Der Informationsdienst
des Instituts der deutschen Wirtschaft

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Bildungsmonitor 2021 Lesezeit 6 Min.

Corona beutelt die Bildung

Wie gut sind die Bildungssysteme der einzelnen Bundesländer aufgestellt? Die neue, 18. Auflage des Bildungsmonitors des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass es seit vielen Jahren kaum noch Fortschritte gibt – und die Corona-Krise dürfte insbesondere die ohnehin angespannte Lage in den Kategorien Schulqualität, Bildungsarmut und Integration noch verschlechtert haben.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die neue Auflage des IW-Bildungsmonitors zeigt, dass die Bildungsqualität in Deutschland seit einigen Jahren stagniert.
  • Am besten schneiden im Ranking Sachsen, Bayern und Hamburg ab, die letzten Plätze belegen Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Bremen.
  • Damit sich die Bildungsungleichheit nicht weiter verschärft und Deutschland Herausforderungen wie Digitalisierung und den demografischen Wandel angehen kann, sind spürbarere Bildungsimpulse notwendig.
Zur detaillierten Fassung

Beim Bildungsmonitor, den das IW jedes Jahr für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) erstellt, geht es zum einen um die Frage, inwieweit das Bildungssystem zur Sicherung des Wohlstands in Deutschland beiträgt, und zum anderen um Gerechtigkeit – also darum, ob der Einzelne eine Chance auf Teilhabe hat, ob das Risiko von Bildungsarmut reduziert und die Durchlässigkeit des Bildungssystems gefördert wird.

Um das herauszufinden, untersucht der Bildungsmonitor zwölf Bildungsbereiche mit insgesamt 93 Einzelindikatoren – angefangen mit der Frage, wie viel Geld ein Bundesland pro Schüler ausgibt, über den Anteil unversorgter Bewerber um einen Ausbildungsplatz bis hin zu den Forschungs- und Entwicklungsausgaben an den Hochschulen.

Die Bildungsqualität in Deutschland stagniert seit einigen Jahren. Zwar macht die Bundesrepublik bei der Internationalisierung, der Förderinfrastruktur und den Betreuungsbedingungen Fortschritte, in Bereichen wie der Schulqualität, der Vermeidung von Bildungsarmut oder der Integration hakt es jedoch.

Die Gewinner und Verlierer im Jahr 2021 (Grafik):

Sachsen rangiert mit 66,8 Punkten an der Spitze – und steht dort bereits zum 15. Mal.

Der Bildungsmonitor untersucht die Bildungssysteme der Bundesländer anhand von 93 Einzelindikatoren in zwölf Handlungsfeldern. Das Land, welches im Jahr 2013 bei einem Indikator den schlechtesten Wert erzielte, bekam 0 Punkte und das Land mit dem besten Ergebnis 100 Punkte. Alle anderen Länder bekamen, je nach Abschneiden, Werte dazwischen. Seither werden die Punkte basierend auf diesen Ausgangswerten fortgeschrieben. Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Auch Bayern ist wie im Vorjahr auf Platz zwei, während Hamburg einen Platz aufrücken und den Vorjahresdritten Thüringen auf Platz vier verweisen konnte.

Die Spitzenreiter

Bei diesen Indikatoren stehen die Spitzenreiter besonders gut da:

Sachsen schneidet in fast allen der zwölf untersuchten Handlungsfelder sehr gut ab. Besondere Stärken hat der Freistaat jedoch in der Förderinfrastruktur (zum Beispiel im Akademisierungsgrad des Kita-Personals), der Schulqualität (etwa die Kompetenzen in Mathematik) und der Forschungsorientierung (unter anderem die eingeworbenen Drittmittel je Professor), hier belegt das Land jeweils Platz eins. Hinzu kommen zweite Plätze in Sachen Vermeidung von Bildungsarmut (zum Beispiel der Anteil der Schüler mit geringen Kompetenzen) und Internationalisierung (etwa der Anteil an Bildungsausländern an den Studierenden).

Bayern schaffte es im Bundesländer-Ranking 2021 bei der Vermeidung von Bildungsarmut und der Integration (unter anderem Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg) sowie bei der beruflichen Bildung auf Platz eins und erreichte in den Kategorien Schulqualität, Ausgabenpriorisierung (zum Beispiel die Relation von Bildungsausgaben pro Schüler zu den Gesamtausgaben öffentlicher Haushalte pro Einwohner), Inputeffizienz (unter anderem Ausgeglichenheit der Altersstruktur der Lehrkräfte) und Forschungsorientierung jeweils den zweiten Platz.

Hamburg landete bei den Handlungsfeldern Internationalisierung und Inputeffizienz jeweils auf dem ersten Platz. In Sachen Förderinfrastruktur reichte es für die Hanseaten für Platz zwei und bei der Zeiteffizienz (zum Beispiel Wiederholerquoten an Schulen) für Platz drei.

Die Schlusslichter

Auf den unteren Plätzen gab es 2021 ebenfalls wenig Veränderungen gegenüber 2020. Dort stehen wieder, nur in anderer Reihenfolge, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Bremen. Das Kurzprofil der drei Länder, die beim Bildungsmonitor 2021 am schlechtesten abschnitten:

Sachsen-Anhalt, Drittletzter im Bundesländer-Ranking, liegt in fünf der zwölf Handlungsfelder auf einem der drei letzten Plätze: Inputeffizienz, Ausgabenpriorisierung, Betreuungsbedingungen, Integration und Hochschule/MINT (zum Beispiel der Anteil der Hochschulabsolventen an der akademischen Bevölkerung).

Positiv hervorgehoben werden kann aber, dass das Land 2021 mit einem Plus von 2,5 Punkten gegenüber 2020 immerhin zusammen mit dem Saarland den größten Fortschritt aller Bundesländer erzielen konnte.

Brandenburg rangiert in drei der zwölf Kategorien jeweils auf dem letzten Platz – Forschungsorientierung, Hochschule/MINT und Zeiteffizienz. Und in der Kategorie berufliche Bildung (zum Beispiel die Zahl der Ausbildungsstellen in Relation zur Bevölkerungsgröße) reicht es nur für den vorletzten Platz.

Überdurchschnittlich schneidet das Bundesland dagegen bei der Integration (Platz zwei), der Internationalisierung (Platz drei) und der Vermeidung von Bildungsarmut (Platz vier) ab.

Bremen hält in den Kategorien Vermeidung von Bildungsarmut, Schulqualität und Integration die rote Laterne und erreicht bei der Aufgabenpriorisierung und der Förderinfrastruktur nur Platz 14.

Immerhin belegt die Hansestadt in dem Handlungsfeld Hochschule/MINT den ersten Platz und auf den Feldern Inputeffizienz und Betreuungsbedingungen (unter anderem die Schüler-Lehrer-Relation) die Ränge drei und vier.

Wo es bei der Bildungsqualität noch hakt

Über alle Bundesländer hinweg stagnieren die Ergebnisse in puncto Bildungsqualität seit einigen Jahren: Konnte sich Deutschland im Zeitraum 2004 bis 2009 noch um jahresdurchschnittlich 3,3 Punkte und von 2009 bis 2013 um immerhin noch 2,6 Punkte verbessern, waren es seitdem nur 0,1 Punkte pro Jahr.

Zwar gibt es in der Gesamtschau auch messbare Fortschritte (Grafik):

Die Internationalisierung, die Förderinfrastruktur und die Betreuungsbedingungen konnten seit 2013 punkten.

In diesen Handlungsfeldern des IW-Bildungsmonitors gab es zwischen 2013 und 2021 die größten Verbesserungen bzw. Verschlechterungen, Veränderung in Punkten Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Doch anderswo hakt es vielfach im Bildungswesen – und dieser Problemdruck wird durch die Folgen der Pandemie noch verstärkt:

Schulqualität. In dieser Kategorie geht es um die Kompetenzen der Schüler und Schülerinnen in Sachen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften. Internationale Vergleiche wie PISA, TIMSS und IGLU haben zwar gezeigt, dass sich die Leistungen des deutschen Nachwuchses nach dem PISA-Schock von 2000 zunächst deutlich verbessert haben, seit einigen Jahren stagnieren aber die Ergebnisse bestenfalls und am aktuellen Rand könnten die durchschnittlichen Kompetenzen wieder gesunken sein. Darauf deuten zumindest erste Studien hin: Demnach konnte der Fernunterricht den Ausfall des Präsenzunterrichts während der Corona-Pandemie nicht kompensieren und hat zu entsprechenden Lernverlusten geführt.

Für diesen Befund spricht auch die Einschätzung der Lehrerinnen und Lehrer, die das Meinungsforschungsinstitut Civey im Sommer 2021 befragt hat:

Fast jede zweite Lehrkraft in Deutschland gibt an, dass mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler im Schuljahr 2020/2021 gravierende Lernrückstände aufwiesen.

In die gleiche Kerbe schlagen die Erziehungsberechtigten: Die Mehrheit der Eltern mit schulpflichtigen Kindern war im Schuljahr 2020/2021 mit den Lernangeboten der Schulen unzufrieden.

Vermeidung von Bildungsarmut. Da leistungsschwache Schülerinnen und Schüler besonders stark von den Schulschließungen während der Pandemie betroffen sind, dürfte die Bildungsarmut zunehmen. Zudem zeigen erste Indikatoren, dass auf dem Ausbildungsmarkt das Angebot, vor allem aber auch die Nachfrage zurückgegangen ist und es deutlich weniger Möglichkeiten zur Berufsorientierung an den Schulen gab.

Integration. Der fehlende Präsenzunterricht geht vor allem zulasten von Kindern aus bildungsfernen Haushalten und mit Migrationshintergrund, sodass diese Gruppen weiter hinter ihre Mitschüler zurückfallen dürften.

Zudem sind die Unterschiede in den Bildungssystemen der Bundesländer nach wie vor groß:

Zwischen Spitzenreiter Sachsen und Schlusslicht Bremen liegen mehr als 27 Punkte.

Notwendige Bildungsimpulse

Damit sich die Bildungsungleichheit nicht weiter verschärft und Deutschland die großen Herausforderungen von Digitalisierung, Dekarbonisierung und den demografischen Wandel mit gut ausgebildeten Menschen angehen kann, sind spürbarere Bildungsimpulse notwendig. Dazu gehört vor allem:

Digitalisierung an Schulen voranbringen und MINT stärken. Die Schulen brauchen 20.000 zusätzliche IT-Stellen, die Lehrkräfte müssen in digitalen Technologien qualifiziert werden und es braucht intelligente Lernsoftware. Im MINT-Bereich müssen die Lehrkräfteversorgung gesichert und Angebote entlang der gesamten Bildungskette gemacht werden.

Corona-Aufholprogramm. Die Lernrückstände aufgrund der Pandemie müssen systematisch erfasst und dann durch Nachqualifizierungsprogramme aufgeholt werden. Hilfreich wären Mentoring-Programme und Lernangebote für die Ferien.

Darüber hinaus braucht Deutschland einen weiteren Ausbau der Ganztagsinfrastruktur an Kitas und Schulen und muss diese Einrichtungen auch qualitativ stärken – zum Beispiel durch mehr multiprofessionelle Teams, die die individuelle Förderung verbessern.

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