Regionalentwicklung: Die neuen Aufsteiger
Bayern dominiert weiterhin den Niveauvergleich des Regionalrankings der IW Consult, vor allem am Großraum München führt wirtschaftlich kein Weg vorbei. Viele Städte und Kreise im bislang eher schwachen Westen und Norden Deutschlands haben sich in den vergangenen zwei Jahren allerdings sehr dynamisch entwickelt und holen auf.
- Der Landkreis München belegt erneut den ersten Platz im Niveauvergleich des IW-Regionalrankings. Insgesamt liegen acht der zehn Spitzenplätze in Bayern.
- Die Dominanz des Freistaats wird lediglich vom Großraum Frankfurt am Main durchbrochen, der sich mit dem Main-Taunus-Kreis und dem Hochtaunuskreis auf den Rängen zwei beziehungsweise acht als zweitstärkste deutsche Wirtschaftsregion etablieren kann.
- Am dynamischsten aller deutschen Städte und Kreise entwickelt sich Kiel – die Hafenstadt verbesserte sich im Vergleich zum IW-Regionalranking 2020 um 123 Plätze.
Im Süden nichts Neues: Wie bereits in den vergangenen Jahren belegt der Landkreis München – also jener Landkreis, der im Norden, Osten und Süden die Stadt München umschließt – den ersten Platz im Niveauvergleich des IW-Regionalrankings. Das Ranking untersucht und bewertet den Erfolg aller 400 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland anhand der Wirtschaftsstruktur, des Arbeitsmarktes und der Lebensqualität.
Der Landkreis München punktet vor allem mit exzellenten Bedingungen für die lokale Wirtschaft. Das ermöglicht eine hohe Kaufkraft und eine geringe Arbeitslosigkeit. Die räumliche Nähe zu Universitäten und ein hoher Anteil an wissensintensiven Dienstleistungen wie Forschung oder Wirtschaftsprüfung führen dazu, dass viele Beschäftigte hochqualifiziert sind und die Beschäftigungsquote von Frauen über dem bundesweiten Durchschnitt liegt. Zudem profitiert das Gebiet von einer niedrigen Gewerbesteuer, einer hohen Steuerkraft und einem positiven Saldo aus Gewerbean- und -abmeldungen.
Wie groß die Vormachtstellung des Großraums München ist, zeigen die weiteren Spitzenplätze (Grafik):
Neben dem Landkreis München landen auch die Stadt München, der angrenzende Landkreis Starnberg sowie die Landkreise Miesbach und Ebersberg in den Top Ten des aktuellen IW-Regionalrankings.
Insgesamt liegen acht der zehn Spitzenplätze in Bayern. Die Dominanz des Freistaats wird lediglich vom Großraum Frankfurt am Main durchbrochen, der sich mit dem Main-Taunus-Kreis und dem Hochtaunuskreis auf den Rängen zwei beziehungsweise acht als zweitstärkste deutsche Wirtschaftsregion etablieren kann und durch einen florierenden Arbeitsmarkt und eine leistungsfähige Wirtschaftsstruktur, getragen vor allem durch den starken Finanzsektor, überzeugt.
Die Stadt Frankfurt selbst verpasst auf Platz zwölf knapp den Sprung in die Top Ten – vor allem aufgrund leichter Abstriche im Bereich der Lebensqualität: Viele 30- bis 50-Jährige wandern aus der Region ab, die Zahl der Straftaten ist überdurchschnittlich hoch, es fehlt an naturnahen Flächen und die Stadt ist hoch verschuldet.
Der Landkreis München belegt erneut den ersten Platz im Niveauvergleich des IW-Regionalrankings. Das Dynamikranking führt Kiel an, das vor zwei Jahren noch zu den Schlusslichtern zählte.
Regionale Gruppen lassen sich aber nicht nur im vorderen Bereich des Rankings erkennen, sondern auch am Ende: Mit Oberhausen, Herne, Duisburg und Gelsenkirchen werden vier der letzten zehn Ränge von Ruhrgebietsstädten belegt, Norddeutschland ist mit Delmenhorst, Neumünster, Wilhelmshaven und Bremerhaven ebenfalls viermal vertreten.
Kiel führt das Dynamikranking an
Dass die Platzierungen aber nicht in Stein gemeißelt sind, sondern sich auch bislang ökonomisch schwache Regionen verbessern können, zeigt das Dynamikranking, das die wirtschaftliche Entwicklung der Regionen in den jüngsten zwei Jahren betrachtet:
Am dynamischsten aller deutschen Städte und Kreise entwickelt sich Kiel – die Hafenstadt verbesserte sich im Vergleich zum IW-Regionalranking 2020 um 123 Plätze.
Vor zwei Jahren gehörte Kiel auf Platz 390 noch zu den Schlusslichtern – zahlreiche Investitionen haben die Strahlkraft des Standorts seitdem aber deutlich erhöht. So weist die Stadt die höchste Steigerung der Lebensqualität auf und kann auch bei den Gewerbeansiedlungen punkten. Vielversprechende Stadt-entwicklungsprojekte, die neue und zukunftsfähige Orte zum Wohnen, Arbeiten und Leben schaffen, lassen den Wirtschaftsstandort zudem attraktiver werden.
Insgesamt landen viele Städte und Landkreise im Westen und Norden sowie der Großraum Berlin-Brandenburg auf den vorderen Plätzen des Dynamikrankings –Regionen, die wie Kiel in vorherigen Niveaurankings eher hinten zu finden waren. Aufgrund des niedrigen Ausgangsniveaus bieten sie besonders viel Potenzial für wirtschaftlichen Aufschwung. Neben Kiel sind auch zwei Städte im Ruhrgebiet besonders stark im Kommen (Grafik):
Wuppertal und Dortmund zählen trotz vieler wirtschaftlicher Probleme zu den dynamischsten Regionen Deutschlands.
Die beiden Städte belegen zwar nur Rang 378 beziehungsweise 364 im Niveauranking, punkten als Aufsteigerregionen aber unter anderem mit dem bundesweit stärksten Rückgang der privaten Verschuldung der Einwohner sowie damit, dass die Bevölkerung weniger stark altert als anderswo.
Dagegen haben mehrere süddeutsche Regionen im Laufe der Corona-Pandemie viel von ihrem früheren wirtschaftlichen Schwung verloren – drei der zehn am wenigsten dynamischen Regionen liegen sogar im sonst so starken Bayern.
Einnahmen aus Gewerbesteuer brechen ein
Es ist allerdings wahrscheinlich, dass es sich dabei eher um temporäre Effekte der Corona-Pandemie handelt. Häufig ist das schwache Abschneiden im Dynamikranking auf die coronabedingten Ausfälle der Gewerbesteuer zurückzuführen, der wichtigsten Einnahmequelle für die Finanzhaushalte der Kreise und Kommunen: Im Jahr 2020 sanken die Einnahmen aus der Gewerbesteuer bundesweit um 10,1 Milliarden Euro, das entsprach einem Verlust von rund 18 Prozent gegenüber dem Vorjahresniveau.
Ohne neuerliche Lockdowns und andere Einschränkungen, die der Pandemie zuletzt zuzuschreiben waren, dürften die Gewinne der Unternehmen aber wieder steigen und die Gewerbesteuereinnahmen damit auf das ursprüngliche Niveau zurückkehren. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die aktuellen Probleme in den internationalen Lieferketten infolge der Pandemie und des Ukraine-Kriegs gemeistert werden können.