Staatsverschuldung Lesezeit 3 Min.

Neuverschuldung ist verkraftbar

Nach Jahren der schwarzen Null und Milliardenüberschüssen in den öffentlichen Kassen ist eine Neuverschuldung aufgrund der Corona-Krise für die Bundesrepublik unausweichlich. Dank der bis zuletzt positiven Finanzentwicklung ist der Staat dafür aber gut gerüstet.

Kernaussagen in Kürze:
  • Bund, Länder und Gemeinden rechnen damit, im laufenden Jahr auf mehr als 82 Milliarden Euro eingeplanter Steuereinnahmen verzichten zu müssen.
  • Um auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie einzudämmen, benötigt Deutschland für das Jahr 2020 schätzungsweise 260 Milliarden Euro zusätzlich.
  • Je nachdem wie stark die Wirtschaftsleistung in Deutschland schrumpft, könnte die Staatsschuldenquote in diesem Jahr damit auf bis zu 80 Prozent steigen.
Zur detaillierten Fassung

Man hatte sich schon fast an die fetten Jahre gewöhnt, in denen die deutsche Wirtschaft einen Wachstumsrekord nach dem anderen verzeichnete. Mit der Corona-Pandemie hat sich dies schlagartig geändert: Kurzarbeitergeld, unbegrenzte Kredite, Soforthilfen – in den vergangenen Wochen hat die Bundesregierung im Rekordtempo beispiellose Hilfsmaßnahmen verabschiedet. Damit steht der Finanzpolitik eine Zeitenwende bevor, in der die Kosten der Corona-Krise die Nettoneuverschuldung des Bundes in ungewohnte Höhen treiben werden.

Steuereinkünfte brechen weg

Dafür sind nicht nur die zusätzlichen Ausgaben verantwortlich, sondern auch die wegbrechenden Einnahmen. So rechnen Bund und Länder mit jeweils rund 10 Prozent weniger Steuereinnahmen für das laufende Jahr, wodurch sie jeweils auf etwa 34 Milliarden Euro verzichten müssten. Prozentual noch mehr Einbußen als Bund und Länder könnten die Kommunen haben, da die Gewerbesteuer fast die Hälfte der kommunalen Steuereinkünfte ausmacht. Und dass diese wegbricht, ist wahrscheinlich – wie der Blick zurück auf das Krisenjahr 2009 zeigt: Damals gingen die Gewerbesteuereinnahmen um 21 Prozent zurück. Dagegen schrumpften die Einnahmen aus Einkommen- und Umsatzsteuer, die zwei Drittel der Steuereinkünfte von Bund und Ländern ausmachen, nur um gut 3 Prozent.

Sollten die gesamten Steuereinbußen der Kommunen jetzt erneut stärker ausfallen als jene von Bund und Ländern, würde das ein Loch von rund 15 Milliarden Euro in die Gemeindekassen reißen.

Bund, Länder und Gemeinden müssten damit im laufenden Jahr auf mehr als 82 Milliarden Euro eingeplanter Steuereinnahmen verzichten.

Gleichzeitig sind enorme Ausgaben zur Eindämmung der Pandemie und zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen erforderlich. Für das laufende Jahr hat der Bund bereits in einem Nachtragshaushalt 122,5 Milliarden Euro gebilligt. Hinzu kommen die zusätzlichen Ausgaben der Länder, die sich derzeit auf ungefähr 51 Milliarden Euro summieren. Auch für die Kommunen ist zumindest noch mit einem mittleren einstelligen Milliardenbeitrag zu rechnen – obwohl das Gros der Ausgaben von Bund und Ländern erstattet wird. Damit muss der Staat tief in die Tasche greifen (Grafik):

Deutschland benötigt für das Jahr 2020 wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie schätzungsweise 260 Milliarden Euro zusätzlich.

Voraussichtlicher Finanzierungsbedarf Deutschlands im Jahr 2020 durch die Corona-Pandemie in Milliarden Euro Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

In den Finanzierungsrahmen eingerechnet sind auch gestundete Steuern für 2020 – die aber im nächsten Jahr bezahlt werden müssen. Das Kurzarbeitergeld, das aus der Arbeitslosenversicherung finanziert wird, bleibt in dieser Rechnung allerdings unberücksichtigt – ebenso wie mögliche Finanzierungsdefizite der Sozialversicherungsträger.

Je nachdem wie stark die Wirtschaftsleistung in Deutschland schrumpft, könnte die Staatsschuldenquote in diesem Jahr auf bis zu 80 Prozent steigen.

Somit wird die Schuldenquote – also das Verhältnis von Schuldenstand zu Bruttoinlandsprodukt – bis zum Jahresende hochschnellen. Um wie viel, ist allerdings davon abhängig, wie stark das Bruttoinlandsprodukt sinkt (Grafik):

Schrumpft die Wirtschaftsleistung um 5 Prozent und berücksichtigt man die im Rahmen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds erteilten Kreditermächtigungen, könnte die deutsche Staatsschuldenquote im Jahr 2020 auf rund 75 Prozent steigen.

Mögliche Auswirkungen der Corona-Krise auf die Staatsverschuldung im Jahr 2020 Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Zum Vergleich: Im Jahr 2019 erfüllte die Schuldenquote mit rund 60 Prozent noch das Maastricht-Kriterium.

Bei einem stärkeren wirtschaftlichen Einbruch – zum Beispiel um 10 Prozent – könnte die Schuldenquote sogar auf bis zu 80 Prozent steigen. Verursacht würde das durch weitere fiskalische Belastungen, beispielsweise durch stärker einbrechende Steuereinnahmen. Diese würden höhere Schulden mit sich bringen und die Quote nach oben treiben.

Staat kann Neuverschuldung stemmen

Doch wie gravierend wäre eine Neuverschuldung in dieser Höhe? Eine Schuldenquote von 75 Prozent oder mehr würde zwar die Stabilisierung der öffentlichen Haushalte um einige Jahre zurückwerfen. Allerdings wären diese auch dann immer noch in einem besseren Zustand als nach der Finanzkrise. Somit macht sich die solide Finanzpolitik der vergangenen Jahre jetzt bezahlt – der Staat verfügt über eine große Handlungsfähigkeit. Dies gilt allerdings nur, wenn sich das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben im Laufe des Jahres wieder normalisiert und die Krise nicht über 2020 hinausreicht.

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