung und die Wiederverwendung von Produkten sowie die Reduzierung der Rohstoffabhängigkeit – wurden im Jahr 2020 jeweils von einer Mehrheit der Industrieunternehmen sehr oder einigermaßen engagiert verfolgt.

Auf die Frage, ob sie mit der Steigerung der Ressourceneffizienz die genannten Ziele verfolgen würden, antworteten so viel Prozent der Industrieunternehmen in Deutschland mit "trifft zu" bzw. "trifft eher zu" Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Insgesamt sehen bei allen drei zirkulären Strategien jeweils fast drei Fünftel der befragten Unternehmen keines der drei zugeordneten Ziele als relevant für ihr Geschäft an. Und nur für wenige Unternehmen sind alle drei jeweiligen Ziele bedeutsam. Am höchsten ist dieser Wert bei der Strategie „Kreisläufe schließen“, doch auch dort geben nur insgesamt 12 Prozent der Industriefirmen an, alle drei Ziele im Blick zu haben.

Der Stellenwert, den die Strategien in der Praxis bereits haben, wird noch deutlicher, wenn man die befragten Unternehmen nach der Zahl ihrer zirkulären Strategien klassifiziert. Es zeigt sich, dass das Potenzial für zirkuläre Geschäftsmodelle bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist (Grafik):

Zwar verfolgt knapp ein Viertel der Industrieunternehmen alle drei zirkulären Strategien – auf der anderen Seite kümmert sich jedoch mehr als ein Drittel der Firmen um keine dieser Strategien.

So viel Prozent der Industrieunternehmen in Deutschland verfolgen in diesem Ausmaß zirkuläre Geschäftsstrategien Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Die Unternehmen haben also offenbar ein sehr unterschiedliches Bewusstsein für das Thema Kreislaufwirtschaft im Speziellen und umweltschonendes Wirtschaften im Allgemeinen. Da ist es auch wenig erstaunlich, dass zum Beispiel von jenen Betrieben, die alle zirkulären Strategien im Blick haben, mehr als 70 Prozent das übergreifende Ziel verfolgen, Abfälle zu vermeiden – von den Unternehmen ohne zirkuläre Strategie aber nur etwa 20 Prozent. Ähnlich sieht es beim Ziel aus, die Umwelt durch einen sparsamen Einsatz von Ressourcen zu schützen. Dazu bekennen sich knapp 60 Prozent der stark zirkulär ausgerichteten Unternehmen, aber nur gut 10 Prozent derer, die keine zirkuläre Strategie verfolgen.

Laut IW-Zukunftspanel sind 46 Prozent der Industrieunternehmen, die umfassend zirkuläre Strategien verfolgen, deutlich erfolgreicher als der Durchschnitt der Befragten.

Dabei gehen Umwelt- und Klimaschutz meist Hand in Hand mit wirtschaftlichem Erfolg – hier vor allem gemessen anhand der Indikatoren Umsatz, Beschäftigung und Investitionen. Der Beleg (Grafik):

Laut IW-Zukunftspanel sind 46 Prozent der Industrieunternehmen, die alle drei zirkulären Strategien verfolgen, deutlich erfolgreicher als der Durchschnitt der Befragten – von den Firmen ohne zirkuläre Strategie weisen lediglich 18 Prozent hohe Erfolgswerte aus.

So viel Prozent der Industrieunternehmen, die in diesem Ausmaß auf zirkuläre Geschäftsstrategien setzen, sind überdurchschnittlich bzw. durchschnittlich erfolgreich Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Umgekehrt berichten weniger als drei von zehn stark zirkulär ausgerichteten Unternehmen von einer klar unterdurchschnittlichen Geschäftsentwicklung. Von den Firmen, die noch nicht auf die Kreislaufwirtschaft setzen, ist dagegen fast jede zweite unterdurchschnittlich erfolgreich. Für diese Firmen könnte sich der Umstieg auf ein zirkuläres Geschäftsmodell also ganz besonders auszahlen. Den Wandel können Unternehmen auf unterschiedliche Weise vornehmen – damit er gelingt, kann die Politik gezielte Anreize setzen.

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