Präsidentschaftswahl in Frankreich: Macron zum Zweiten?
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat in den vergangenen fünf Jahren vieles richtig gemacht: Er hat die Wirtschaft angekurbelt, die Arbeitslosigkeit gesenkt und Investitionen angestoßen. Die regionale Ungleichheit ist allerdings auch während Macrons Amtszeit weiter gestiegen und spaltet die 68 Millionen Französinnen und Franzosen tendenziell in eine teils abgehängte ländliche Bevölkerung und eine urbane Elite.
- In Frankreich wird im April eine neue Regierung gewählt. Insgesamt stehen zwölf Kandidaten zur Wahl.
- Die größten Chancen werden Amtsinhaber Emmanuel Macron von der LREM eingeräumt. Sein Wahlprogramm steht unter dem Motto: mehr Unabhängigkeit.
- Macrons Regierungsbilanz fällt überwiegend positiv aus: Während seiner Amtszeit ist die Arbeitslosigkeit auf ein Rekordtief gesunken, zudem wurde Frankreich als Investitionsstandort attraktiver.
Nach zwei Corona-Jahren und mehreren Wochen Ukraine-Krieg ist das Wahlkampfmotto des amtierenden französischen Präsidenten, der im April ein zweites Mal gewählt werden will, nachvollziehbar: mehr Unabhängigkeit. Emmanuel Macron, der vor fünf Jahren mit seiner neu gegründeten Partei „La République En Marche“ (LREM) als bislang jüngstes Staatsoberhaupt in den Élysée-Palast einzog, will deshalb die Rüstungsausgaben Frankreichs von knapp 41 Milliarden Euro auf 50 Milliarden Euro anheben und die Zahl der Reservisten verdoppeln.
In der Energieversorgung will er ebenfalls unabhängiger werden. Geplant ist, zehnmal mehr Solarenergie als bislang zu produzieren und die Zahl der Atomkraftwerke um bis zu 14 neue Reaktoren aufzustocken. Auch in Ernährungsfragen soll die Republik künftig autarker sein – indem der Bioanbau stärker gefördert und mehr Nahrungsmittel lokal produziert werden. Und in Schlüsselindustrien will Macron strategische Reserven anlegen, um besser vor Unterbrechungen und Störungen in den internationalen Lieferketten geschützt zu sein.
Es spricht viel für eine zweite Amtszeit Emmanuel Macrons, da seine Bilanz in wirtschaftlicher Hinsicht überwiegend gut ausfällt: Die Arbeitslosigkeit ist stark zurückgegangen, Steuern wurden gesenkt und die ausländischen Direktinvestitionen stiegen.
Dann bleiben da noch die Projekte, die Macron während seiner ersten Legislatur nicht umzusetzen vermochte: die schrittweise Anhebung des Rentenalters beispielsweise – von aktuell 62 auf 65 Jahre. Auch die unzähligen Rentenkassen sowie die Sozialhilfe will der französische Präsident laut Wahlprogramm künftig vereinheitlichen. Ein weiterer Schwerpunkt ist dem Schulwesen gewidmet: Lehrerinnen und Lehrer sollen in Zukunft besser bezahlt und die Schulen autonomer werden – sowohl bezüglich des Unterrichts als auch mit Blick auf die Auswahl des Lehrpersonals.
In Umfragen liegt Macron aktuell mit rund 27 Prozent der Wählerstimmen vorn, seine elf Herausforderer – sieben Männer, vier Frauen – kommen auf deutlich niedrigere Zustimmungswerte. Aufholen konnte zuletzt nur die Rechtspopulistin Marine Le Pen, die in Umfragen Ende März auf 20 Prozent zulegte. Es spricht also viel für eine zweite Amtszeit, zumal Macrons Bilanz in wirtschaftlicher Hinsicht überwiegend gut ausfällt (Grafik):
Die Arbeitslosenquote in Frankreich lag 2021 bei 8 Prozent, inzwischen erreicht sie mit rund 7 Prozent einen Tiefstand wie zuletzt 2009 – und das inmitten einer Pandemie.
Die Arbeitsmarktreformen, Steuersenkungen sowie weitere wachstumsfördernde Maßnahmen haben außerdem dazu geführt, dass die französische Wirtschaft in den Jahren 2018 und 2019 schneller wuchs als die deutsche. Zudem wurde Frankreich als Investitionsstandort attraktiver: 2019 und 2020 verzeichnete das Land mehr Investitionen aus dem Ausland als die Bundesrepublik.
Viel bewegt hat Macron auch auf europäischer Ebene. Dass der Wiederaufbaufonds, den die EU 2020 aufgelegt hat und der erstmals mittels gemeinsamer europäischer Schulden finanziert wird, zustande kam, ist dem französischen Staatspräsidenten zuzuschreiben. Ihm gelang es, jahrzehntelange deutsche Vorbehalte gegenüber Gemeinschaftsschulden zu überwinden.
Ein Problem: Die hohe Staatsverschuldung
Als problematisch könnte sich indes die Staatsverschuldung Frankreichs erweisen: Sie ist auf 115 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen und schränkt damit die Handlungsfähigkeit des Staates ein. Auch deshalb ist der Wiederaufbaufonds für das Land besonders wichtig, denn Frankreich dürfte rund 40 Milliarden Euro Direkthilfen aus diesem EU-Programm erhalten.
Ein Teil dieses Geldes soll auch den ländlichen Regionen Frankreichs zugutekommen. Und das ist bitter nötig, denn die Hauptstadtregion dominiert das Land nicht nur politisch: Würde man die Île-de-France – also den Ballungsraum Paris – von der gesamten Wirtschaftsleistung Frankreichs abziehen, fiele das landesweite Bruttoinlandsprodukt je Einwohner um rund 15 Prozent niedriger aus. Zum Vergleich: Würde man Berlin aus der deutschen Statistik herausnehmen, bliebe die Wirtschaftskraft pro Kopf praktisch unverändert.
Wachsende Kluft zwischen Stadt und Land
Die Wirtschaftskraft in den übrigen 21 französischen Regionen (ohne Überseeterritorien) ist nicht nur geringer als in und um Paris herum, die Kluft hat sich seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 auch noch stark vergrößert (Grafik):
Von 2007 bis 2020 wuchs das kaufkraftbereinigte Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in der reichsten Region Frankreichs, Île-de-France, um 22 Prozent – in der ärmsten Region, Lorraine, dagegen nur um 3 Prozent.
Dass das Leben auf dem Land in Frankreich häufig so unattraktiv ist, hat viele Ursachen: Anders als im ländlichen Raum in Deutschland fehlt es in der Bretagne oder im Elsass an Hidden Champions, also Unternehmen, die auf dem Weltmarkt eine bedeutende Rolle spielen und den jeweiligen Gemeindekassen ordentlich Geld zuführen. In Kombination mit der geringen Bevölkerungsdichte führt dies dazu, dass beispielsweise das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln in vielen Départements höchst unzureichend ist. Auch die Grundversorgung durch Landärzte ist mitunter dermaßen schlecht, dass sich in Frankreich der Begriff der déserts médicaux, der medizinischen Wüsten, herausgebildet hat.