EU-Schuldenregeln Lesezeit 2 Min.

Schuldenmachen weiter erlaubt

Die EU-Kommission hat beschlossen, den Stabilitätspakt 2023 noch nicht wieder in Kraft zu setzen. Damit dürfen sich die Mitgliedsstaaten weiterhin großzügig verschulden, ohne Ärger mit Brüssel zu bekommen. Das ist – angesichts des Kriegs in der Ukraine – eine nachvollziehbare Strategie, allerdings nur dann, wenn sie mit Reformen einhergeht.

Kernaussagen in Kürze:
  • Ende Mai hat die EU-Kommission vorgeschlagen, den ausgesetzten Stabilitätspakt nicht – wie ursprünglich geplant – Anfang 2023 wieder in Kraft zu setzen, sondern erst ein Jahr später.
  • Damit werden im kommenden Jahr elf der 19 Euroländer einen Schuldenstand von mehr als 60 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung haben – auch Deutschland
  • Das ist – angesichts des Kriegs in der Ukraine – eine nachvollziehbare Strategie, allerdings sollte die Pause bis 2024 auch dazu genutzt werden, den Stabilitätspakt zu reformieren.
Zur detaillierten Fassung

Der im Jahr 1997 eingeführte Stabilitätspakt begrenzt das jährliche Haushaltsdefizit auf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und die Gesamtverschuldung des Staates auf 60 Prozent des BIP. Vor zwei Jahren, zu Beginn der Corona-Pandemie, hatte die EU-Kommission entschieden, diese Regeln bis Ende 2022 nicht anzuwenden, damit die einzelnen EU-Staaten ihre Wirtschaft und die Bürger während der Krise besser unterstützen können.

Tatsächlich haben die meisten Mitgliedsländer der Eurozone während der Pandemie kräftig neue Schulden gemacht und die Mehrheit wird im Jahr 2023 die Marke von 60 Prozent reißen (Grafik):

Nach Prognosen der EU-Kommission werden im kommenden Jahr elf der 19 Euroländer einen Schuldenstand von mehr als 60 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung haben – auch Deutschland.

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Ende Mai hat die EU-Kommission vorgeschlagen, den ausgesetzten Stabilitätspakt nicht – wie ursprünglich geplant – Anfang 2023 wieder in Kraft zu setzen, sondern erst ein Jahr später. Hintergrund sind die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine: Hohe Energiepreise, Engpässe bei der Rohstoffversorgung und in den Lieferketten sowie vor allem ein drohender Ausfall der Gasversorgung führen nicht nur zu hohen Kaufkraftverlusten, sondern auch zu weiteren Angebotsengpässen in der Industrie.

Angesichts des Ukraine-Kriegs ist das Aussetzen des EU-Stabilitätpakts im Jahr 2023 eine nachvollziehbare Strategie, allerdings sollte dies mit Reformen einhergehen.

Deshalb und aufgrund der großen Unsicherheit ist es ein richtiger Schritt, die Aussetzung noch ein Jahr zu verlängern. Denn in der aktuellen Situation wäre es ökonomisch schädlich, insbesondere hoch verschuldete Euroländer wie Griechenland, Italien, Portugal, Spanien und Frankreich durch das Beharren auf den Schuldenregeln zu einer wachstumsdämpfenden Konsolidierung ihrer Staatshaushalte zu zwingen.

Allerdings sollte die Pause bis 2024 auch dazu genutzt werden, den Stabilitätspakt zu reformieren. Zwar kann die 60-Prozent-Grenze bestehen bleiben, doch hoch verschuldeten Staaten sollte nicht nur – wie heute – exakt 20 Jahre Zeit gegeben werden, um ihr Defizit entsprechend zu reduzieren, sondern die Anpassungszeit sollte flexibel gehandhabt werden.

Fehl am Platz sind auch Ausnahmen für staatliche (grüne) Investitionen – selbst dann, wenn sie in den klimafreundlichen Umbau fließen. Verschuldete Staaten hätten dadurch einen Anreiz, so viele Ausgaben wie möglich als ökologisch zu deklarieren. Doch auch grüne Schulden sind Schulden.

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