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Sollten in Deutschland Feiertage, die auf ein Wochenende fallen, nachgeholt werden?

In vielen Ländern werden gesetzliche Feiertage, die auf ein Wochenende fallen, nachgeholt. IW-Arbeitszeitexperte Christoph Schröder hält dies allein schon aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland für unangebracht. Gert G. Wagner, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, findet die Idee gut, weil sie der Gesellschaft mehr Zeit für gemeinsame soziale Aktivitäten böte.

Kernaussagen in Kürze:
  • In vielen anderen Ländern wie in Spanien, dem Vereinigten Königreich oder Belgien werden gesetzliche Feiertage, die auf ein Wochenende fallen, nachgeholt.
  • Das hält auch Gert G. Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung für eine gute Idee, denn so könnten die Menschen in Deutschland mehr Zeit miteinander verbringen.
  • Christoph Schröder vom Institut der deutschen Wirtschaft hält dagegen: Er weist darauf hin, dass Deutschland die kürzeste Jahresarbeitszeit in der EU aufweist und gleichzeitig – zusammen mit Dänemark – die meisten Urlaubs- und Feiertage hat.
Ja,
sagt
Gert G. Wagner,

Wissenschaftlicher Senior Research Fellow am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin

Feiertage, die auf ein Wochenende fallen, sollten von Gesetzes wegen nachgeholt werden, wie zum Beispiel im Vereinigten Königreich. In den USA werden einige Feiertage per Gesetz sogar auf einen Montag gesetzt, um das Wochenende zu verlängern. Und beide Länder sind unverdächtig, es mit dem Sozialstaat zu übertreiben. Es sollten auch in Deutschland Feiertage, die durch einen kalendarischen Zufall auf einen Wochenendtag fallen, am unmittelbar folgenden Montag nachgeholt werden. Dabei geht es mir nicht nur um Erholung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern vor allem darum, dass wir als Gesellschaft ohnehin zu wenig Zeit miteinander verbringen. In Agrargesellschaften war und ist die soziale Funktion des Sonntags überdeutlich: Das Vieh im Stall muss auch an diesem Tag versorgt werden, der also keinesfalls arbeitsfrei, aber trotzdem ein besonderer Tag ist. Dass der Sonntag heutzutage nicht mehr mit quasi obligatorischen sozialen Zusammenkünften, etwa beim Kirchgang, verbunden ist, ist ja nicht nur ein Ausdruck der Freiheit in unseren aufgeklärten Gesellschaften, sondern durchaus auch ein Problem. Wobei es mir nicht auf den Kirchgang ankommt, sondern auf gemeinsame Erlebnisse, die über Familienausflüge und Sonntags-Shopping hinausgehen.

Womöglich würde die Wirtschaft von nachgeholten Feiertagen sogar profitieren, da die Produktivität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch gut verbrachte Freizeit steigen kann.

Am Montag nachgeholte Feiertage stärken natürlich nicht zwangsläufig flächendeckend gemeinsame soziale Aktivitäten, aber sie böten zumindest eine Chance. Womöglich würde sogar die Wirtschaft profitieren, da die Produktivität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch gut verbrachte Freizeit steigen kann.

Dass Feiertage in erster Linie an historische oder religiöse Ereignisse erinnern und nicht nur der Erholung dienen, ist in der Tat richtig. Aber daraus kann man nicht zwangsläufig ableiten, dass Feiertage, die auf ein Wochenende fallen, nicht nachgeholt werden sollten. Denn es geht ja um kollektive Erfahrungen, und für die muss man sich nun mal Zeit nehmen – dass die in einigen Kalenderjahren knapper bemessen sein soll als in anderen, ist nicht gut begründbar.

Akzeptiert man die Funktion gemeinsamer Zeit an Feiertagen, dann ist klar, dass der zu hörende Kompromissvorschlag, dass ein auf ein Wochenende fallender Feiertag durch einen Tag Zusatzurlaub gewissermaßen entgolten werden sollte, völlig danebenliegt. Denn individueller Urlaub ist eher das Gegenteil einer kollektiven gesellschaftlichen Erfahrung. Hinzu kommt, dass der gesetzlich festgelegte Mindestjahresurlaub unterhalb der meisten tariflichen Vereinbarungen liegt und eine gesetzliche Erhöhung um ein oder zwei Tage effektiv nichts bringen würde. Und: Würden Zusatztage tariflich vereinbart, wäre klar, dass dies mit niedrigeren Lohnsteigerungen verbunden sein würde. Diese Verrechnung (mehr Urlaub gleich weniger ausgezahlter Lohn) geschähe natürlich mittel- und langfristig auch bei einer Montagsregelung für Wochenendfeiertage, aber die zeitliche Streckung würde dies kaum spürbar machen.

Nein,
sagt
Christoph Schröder,

Senior Researcher für Einkommenspolitik, Arbeitszeiten und -kosten

Der Staat sollte die Erwerbstätigen nicht durch zusätzliche Regelungen dazu anhalten, weniger zu arbeiten. Seitdem im Jahr 2017 der Reformationstag zum 500-jährigen Jubiläum des Luther’schen Thesenanschlags bundesweit gefeiert wurde und die Wirtschaft dies anscheinend ohne Schwierigkeiten wegstecken konnte, wurden in einigen ostdeutschen Bundesländern bereits zusätzliche Feiertage eingeführt: Der Frauentag ist seit 2019 in Berlin und ab 2023 auch in Mecklenburg-Vorpommern arbeitsfrei, während man in Thüringen seit 2019 den Weltkindertag begeht.

Eine weitere Arbeitszeitverkürzung durch eine Nachholregelung wäre in Deutschland das falsche Signal: So werden Fachkräfte schon jetzt in vielen Bereichen händeringend gesucht.

Nachdem so die Unterschiede bei der Zahl der Feiertage zwischen den Bundesländern verringert wurden, steht nun der Ausgleich zur Diskussion: Feiertage mit festem Datum, die auf ein Wochenende fallen, sollen am Montag nachgeholt werden. Diese Praxis ist tatsächlich nicht unüblich. Prominentestes Beispiel ist das Vereinigte Königreich, das Feiertage, die auf arbeitsfreie Tage fallen, üblicherweise auf den nächsten Montag verlegt. Ähnlich verfährt Spanien. Belgien und Luxemburg zeigen noch mehr Flexibilität und erlauben es, einen Wochenend-Feiertag nach Absprache mit dem Unternehmen an einem beliebigen Tag nachzuholen.

Warum soll das nicht auch bei uns funktionieren? Dagegen spricht zunächst die internationale Wettbewerbsfähigkeit: Deutschland weist in der EU die kürzeste Jahresarbeitszeit auf und hat gleichzeitig zusammen mit Dänemark die meisten Frei-Tage. Und Belgien, Luxemburg und das Vereinigte Königreich kommen selbst mit den Nachhol-Feiertagen auf keine höheren Werte als Deutschland. Lediglich Spanien liegt mit 14 Feiertagen weit vorn, kommt aber auf lediglich 22 Urlaubstage.

Eine weitere Arbeitszeitverkürzung durch eine Nachholregelung wäre in Deutschland aber noch aus weiteren Gründen das falsche Signal: So werden Fachkräfte schon jetzt in vielen Bereichen händeringend gesucht. Durch die Megatrends Dekarbonisierung und Digitalisierung wird die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften weiter steigen. Hinzu kommt der demografische Wandel mit dem jetzt einsetzenden Ausscheiden der sogenannten Babyboomer-Generation aus dem Arbeitsmarkt, wodurch sich das Verhältnis von Rentnern und Beitragszahlern ohnehin rapide verschlechtern wird. Wenn die Politik nun sogar noch Maßnahmen umsetzt, die das Arbeitsvolumen weiter reduzieren, wird nicht zuletzt die langfristige Haushaltskonsolidierung erschwert.

Gleichwohl sind die Präferenzen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen: Ist vielen Freizeit und Arbeitszeitflexibilität wichtig, werden Betriebe attraktiv, die Sabbaticals, reduzierte Vollzeit oder mehr Urlaubstage anbieten. Viele Firmen tun dies bereits und in einigen Tarifverträgen haben Beschäftigte die Möglichkeit, zusätzliche Urlaubstage statt mehr Lohn zu erhalten. Staatliches Eingreifen ist daher nicht notwendig. Im Gegenteil: Der Staat sollte finanzielle Anreize für kürzere Arbeitszeiten abbauen – etwa durch eine geringere steuerliche Grenzbelastung.

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