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Bildungsmonitor 2022: Schwächen im Bildungssystem

Sachsen und Bayern haben derzeit deutschlandweit das beste Bildungssystem, zeigt der Bildungsmonitor des Instituts der deutschen Wirtschaft. Insgesamt hapert es in der Bildungspolitik aber an vielen Stellen. Sorgen bereiten abnehmende Bildungschancen, die schleppende Digitalisierung und das sinkende Interesse an MINT-Berufen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Sachsen, Bayern und Thüringen liegen im Bildungsmonitor 2022 vorn.
  • Trotz einiger Fortschritte bereiten bundesweit die Defizite in den Bereichen Schulqualität, Integration und MINT Sorgen.
  • Die Digitalisierung in den Schulen stockt nach einem Schub durch die Pandemie aktuell und sollte dringend vorangetrieben werden.
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Digitalisierung, Dekarbonisierung, Demografie und neuerdings De-Globalisierung – die deutsche Wirtschaft steht vor gewaltigen Herausforderungen. Um sie zu meistern, braucht es möglichst viele gut ausgebildete Beschäftigte. Wie es um das Bildungssystem in Deutschland bestellt ist, schaut sich das IW seit 2004 im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) an.

In zwölf Handlungsfeldern mit 93 einzelnen Indikatoren prüfen die Forscher Fortschritte im Bildungssektor von der frühkindlichen Bildung bis hin zum Studium und der Berufsausbildung. Zudem werden erstmals im neuen Feld „Digitalisierung“ fünf weitere Indikatoren für die einzelnen Bundesländer ausgewertet. Das Gesamtergebnis (Grafik):

Sachsen, Bayern und Thüringen liegen im Ranking des Bildungsmonitors vorn. Schlecht schneiden Sachsen-Anhalt und Bremen ab.

Ergebnisse des Bildungsmonitors 2022 für die einzelnen Bundesländer anhand von 98 Einzelindikatoren Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Zusätzlich haben die Studienautoren einen Langzeitvergleich zum Bildungsmonitor 2013 gezogen: Zwar gab es in fast allen Handlungsfeldern bundesweit in den vergangenen neun Jahren Fortschritte. Doch in den wichtigen Bereichen Schulqualität, Integration und Hochschule/MINT haben sich mehrere Indikatoren teils erheblich verschlechtert.

Für die deutsche Wirtschaft ist kurzfristig vor allem die Situation in den MINT-Berufen problematisch.

Derzeit fehlen in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – kurz MINT – mehr als 340.000 Arbeitskräfte. Die Zahl der Studienanfänger in diesen Fächern ist in den vergangenen fünf Jahren aber von knapp 200.000 auf etwa 170.000 gesunken. Und auch in den MINT-Ausbildungsberufen nehmen die Engpässe zu.

Langfristig dürfte die Schulqualität zum zentralen Problem werden. Denn die Kompetenzen von Viertklässlern in Deutsch und Mathematik haben sich von 2016 bis 2021 laut aktuellem Bildungstrend des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen verschlechtert. Dazu nehmen der Anteil der Kinder mit großen Lernlücken und die Ungleichheit der Bildungschancen zu.

In den Bereichen Schulqualität, Integration und MINT hat das deutsche Bildungssystem laut Bildungsmonitor die größten Defizite.

Schon aktuell zeichnen sich bei der Integration Schwierigkeiten ab. So verlassen besonders viele ausländische Jugendliche die Schule ohne Abschluss. Diese Kinder zu fördern, sollte ein Hauptaugenmerk der Bildungspolitik sein.

Ganztagsbetreuung ausbaufähig

Genau angesehen haben sich die IW-Forscher auch die Ganztagsbetreuung. Schließlich belegen Untersuchungen, dass sich frühzeitige Betreuungsangebote positiv auf die spätere Bildung von Kindern auswirken. Außerdem erleichtern flächendeckende Ganztagsangebote für den Nachwuchs den Eltern eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf – was wiederum gegen den Fachkräftemangel helfen kann.

Laut Studie gab es in diesem Bereich Fortschritte:

So waren 2020 rund 47 Prozent der Grundschüler in der Ganztagsbetreuung. Beim Bildungsmonitor 2013 lag der Anteil noch bei lediglich 31 Prozent.

Wenig Fortschritt bei der Digitalisierung

Eine ebenso große Herausforderung ist und bleibt die Digitalisierung des deutschen Bildungssystems. In der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass an vielen Stellen von Schule bis Universität massiver Aufholbedarf besteht. Deshalb ist die Digitalisierung im Bildungsmonitor für die INSM nun erstmals als eigenes Handlungsfeld etabliert. Der Bestandsaufnahme zufolge bieten die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen den besten Zugang zum Internet. Etwa neun von zehn Schulen haben mindestens 100-Megabit-Leitungen. Schlusslicht Sachsen-Anhalt kommt nur auf gut 52 Prozent seiner Schulen, die schnell ins Netz kommen.

Flächendeckend problematisch ist die Lage allerdings bei der Hardware. Mitte 2021 gab noch mehr als die Hälfte der Lehrkräfte in Deutschland an, keinen Zugang zu einem vom Arbeitgeber gestellten digitalen Endgerät zu haben. Das wirkt sich auf den Unterricht aus – nur 39 Prozent der Lehrkräfte verwenden nach Untersuchungen der Deutsche Telekom Stiftung täglich digitale Medien im Unterricht. Und das Gefälle ist enorm (Grafik):

Während in Bayern zwei Drittel der Lehrer täglich digitale Medien in ihren Unterrichtsstunden nutzen, tut dies in Hamburg nicht einmal jede sechste Lehrkraft.

So viel Prozent der Lehrkräfte in diesen Bundesländern nutzen täglich digitale Medien im Unterricht Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Auch die Zeit, in der Schülerinnen und Schüler im Unterricht digital unterwegs sind, ist ausbaufähig. Das belegt der Vergleich mit dem deutlich digitaler aufgestellten Dänemark. Dort benutzte bereits vor der Corona-Pandemie im Jahr 2018 deutlich mehr als die Hälfte der Neuntklässler mindestens eine Stunde pro Woche digitale Endgeräte in Mathematik und in den Naturwissenschaften. Deutschland kam lediglich auf 7,6 beziehungsweise 6,3 Prozent.

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