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Deutschland braucht zusätzliche Bildungsausgaben

Die Pandemie hat bei vielen Schülerinnen und Schülern zu Lernrückständen geführt. Das hat die Politik erkannt und ein 2 Milliarden Euro teures Aufholprogramm aufgelegt – doch insgesamt sind sehr viel mehr Maßnahmen nötig, meinen die beiden IW-Wissenschaftler und Bildungsmonitor-Autoren Christina Anger und Axel Plünnecke.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Schulschließungen während der Pandemie haben bei vielen Schülerinnen und Schülern zu Lernrückständen geführt.
  • Betroffen sind insbesondere jüngere und ärmere Kinder.
  • Das Aufholprogramm der Bundesregierung wird nicht reichen, diese Lücken zu schließen.
Zur detaillierten Fassung

Schon in den zurückliegenden Jahren hat der IW-Bildungsmonitor kaum Verbesserungen in den Bildungssystemen der Bundesländer feststellen können. Nun steht das deutsche Bildungssystem durch die Corona-Pandemie vor seiner größten Herausforderung seit Jahrzehnten.

Das Aufholprogramm der Bundesregierung und die Ergänzungen der Länder wirken wie ein Blindflug - es fehlt der systematische Überblick über die genauen Lernverluste.

Erste empirische Befunde zeigen, dass aufgrund der Schulschließungen bei vielen Schülerinnen und Schülern größere Lernlücken entstanden sind, wobei jüngere und ärmere stärker betroffen waren als ältere und reichere. Die Lücken fallen in Mathematik größer aus als im Lesen und Leistungsschwächere haben stärker unter der Umstellung auf den Distanzunterricht gelitten als Leistungsstärkere. Daher ist zu erwarten, dass die Corona-Krise in den kommenden Jahren auf einige Handlungsfelder des Bildungsmonitors negative Auswirkungen hat – insbesondere auf die Schulqualität, die Bildungsarmut und die Integration, was in der Folge Konsequenzen für die berufliche Bildung und die Hochschulen haben wird.

Überblick über die genauen Lernverluste nötig

Zwar hat die Bundesregierung bereits ein bundesweites „Aufholprogramm“ im Umfang von 2 Milliarden Euro verabschiedet, um Corona-Lernlücken zu schließen – 1 Milliarde für Nachhilfe, 1 Milliarde für Mentoring-Programme und sozialpädagogische Maßnahmen. Zusätzlich wollen die Länder das Nachhilfe-Programm in unterschiedlicher Form und Umfang ergänzen. Doch die Umsetzung wirkt wie in einem Blindflug.

Christina Anger und Axel Plünnecke sind Wissenschaftler am Institut der deutschen Wirtschaft und die Autoren des Bildungsmonitors Denn um zusätzliche Förderangebote sinnvoll planen und inhaltlich gestalten zu können, braucht es Vergleichsarbeiten und dadurch einen systematischen Überblick über die genauen Lernverluste. Und zwar aufgeschlüsselt nach Schulen, Schülergruppen, Kompetenzbereichen, Jahrgängen und weiteren sozioökonomischen Faktoren der Schülerinnen und Schüler. Erst auf dieser Basis können Förderprogramme effektiv umgesetzt werden.

In einem zweiten Schritt sollte die Infrastruktur an den Schulen ausgebaut werden, sodass Kinder und Jugendliche vor Ort stärker gefördert werden können. Aktuell fehlen rund 340.000 Betreuungsplätze für unter Dreijährige und 645.000 Plätze an Ganztagsgrundschulen bundesweit.

Darüber hinaus sollten an allen Schulen zusätzliche Stellen für Chancenbeauftragte geschaffen werden, die die zusätzlichen Fördermaßnahmen koordinieren.

Ferner hat die Corona-Krise gezeigt, dass die Digitalisierung an den Schulen vorangetrieben werden muss. Zusätzlich zur Umsetzung des Digitalpakts sollten die Lehrkräfte für den Einsatz digitaler Technologien im Unterricht besser qualifiziert und eine intelligente Lernsoftware entwickelt werden, die Schüler motiviert und individuell fördert. Um die IT-Administration sicherzustellen und die Lehrkräfte zu unterstützen, werden 20.000 zusätzliche IT-Kräfte an den Schulen benötigt.

Gezielte Investitionen können Bildungschancen verbessern

Insgesamt sind für all diese Maßnahmen zusätzliche jährliche Bildungsausgaben in Höhe von 16 bis 17 Milliarden Euro nötig. Mit diesen gezielten Investitionen können Bildungschancen verbessert werden und die in den kommenden Jahren zunehmenden Herausforderungen von Digitalisierung, Demografie und Dekarbonisierung – Stichwort: Innovationen – besser gemeistert werden.

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