Interview Lesezeit 2 Min.

„Symbolpolitik hilft uns nicht weiter“

Die Corona-Pandemie hat – ähnlich wie die globale Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 – die Staatsschulden sprunghaft ansteigen lassen. Wie es Deutschland schaffen kann, auch dieses Mal auf den Pfad einer soliden Finanzpolitik zurückzukehren, erklären Martin Beznoska und Tobias Hentze, Senior Economists für Finanz- und Steuerpolitik im Institut der deutschen Wirtschaft.

Kernaussagen in Kürze:
  • Um nach der Corona-Krise aus den Schulden herauszuwachsen, braucht Deutschland Haushaltsdisziplin und wachstumsfördernde Investitionen.
  • Steuererhöhungen wären dagegen kontraproduktiv, weil sie Investitionen verhindern.
  • Die Kommunen brauchen besondere Unterstützung – die Bundesländer sollten deshalb deren Schulden übernehmen.
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Nach der Finanzkrise waren 25 bis 30 Prozent des Wirtschaftswachstums bis zum Jahr 2019 auf den Beschäftigungsaufbau zurückzuführen, die Steuereinnahmen sprudelten und der Staat konnte aus seinen Schulden quasi herauswachsen. Hinzu kamen niedrige Zinsausgaben. Können uns diese Effekte auch nach der Corona-Krise helfen?

Hentze: Wir hatten vor der Corona-Krise eine Rekordzahl an Erwerbstätigen. Jetzt stellt sich allerdings die Frage, wo noch mehr Beschäftigung herkommen soll. Der demografische Wandel erhöht eher den Druck, weil jetzt die Babyboomer nach und nach in Rente gehen.

Die Voraussetzungen nach der Corona-Krise sind zwar schwieriger als nach der Finanzkrise, trotzdem kann Deutschland wie damals aus den Schulden herauswachsen.

Was die Zinsausgaben angeht, ist auch nicht mehr viel drin. Statt 11 Euro, die der Staat einst pro 100 Euro Steuereinnahmen für Zinsen ausgegeben hat, sind es mittlerweile nur noch 4 Euro. Das hat nach der Finanzkrise große Haushaltsspielräume geschaffen, doch diese Zeiten sind vorbei, denn die Zinsen können ja kaum noch weiter sinken.

Wie soll Deutschland dann die Corona-Schulden zurückzahlen?

Beznoska: Die Voraussetzungen sind zwar schwieriger als nach der Finanzkrise, trotzdem kann Deutschland wie damals aus den Schulden herauswachsen. Dazu braucht es zum einen Haushaltsdisziplin und zum anderen wachstumsfördernde Investitionen über einen Zeitraum von zehn Jahren, wie sie das IW mit seinem Konzept eines Deutschland-Fonds schon 2019 vorgeschlagen hat.

Senior Economists für Finanz- und Steuerpolitik im Institut der deutschen Wirtschaft; Fotos: IW Medien SPD, Grüne und Die Linke wollen den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer erhöhen, die Linkspartei schlägt zudem eine Vermögensteuer vor. Wären solche Schritte hilfreich?

Beznoska: Die geplanten Anhebungen durch SPD und Grüne würden jährlich 4 bis 5 Milliarden Euro Mehreinnahmen bringen. Das hilft uns bei den Corona-Schulden nicht weiter, sondern ist Symbolpolitik und sogar kontraproduktiv, weil es Investitionen verhindert. Die Linke will noch kräftiger zulangen – und würde damit auch mehr Schaden anrichten.

Obwohl die Finanzlage des Staates in den vergangenen Jahren gut war, leiden viele Kommunen immer noch unter hohen Schulden. Könnte sich ihre Lage aufgrund der neuen Corona-Lasten noch verschärfen?

Hentze: Bisher sind die Kommunen ganz gut durch die Krise gekommen, weil ihre Einnahmeausfälle vom Bund und den Ländern ausgeglichen wurden. Aber es gibt eben auch Kommunen, vor allem in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz und im Saarland, die so hohe Schulden haben, dass sie auf keinen grünen Zweig mehr kommen. Hessen hat für dieses Problem eine gute Lösung gefunden. Dort hat das Land einen Großteil der kommunalen Schulden übernommen, sodass die Kommunen wieder investieren können.

Ist das letztlich nicht nur ein Verschiebebahnhof?

Hentze: Es ist ein reiner Verschiebebahnhof, aber von einer institutionellen Ebene, die die Belastung kaum aushalten kann, hin zu einer, die sie besser tragen kann.

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