Staatsschulden Lesezeit 4 Min.

Deutschlands Schulden steigen

Um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie so gut es geht abzumildern, nehmen Bund, Länder und Gemeinden viel Geld in die Hand. Was nach der Krise bleiben wird, ist ein höherer Schuldenberg – allein im vergangenen und im neuen Jahr kommt fast eine halbe Billion Euro dazu. Aber ist das in Zeiten von Nullzinsen überhaupt ein Problem?

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Schulden von Bund, Ländern und Gemeinden werden 2021 schätzungsweise 450 Milliarden Euro höher sein als 2019.
  • Die Schuldenquote steigt dann zwar auf fast 73 Prozent, liegt aber immerhin noch gut 9 Prozentpunkte unter der des Jahres 2010.
  • Wie es künftig weitergeht, hängt vor allem von den Zinsen und der Schuldenbremse ab.
Zur detaillierten Fassung

Es könnte die Gretchenfrage im Bundestagswahlkampf 2021 werden: Nun sag, wie hältst du’s mit den Schulden? Grundsätzlich gibt es darauf zwei Antworten: Die einen werden argumentieren, dass es ohne Schulden in der Krise nicht geht, der Staat die Schuldenbremse aber so schnell wie möglich wieder einhalten sollte, denn Schulden müssen irgendwann zurückgezahlt werden und belasten daher künftige Generationen übermäßig.

Die deutsche Schuldenquote wird 2021 mit knapp 73 Prozent immerhin noch gut 9 Prozentpunkte unter dem Wert des Jahres 2010 liegen.

Andere werden dagegenhalten, dass es den Staat derzeit nichts kostet, Geld zu leihen, und dass es vor allem an Investitionen fehlt. Werden die Mittel dafür verwendet, wächst Deutschland – wie nach der Finanzkrise vor zehn Jahren – einfach aus den Schulden heraus, kein Grund also für Ausgabenkürzungen oder übertriebene Sparsamkeit.

Dass die Frage nach dem richtigen Umgang mit der öffentlichen Verschuldung in den Fokus gerät, ist durchaus berechtigt, denn es geht um viel Geld (Grafik):

Die Schulden von Bund, Ländern und Gemeinden werden im Jahr 2021 das Niveau von 2019 um schätzungsweise 450 Milliarden Euro übersteigen.

Schuldenstand von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen einschließlich Extrahaushalte Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Damit ist ein Trend gebrochen. Nach Jahren der Haushaltsüberschüsse lag die Schuldenstandsquote im Jahr 2019 mit 59,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erstmals seit 2002 unter dem Maastricht-Grenz-wert von 60 Prozent. Dafür gab es im Wesentlichen drei Gründe:

Keine neuen Schulden. In den vergangenen Jahren hat die Politik auf neue Schulden weitgehend verzichtet, da nicht zuletzt die alternative Finanzierungsquelle kräftig sprudelte: Die Steuereinnahmen sind von 2010 bis 2019 um gut die Hälfte auf rund 800 Milliarden Euro gestiegen. Dies lag an höheren Steuersätzen zum Beispiel bei Gewerbe-, Grund- und Grunderwerbsteuer, aber vor allem daran, dass der Fiskus von mehr und besser bezahlten Jobs über die Einkommensteuer profitiert hat.

Niedrige Zinsausgaben. Neben den gestiegenen Steuereinnahmen waren die deutlich gesunkenen Zinsausgaben ein Grund zur Freude für die Haushaltspolitiker (Grafik):

Der Staat gab im Jahr 2019 nur noch knapp 34 Milliarden Euro für Zinszahlungen aus – 2012 waren es fast 70 Milliarden Euro.

Zinsausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Damit ist die Zins-Steuer-Quote, also das Verhältnis von Zinszahlungen zu Steuereinnahmen, von knapp 12 auf rund 4 Prozent gesunken.

Wachsende Wirtschaft. Solange der Schuldenstand stagniert oder lediglich leicht steigt, sinkt in wirtschaftlich guten Zeiten automatisch die Schuldenstandsquote. Denn gleichzeitig wächst die Volkswirtschaft – im vergangenen Jahrzehnt im Durchschnitt um nominal gut3 Prozent pro Jahr.

Bleibt die Frage, wer die Rechnung für den jetzt aufs Neue angewachsenen Schuldenberg bezahlen soll. Corona-Soli, Vermögensabgabe, höhere Einkommensteuersätze – der Ruf nach einer Steuerlösung ist bereits zu vernehmen. Allerdings eint all diese Ideen ein schwerwiegender Nachteil: In den kommenden Monaten geht es um eine möglichst schnelle und nachhaltige Erholung der Wirtschaft – höhere Steuern stehen diesem Ziel entgegen.

Auch wenn der Schuldenstand Deutschlands mit gut 2,5 Billionen Euro in der Nachkriegsgeschichte nie höher war als voraussichtlich Ende 2021, gibt es keinen Grund zur Panik:

Die Schuldenquote wird 2021 mit knapp 73 Prozent immerhin noch gut 9 Prozentpunkte unter dem Wert des Jahres 2010 liegen, als die Finanzkrise schnelles Handeln erforderte.

Gleichzeitig sind Schulden als Finanzierungsquelle günstig wie nie. Aktuell erhält der Bund sogar Zinsen, wenn er sich Geld leiht. Zudem relativiert der Blick auf die Nachbar-staaten den aktuellen Anstieg der deutschen Schuldenquote, denn die großen Industrieländer in der Europäischen Union waren Ende 2019 im Vergleich zur Wirtschaftskraft allesamt deutlich stärker verschuldet:

Italien rangierte mit einer Quote von 135 Prozent an der Spitze, Frankreich und Spanien erreichten fast die 100-Prozent-Marke und auch das Vereinigte Königreich lag mit 85 Prozent vor Deutschland.

Zinsen und Schuldenbremse sind wichtig

Ist das Leben auf Pump für Deutschland also dauerhaft kein Problem? Die Antwort hängt davon ab, was die Zukunft bringt. Bleiben die Zinsen niedrig und gilt nach der Krise wieder die Schuldenbremse, würde die Schuldenstandsquote ähnlich wie nach der Finanzkrise relativ zügig wieder in Richtung60 Prozent sinken – denn die Schuldenbremse verlangt eine schrittweise Tilgung der krisenbedingt aufgenommenen Kredite.

Allerdings stellt sich dann die Frage, wie wichtige Investitionen unter anderem in Digitalisierung und Klimaschutz finanziert werden sollen. Daher bedarf es einer Öffnung der Schuldenbremse – der Schuldenstand wäre bei einem klaren Fokus auf Investitionen auch dann weiterhin zu stemmen.

Trügerisch wäre angesichts von Nullzinsen jedoch die Schlussfolgerung, dass es auf ein paar Milliarden Euro mehr oder weniger Schulden nicht ankommt. Es bleibt die zentrale Aufgabe der Politik, Prioritäten auf der Ausgabenseite zu setzen.

Kurzum: Weniger Schulden sind auch bei Nullzinsen besser als mehr Schulden. Für die Finanzierung zukunftsgerichteter Ausgaben sollte die Politik gleichwohl neue Schulden aufnehmen. Das ist kein Widerspruch. Schulden sind ein Mittel zum Zweck – für sich genommen sind sie weder gut noch schlecht.

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