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Primärbaustoffsteuer im Bausektor nur bedingt zielführend

Im Zuge des Klimaschutzes ist in allen Wirtschaftsbereichen ein möglichst effizienter Rohstoffeinsatz geboten. Auch die Baubranche als ressourcenintensiver Sektor muss vermehrt auf Recycling setzen. Um dies zu gewährleisten, steht immer mal wieder die Einführung einer Steuer auf Neumaterial im Raum – diese ist aber nicht unbedingt zielführend, wie die Erfahrung aus anderen Ländern zeigt.

Kernaussagen in Kürze:
  • Damit der Ressourcenverbrauch sinkt, muss der Bausektor stärker auf recyceltes Material zurückgreifen.
  • Um Sekundärbaustoffe wettbewerbsfähiger zu machen, stehen der Politik verschiedene Instrumente zur Verfügung. Ein erster Schritt wäre das Überarbeiten der abfallrechtlichen Rahmenbedingungen.
  • Eine Primärbaustoffsteuer wäre hingegen nicht zwingend zielführend.
Zur detaillierten Fassung

Jedes Jahr fallen in Deutschland große Abfallmengen an – mehr als die Hälfte davon sind Bau- und Abbruchabfälle. Der Bausektor hat damit einen beträchtlichen Einfluss auf die Ökobilanz. Der Klimawandel erfordert allerdings einen schonenden und möglichst effektiven Umgang mit Ressourcen – erst recht im Bausektor als ressourcenintensivster deutscher Wirtschaftszweig.

Grundsätzlich wird der Baustoffbedarf in Deutschland durch den inländischen Rohstoffabbau und Importe gedeckt. Der Abbau von Bau- und Industriemineralien ist in den vergangenen 30 Jahren zwar zurückgegangen, macht aber nach wie vor den größten Anteil am gesamten Rohstoffabbau aus (Grafik):

Rund 55 Prozent der im Jahr 2015 in Deutschland abgebauten Rohstoffe waren Bau- und Industriemineralien.

So viele Millionen Tonnen dieser Rohstoffe wurden in Deutschland abgebaut Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Im Jahr 1995 lag der Anteil noch bei 62 Prozent. Der Abbau von Energieträgern wie Erdgas oder Kohle hat sich seitdem ebenfalls reduziert. Auf der anderen Seite werden mehr biotische, also nachwachsende Rohstoffe abgebaut. Diese werden – wie zum Beispiel Holz – auch im Bausektor eingesetzt.

Baustoffrecycling kann Verbrauch reduzieren

Doch wie lässt sich der Verbrauch von Bau- und Industriemineralien weiter reduzieren? Der wichtigste Ansatzpunkt zum schonenden Umgang mit Ressourcen ist die Art der genutzten Baustoffe. So ist es wünschenswert, dass in der Produktion stärker auf Sekundär- statt Primärbaustoffe zurückgegriffen wird, also auf recyceltes statt auf neues Material. Dadurch kann der Materialeinsatz reduziert und die Bauwirtschaft insgesamt nachhaltiger werden.

Die Baubranche muss vermehrt auf Recycling setzen. Der Staat kann dies durch verschiedene Instrumente lenken – eine Primärbaustoffsteuer würde allerdings wohl nur bedingt die gewünschte Wirkung entfalten.

Ausgangsstoffe für das Baustoffrecycling sind die sogenannten mineralischen Abfälle, von denen 2018 in Deutschland fast 219 Millionen Tonnen anfielen. Die Verwertungsquoten unterscheiden sich je nach Abfallkategorie, sind aber insgesamt sehr hoch (Grafik):

Fast 99 Prozent der Baustellenabfälle und rund 98 Prozent des Straßenaufbruchs wurden 2018 in der Bundesrepublik verwertet.

So viel Prozent dieser mineralischen Bauabfälle wurde 2018 in Deutschland wiederverwertet Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Von den unter dem Begriff Boden und Steine zusammengefassten Materialien, die knapp 60 Prozent der gesamten mineralischen Bauabfälle ausmachen, wurden immerhin rund 86 Prozent verwertet.

Mit den Quoten rangiert Deutschland auch im internationalen Vergleich in der Spitzengruppe. Allerdings ist die Menge an Recycling-Baustoffen, die in der Asphalt- und Betonherstellung eingesetzt wird, vergleichsweise gering.

Um Sekundärbaustoffe in diesem Bereich wettbewerbsfähiger zu machen, wird immer wieder diskutiert, ob man die Nutzung der Ressourcen durch staatliche Eingriffe steuern sollte. So wird zuweilen eine Primärbaustoffsteuer gefordert – nach dem Motto: Wer nicht ausreichend auf recycelte Rohstoffe setzt, muss mehr zahlen. Durch die Steuer sollen Innovationsanreize für umweltfreundliche Technologien gesetzt und die Nutzung recycelter Baustoffe angekurbelt werden.

Primärbaustoffsteuer nur bedingt zielführend

Allerdings könnte eine solche Steuer zu unerwünschten Nebeneffekten führen: Sie könnte eingepreist werden und damit die Preise von Neubauten erhöhen oder dazu führen, dass es für Produzenten günstiger ist, Neumaterial aus dem Ausland zu importieren. Die Erfahrungen aus Ländern, in denen die Steuer bereits greift, zeigen zudem:

Die umweltpolitische Wirkung einer Primärbaustoffsteuer ist nicht eindeutig.

In Großbritannien, wo die Steuer seit 2002 gilt, konnte die steigende Nachfrage nach Baustoffen danach nur bedingt durch Recycling kompensiert werden: Zwischen 2010 und 2018 stieg der Absatz von recycelten und sekundären Baustoffen zwar um 16 Prozent, der Markt wuchs aber schon vor Einführung der Steuer kontinuierlich. Dagegen stieg der Absatz von Primärbaustoffen im gleichen Zeitraum mit gut einem Drittel um einiges mehr.

In Schweden, das bereits seit 1996 Naturkies besteuert, verlagerten sich die Schwerpunkte in der Produktion und beim Einsatz von mineralischen Primärbaustoffen anschließend von Naturkies zu Schotter, ohne den Markt für recycelte Baustoffe nachhaltig zu stärken.

Auch in anderen Ländern wie Dänemark oder Italien ist eine zielführende Wirkung der Primärbaustoffsteuer nicht eindeutig zu belegen. Die Bundesregierung sollte mögliche Effekte einer Steuer vor ihrer Einführung also eingehend prüfen und deren mögliche Vor- und Nachteile gegenüber anderen, eventuell besser geeigneten Instrumenten abwägen.

Maßnahmen für mehr Ressourceneffizienz

Eine dauerhaft erhöhte Nutzung von recycelten Materialien ist nur möglich, wenn transparente und konkurrenzfähige Märkte mit einheitlichen Qualitätsstandards zur Klassifikation, zum Vertrieb und zum Einsatz von Sekundärrohstoffen geschaffen werden – ein erster Ansatzpunkt ist hier das Überarbeiten der abfallrechtlichen Rahmenbedingungen.

Weitere wirkungsvolle Instrumente könnten Informationskampagnen sein, um die Akzeptanz von recycelten Materialien zu steigern. Zielführend wäre es auch, wenn der Staat die Forschung und Entwicklung im Bereich von alternativen Baustoffen fördert, um ressourcenschonende und kreislauforientierte Produktdesigns zu stärken.

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