Staatshilfen Lesezeit 5 Min.

Mit Krediten gegen die Corona-Krise

Der Ausbruch des Coronavirus hat die deutsche Wirtschaft auf allen Ebenen getroffen. Der Staat versucht mit dem größten Hilfspaket der Geschichte, möglichst viele Unternehmen und Selbstständige vor der Pleite zu retten. Doch insbesondere Mittelständler mit bis zu 250 Mitarbeitern könnten durchs Raster fallen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die Bundesregierung will die Folgen der Corona-Krise für Unternehmen und Selbstständige mit einem großen Hilfspaket abfangen.
  • Mittelständler könnten dabei allerdings leer ausgehen.
  • Vor allem direkte staatliche Transfers, etwa in Form einer rückwirkenden Steuersenkung für 2019, könnten diese Mittelstandslücke schließen.
Zur detaillierten Fassung

Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen und dadurch den Gesundheitssektor vor einer Überlastung zu bewahren, hat die Regierung der Wirtschaft massive Einschränkungen auferlegt. Ob in der Gastronomie, dem Kultursektor oder der Industrie – überall mussten Betriebe vorübergehend schließen. Fixkosten wie Mieten und Gehälter laufen aber unvermindert weiter, sodass viele über kurz oder lang in finanzielle Schwierigkeiten geraten werden. Dem will die Regierung entgegenwirken und hat ein beispielloses Hilfsprogramm auf die Beine gestellt:

Der „Corona-Schutzschild“ für Deutschland umfasst 156 Milliarden Euro. Ziel ist es, die Wirtschaft zu stabilisieren und Einkommensausfälle für Beschäftigte, Selbstständige und kleine Betriebe auszugleichen.

Im Schutzschild enthalten sind 50 Milliarden Euro Soforthilfe für Kleinstbetriebe, Solo-Selbstständige und Freiberufler (Grafik).

Beschlossene Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Für Betriebe mit bis zu fünf Beschäftigten gibt es vom Staat eine finanzielle Hilfe von bis zu 9.000 Euro für eine Dauer von drei Monaten. Für Unternehmen mit maximal zehn Beschäftigten können diese Zuschüsse auf 15.000 Euro für drei Monate steigen. Der Antragsteller muss dabei versichern, dass die Soforthilfe durch die Corona-Maßnahmen notwendig geworden ist. Die Auszahlung ist Sache der Bundesländer. Die Zuschüsse müssen nicht zurückgezahlt werden

Als zweite Maßnahme hat die Regierung den 600 Milliarden Euro schweren Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) geschaffen.

Dieser Fonds soll Liquiditätsengpässe beseitigen, die Refinanzierung am Kapitalmarkt unterstützen und unter Umständen das Eigenkapital von Unternehmen stärken. Der Fonds beinhaltet 400 Milliarden Euro für Bürgschaften, 100 Milliarden Euro für direkte staatliche Beteiligungen und 100 Milliarden Euro zur Refinanzierung bestehender Programme der Förderbank KfW.

Ein Fonds für die Wirtschaft

Der WSF zielt vor allem auf größere Unternehmen ab, da er an drei Bedingungen gekoppelt ist, von denen ein Unternehmen mindestens zwei erfüllen muss:

• eine Bilanzsumme von mehr als 43 Millionen Euro,

• mehr als 50 Millionen Euro Umsatz im Jahr,

• mehr als 249 Beschäftigte im Jahresdurchschnitt.

Der Fonds richtet sich zusätzlich an Start-ups, denen seit 2017 in mindestens einer abgeschlossenen Finanzierungsrunde ein Unternehmenswert von mindestens 50 Millionen Euro attestiert wurde, an systemrelevante kleinere Betriebe sowie an Unternehmen im Bereich der kritischen Infrastruktur. Welche Betriebe das sind, ist aber unklar, da es in Deutschland bislang kein entsprechendes Register gibt.

Mit der Möglichkeit, sich vorübergehend an den Unternehmen zu beteiligen, will der Staat verhindern, dass es zu einem Ausverkauf deutscher Wirtschafts- und Industriebetriebe kommt – und damit auch zu einem Verlust an Wissen.

Bei den staatlichen Corona-Hilfen gibt es eine Art Mittelstandslücke.

Die Bundesregierung greift beim WSF auf den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) zurück, der bereits in der Finanzkrise 2008 funktioniert hat. Im Gegensatz zum SoFFin steht der WSF allerdings für Unternehmen der Realwirtschaft ein und ausdrücklich nicht für die Finanzindustrie.

Der Staat steckt aber in der Corona-Krise nicht nur Geld in die Wirtschaft, sondern setzt auch auf steuerliche Erleichterungen:

Unternehmen, Selbstständigen und Freiberuflern können Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie die Umsatzsteuer zinsfrei gestundet werden.

Außerdem können sie die Höhe ihrer Vorauszahlungen auf Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie den Messbetrag für Gewerbesteuer-Vorauszahlungen anpassen lassen.

Auch bei ausstehenden Zahlungen kommt der Staat der Wirtschaft entgegen. Auf Vollstreckungen von überfälligen Einkommen-, Körperschaft- oder Umsatzsteuern wird vorerst verzichtet, Säumniszuschläge, die in dieser Zeit gesetzlich anfallen, sollen erlassen werden.

Um die Arbeitsplätze in Deutschland zu schützen, wurde zudem der Zugang zum Kurzarbeitergeld rückwirkend zum 1. März 2020 erleichtert.

Sind in einem Unternehmen mindestens 10 Prozent der Beschäftigten von Arbeitsausfall betroffen, kann die Firma für bis zu zwölf Monate Kurzarbeitergeld beantragen. Kurzarbeitende erhalten 60 Prozent des ausgefallenen Nettoentgelts, für Beschäftigte mit mindestens einem Kind steigt der Satz auf 67 Prozent. Unternehmen können darüber hinaus aufstocken.

In der Metall- und Elektro-Industrie haben die Tarifparteien gerade vereinbart, dass der Betrieb 350 Euro je Vollzeitbeschäftigten in einen Topf einzahlt, aus dem von der Kurzarbeit besonders betroffene Mitarbeiter eine Unterstützung bekommen können.

Die Forderung der Gewerkschaften, Arbeitgeber sollten flächendeckend das Kurzarbeitergeld aufstocken, widerspricht aber dem eigentlichen Charakter des Kurzarbeitergelds, nämlich durch Entlastung der Arbeitgeber Arbeitsplätze zu sichern.

Viele Mittelständler gehen leer aus

Trotz der zahlreichen Maßnahmen durch den Staat gibt es bestimmte Unternehmen, die deutlich weniger unterstützt werden als andere. Dies lässt sich am Beispiel der M+E-Industrie verdeutlichen (Grafik):

Mehr als 88 Prozent der M+E-Betriebe in Deutschland beschäftigen zwischen 20 und 249 Mitarbeiter – und profitieren daher nicht von der Soforthilfe für kleine Betriebe bis zehn Beschäftigte.

Betriebe in der Metall- und Elektro-Industrie nach Größenklassen im September 2018, Anteile in Prozent Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Sie kommen in aller Regel auch nicht an Hilfen aus dem Wirtschaftsstabilitätsfonds heran. Da sie weniger als 250 Mitarbeiter haben, müssten sie die anderen beiden Kriterien erfüllen. Doch legt man den durchschnittlichen Umsatz je Mitarbeiter von 295.000 Euro aus dem Jahr 2018 zugrunde, bräuchte ein Betrieb 170 Mitarbeiter, um die Marke von 50 Millionen Euro Umsatz zu überschreiten. Der tatsächliche Wert dürfte noch höher liegen, da die großen Autobauer den Schnitt nach oben ziehen.

Insgesamt gibt es bei den staatlichen Hilfen also eine Art Mittelstandslücke.

Kredite sind für die mittelgroßen Unternehmen keine sinnvolle Alternative. Sie erhöhen über die Zinslast den Verschuldungsgrad und somit das Insolvenzrisiko mittelständischer Unternehmen. Spannt man den Bogen weiter auf eine zukünftige Exit-Strategie, wären diese Unternehmen bei einem Neustart belastet. Direkte Transfers und eigenkapitalbildende Maßnahmen sollten deshalb nicht nur für Kleinstbetriebe und Selbstständige gelten, sondern auch für Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern.

Vor allem direkte staatliche Transfers könnten die Mittelstandslücke schließen. Denkbar wäre etwa eine rückwirkende Steuersenkung für 2019, die jetzt als eine Art negative Einkommensteuer an die Unternehmen ausgeschüttet würde.

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