Der Informationsdienst
des Instituts der deutschen Wirtschaft

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Regionen Lesezeit 3 Min.

Ruhrgebiet im Stimmungstief

Gerade in Zeiten der Corona-Krise sind Zuversicht und Vertrauen wichtig. Im Ruhrgebiet sind diese Eigenschaften allerdings nur gering ausgeprägt. Warum das in der Region so ist, erforscht ein interdisziplinäres Forscherteam mit Wissenschaftlern aus dem IW und der Ruhr-Universität Bochum.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Menschen im Ruhrgebiet sind besorgter als die Bundesbürger insgesamt. So machten sich 2018 fast 47 Prozent der Revierbewohner große Sorgen über die Kriminalitätsentwicklung, im Bundesdurchschnitt waren es nicht ganz 38 Prozent.
  • Auch hinsichtlich der Zuwanderung, der allgemeinen wirtschaftlichen Situation und der eigenen Altersvorsorge sind die Sorgen der Menschen im Ruhrgebiet größer als im bundesweiten Durchschnitt.
  • Das gegenseitige Vertrauen ist im Ruhrgebiet ebenfalls geringer ausgeprägt als in anderen Landesteilen.
Zur detaillierten Fassung

„Woanders is auch scheiße!“ – der Titel des Bildbands aus den 1980er Jahren umschreibt im besten Ruhrpott-Deutsch, wie der jahrzehntelange Strukturwandel die Menschen im Ruhrgebiet geprägt und zusammengeschweißt hat. Dieses besondere Wir-Gefühl der Revierbewohner wird in der Corona-Krise nun wieder einmal auf die Probe gestellt. Dass Covid-19 auch die Menschen im Ruhrgebiet sehr bewegt, zeigt sich nicht zuletzt in den sozialen Medien:

Im März 2020 wurden rund 20 Prozent mehr Tweets mit Bezug aufs Ruhrgebiet abgesetzt als im gleichen Vorjahresmonat – und viele dieser Kurznachrichten drehten sich um das Thema Corona.

Schon vor der Pandemie war das Ruhrgebiet krisenerprobt: Die Herausforderungen sind in vielen Untersuchungen belegt worden, so stufte die IW-Regionalstudie vom Herbst 2019 alle Teilregionen des Ruhrgebiets als wirtschaftlich gefährdet ein.

Die Bevölkerung im Ruhrgebiet macht sich größere Sorgen als die Bundesbürger insgesamt, auch das Verhalten ihrer Mitmenschen beurteilen die Menschen im Revier kritischer.

Welche subjektiven Sorgen und Einstellungen die Menschen dort haben, zeigt eine aktuelle IW-Studie anhand regionaler Daten des Sozio-oekonomischen Panels:

Die Bevölkerung im Ruhrgebiet machte sich schon vor der Corona-Pandemie häufiger große Sorgen als die Bundesbürger insgesamt – und auch als der Durchschnitt der übrigen NRW-Bürger.

Vor allem die Entwicklung der Strafdelikte ängstigt viele Menschen im Revier (Grafik):

Im Bundesdurchschnitt machen sich knapp 38 Prozent der Menschen große Sorgen wegen der Kriminalitätsentwicklung in Deutschland, im Ruhrgebiet sind es annähernd 47 Prozent.

So viel Prozent der Bevölkerung machten sich im Jahr 2018 große Sorgen hinsichtlich folgender Entwicklungen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Auch wegen der Zuwanderung nach Deutschland zeigen sich die Menschen im Ruhrgebiet mit 36 Prozent besorgter als im übrigen NRW, wo dies lediglich 27 Prozent der Menschen sehr beunruhigt.

Sorge um den Arbeitsplatz treibt viele um

Die Sorgen um den Arbeitsplatz bewegen sich zwar auf einem deutlich niedrigeren Niveau, gleichwohl treibt dieses Thema im Ruhrgebiet mehr als doppelt so viele Menschen um wie im übrigen NRW oder in Deutschland insgesamt.

Lediglich bei Umwelt- und Klimathemen gibt es kaum Unterschiede zwischen dem Ruhrgebiet und dem übrigen NRW, wobei sich die Menschen in NRW insgesamt merkbar größere Sorgen um das Klima machen als die Bundesbürger insgesamt.

Für das Wir-Gefühl der Region ist vor allem das gegenseitige Vertrauen von Bedeutung. Der Frage, ob man den Menschen im Allgemeinen vertrauen könne, stimmen im Ruhrgebiet gleichwohl mit 61 Prozent erkennbar weniger Menschen zu als im Bundesdurchschnitt, wo dies 68 Prozent bejahen.

Besonders kritisch beurteilt die Bevölkerung im Revier das Verhalten ihrer Mitmenschen (Grafik):

Im Ruhrgebiet haben nur knapp 40 Prozent der Menschen das Gefühl, dass „die Leute die meiste Zeit versuchen, hilfsbereit zu sein“. Die übrigen 60 Prozent teilen eher die Einschätzung, dass ihre Mitmenschen überwiegend eigene Interessen verfolgen.

So viel Prozent der Bevölkerung finden, dass andere Leute die meiste Zeit versuchen, hilfsbereit zu sein, bzw. nur ihr eigenen Interessen verfolgen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Im übrigen NRW stimmt jeweils die Hälfte der Bevölkerung beiden Aussagen zu. Im Bundesdurchschnitt haben immerhin 47 Prozent der Menschen das Gefühl, die meisten verhielten sich eher hilfsbereit.

Hängt die grundsätzlich größere Besorgtheit im Ruhrgebiet mit der dortigen Bevölkerungsstruktur zusammen? Schließlich sind im Revier mehr Menschen arbeitslos, auch der Anteil von Menschen mit niedrigen Einkommen ist relativ hoch. Regressionsanalysen zeigen jedoch, dass die Sorgen und das Misstrauen gegenüber Mitmenschen selbst dann im Ruhrgebiet signifikant höher ausfallen als im Bundes- und NRW-Schnitt, wenn Menschen mit ähnlichen sozio-ökonomischen Eigenschaften verglichen werden.

Sorgen und Misstrauen sind schlechte Ratgeber in Krisenzeiten

Das verunsicherte Ruhrgebiet geht der aktuellen Corona-Krise somit unter schwierigen Voraussetzungen entgegen. Sorgen und Misstrauen sind insbesondere in Krisensituationen, in denen es Solidarität und Zukunftsperspektiven braucht, schlechte Ratgeber. Ob die Ruhrgebietsbewohner in Zeiten der Corona-Pandemie eher zusammenrücken oder das Misstrauen die Gesellschaft spaltet, untersucht derzeit ein interdisziplinäres Team der Ruhr-Universität Bochum und des Instituts der deutschen Wirtschaft im Rahmen des von der Brost-Stiftung geförderten Kooperations- und Gestaltungsprojekts „Ein neuer Gesellschaftsvertrag in Zeiten sozialer Fragmentierung – Gestaltungsoptionen für das Ruhrgebiet“. Die Ergebnisse sollen im Jahr 2021 auf einer interaktiven Beteiligungsplattform präsentiert werden.

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