Transformation: Eine Frage der Perspektive
Der Wandel in der Unternehmensstruktur oder den Arbeitsprozessen stellt Betriebe stets vor große Herausforderungen. Das IW hat erstmals empirisch untersucht, wie Beschäftigte und Führungskräfte die Transformationen wahrnehmen – und welche Lehren sich daraus ziehen lassen.
- Führungskräfte und Beschäftigte, die in den vorangegangenen zwei Jahren einen Transformationsprozess mitgemacht haben, bewerten diesen sehr unterschiedlich, zeigt eine IW-Studie.
- Führungskräfte sehen die sechs grundlegenden Aspekte eines solchen Prozesses durchgehend besser umgesetzt als Arbeitnehmer ohne Personalverantwortung.
- Es zeigt sich aber, dass Beschäftigte, die einen solchen Wandel in ihrem Betrieb in den vergangenen zwei Jahren mitgemacht haben, seltener an einen Wechsel des Arbeitsplatzes denken.
Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit – das alte Sprichwort ist angesichts der großen Aufgaben für Unternehmen beim digitalen und ökologischen Wandel aktuell wie nie. Um eine Transformation jeglicher Art optimal umzusetzen, gilt es für ein Unternehmen, sechs grundlegende Aspekte zu berücksichtigen:
1. Die Notwendigkeit der Veränderung gut erklären,
2. die Strategie transparent machen,
3. die Ansprüche der Beschäftigten respektieren,
4. den Transformationsprozess von den Mitarbeitern mitgestalten lassen,
5. in Weiterbildung investieren,
6. eine gute Fehlerkultur pflegen.
So viel zur Theorie. Wie die Umsetzung in der Praxis funktioniert, hat das Institut der deutschen Wirtschaft empirisch untersucht. Grundlage ist eine gemeinsame Befragung von IW, New Work, Stepstone und Kienbaum aus dem Jahr 2021. Daran nahmen sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter ohne Führungsposition teil.
Führungskräfte und Beschäftigte, die in den vorangegangenen zwei Jahren einen Transformationsprozess mitgemacht haben, bewerten diesen demnach sehr unterschiedlich (Grafik):
Während 66 Prozent der Führungskräfte meinen, die Notwendigkeit der Veränderung sei gut erklärt worden, sehen das nur knapp 43 Prozent der Beschäftigten so.
Auch in den weiteren fünf Kategorien gehen die Meinungen der Führungskräfte und der Beschäftigten stark auseinander – jeweils mit niedrigerer Zustimmung der Angestellten ohne Personalverantwortung. Der Abstand beträgt zwischen 13 und 17 Prozentpunkten. Die schwächsten Werte erreichen bei beiden Gruppen die Mitgestaltungsmöglichkeiten. Lediglich etwas mehr als 46 Prozent der Führungskräfte und gerade einmal 29 Prozent der Beschäftigten berichten von Möglichkeiten für die Belegschaft, sich aktiv in den Veränderungsprozess einzubringen.
In einem weiteren Schritt haben die IW-Forscher untersucht, wie viele der sechs Kategorien die jeweiligen Gruppen in ihren Transformationsprozessen als erfüllt ansehen. Erneut sind sich die Befragten mit und ohne Führungsverantwortung uneinig (Grafik):
20 Prozent der Führungskräfte meinen, dass alle sechs Aspekte im vergangenen Transformationsprozess umgesetzt wurden – unter den Beschäftigten sind es nur halb so viele.
Gut 28 Prozent der Beschäftigten sehen sogar keine einzige Voraussetzung für einen gelungenen Wandel als erfüllt an.
Beschäftigte, die einen Transformationsprozess in ihrem Betrieb in den vergangenen zwei Jahren mitgemacht haben, denken seltener an einen Wechsel des Arbeitsplatzes.
Ein Grund, warum die Führungskräfte den Veränderungsprozess durchweg positiver wahrnehmen als die Beschäftigten, könnte darin liegen, dass sie selbst mitgestalten und Verantwortung übernehmen konnten.
Die IW-Studie zeigt auch, dass Männer die erlebte Transformation tendenziell besser bewerten als Frauen. Skeptischer sind zudem ältere und langjährige Beschäftigte. In Betrieben mit bis zu 50 Mitarbeitern empfanden die Befragten den Wandel im Vergleich mit größeren Betrieben häufiger als gut. Großer Pluspunkt: Das Mitgestalten funktioniert in kleineren Betrieben deutlich besser.
Zusätzlich zu den Erkenntnissen zum Transformationsprozess selbst lassen sich anhand der Daten auch Rückschlüsse ziehen, inwieweit sich gravierende Veränderungen in einem Unternehmen auf die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter und die Absicht zum Jobwechsel auswirken. Es zeigt sich:
Beschäftigte, die einen solchen Wandel in ihrem Betrieb in den vergangenen zwei Jahren mitgemacht haben, denken seltener an einen Wechsel des Arbeitsplatzes.
Der Anteil der unzufriedenen Mitarbeiter ist nach einem größeren Umbruch ebenfalls deutlich niedriger als bei Personen ohne eine solche Erfahrung.
Kommunikation ist zentraler Faktor
Auch wenn die erhobenen Daten keinen Aufschluss über die Art der jeweiligen Transformation oder über ihren Erfolg beziehungsweise Misserfolg geben können, lassen sich doch wichtige Erkenntnisse für Unternehmen im Veränderungsprozess gewinnen. So erhöhen sich die Chancen, neue Strukturen und Arbeitsweisen nachhaltig einzuführen, wenn den Mitarbeitern im Prozess die nötige Sicherheit vermittelt wird.
Die Kommunikation ist daher der zentrale Faktor für eine gelingende Transformation. Die Ziele des Unternehmens müssen klar transportiert und die jeweils Verantwortlichen und Ansprechpartner deutlich benannt werden. Die Geschäftsführung sollte zudem die Ängste und Wünsche der Mitarbeiter ernst nehmen und auf sie eingehen – auch wenn dies mit einigem zeitlichen Aufwand verbunden ist. Wichtig ist auch, dass die Veränderung von der Belegschaft als Chance wahrgenommen wird. Das lässt sich am besten erreichen, wenn die Beschäftigten den Wandel aktiv mitgestalten können. Die Motivation und die Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln, steigen dadurch.