Urban Mining: Der Schatz in der Schublade
Bei Papier, Getränkedosen oder Altglas gehört Recycling zum Alltag. In vielen anderen Bereichen muss sich die Kreislaufwirtschaft aber noch etablieren. Vor allem im Elektroschrott schlummert großes Potenzial.
- Jeder Bürger in Deutschland besitzt im Durchschnitt mehr als zwei ausrangierte Handys.
- Mit dem Material der hochgerechnet 210 Millionen deutschen Schubladenhandys könnten theoretisch zehn Jahre lang neue Smartphones produziert werden.
- Deswegen ist es wichtig, Recyclingverfahren weiter zu optimieren und Handybesitzer über Entsorgungsmöglichkeiten zu informieren.
Weltweit steigt der Bedarf an Rohstoffen. Das liegt zum einen an der wachsenden Weltbevölkerung, zum anderen daran, dass klimafreundliche Technologien große Mengen an Lithium, Kobalt und Co benötigen. In einem Szenario, welches mit dem Pariser Abkommen im Einklang ist, werden laut internationaler Energieagentur nachhaltige Energietechnologien in den nächsten zwei Jahrzehnten über 40 Prozent der Kupfer-, 60 bis 70 Prozent der Nickel- und Kobalt- und fast 90 Prozent der Lithiumnachfrage ausmachen.
Woher sollen die Rohstoffe kommen angesichts begrenzter natürlicher Vorkommen? Hier kommt das Urban Mining – der Bergbau in der Stadt - ins Spiel. Denn in den Zentren gibt es große menschengemachte Rohstoffvorkommen. Man spricht vom anthropogenen Lager. Dazu zählen etwa Brücken, Autos, Häuser, Waschmaschinen – und auch Smartphones.
Aus Letzteren lassen sich viele wertvolle Rohstoffe gewinnen (Grafik):
Ein Smartphone besteht fast zur Hälfte aus recyclebaren Metallen wie Gold, Kupfer oder Nickel.
Große Mengen der wertvollen Rohstoffe liegen somit bereits direkt vor unseren Füßen – beziehungsweise in unseren Schubladen. Denn laut dem Digitalverband Bitkom besaß im Jahr 2022 jeder Bürger in Deutschland im Durchschnitt mehr als zwei ausrangierte Handys.
Seit 2015 hat sich die Zahl mehr als verdoppelt. Insgesamt lagern in deutschen Haushalten somit rund 210 Millionen Alt-Handys.
In den 210 Millionen Alt-Handys, die in deutschen Schubladen schlummern, steckt genügend Material, um mehr als zehn Jahre lang neue Smartphones herzustellen.
Die Gründe, alte Smartphones aufzubewahren, sind vielfältig. So geben 45 Prozent der Befragten in einer von Bitkom durchgeführten Umfrage an, ihre ungenutzten Handys aus Sorge um den Schutz privater Daten lieber zu Hause aufzubewahren. Andere wollen schlicht ein Ersatzgerät zur Hand haben. Wieder anderen ist die fachgerechte Entsorgung zu aufwändig. Somit verstecken sich in den Schubladen große Mengen an Metall.
Material für zehn Jahre Smartphone-Produktion
Das Institut der deutschen Wirtschaft hat den Wert der ungenutzten Smartphones berechnet und kommt zu einem bemerkenswerten Ergebnis (Grafik):
Der Wert des Metalls in den 210 Millionen ungenutzten Handys in Deutschland beträgt rund 254 Millionen Dollar – umgerechnet etwa 240 Millionen Euro.
Der Materialwert aller in Deutschland verkauften Smartphones lag im Jahr 2021 bei weniger als einem Zehntel dieser Summe.
Theoretisch ließe sich also mit den Schubladenhandys der Materialbedarf für neue Smartphones über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahre decken. Die Realität sieht anders aus, denn nicht alle Schubladenhandys können dem Recycling zugeführt werden oder sind recycelbar.
Daher ist es wichtig, das Recycling weiterhin zu optimieren und ökonomisch sinnvolle Trenn- und Sortierverfahren auszuarbeiten.
Außerdem muss den Konsumenten klar gezeigt werden, wo sie ihre Alt-Handys entsorgen können. Das Elektro- und Elektronikgerätegesetz, was seit dem 1. Juli 2022 größere Lebensmittelmärkte dazu verpflichtet, Altgeräte zurückzunehmen, könnte ein Schritt in diese Richtung sein. Auch sollten Handybesitzer in der Lage sein, ihre Daten vollständig vom Gerät zu löschen, bevor sie es entsorgen.
Generell ist das Recycling nur eine von vielen Strategien der Kreislaufwirtschaft. Wichtiger als Abfälle und alte Materialien zu verwerten, ist es, die Produkte direkt so zu gestalten, dass möglichst wenig Abfälle entstehen. Ebenso wichtig ist es, Güter oder Komponenten wiederzuverwenden.