Maßnahmenmix zur Krisenbewältigung
Um der schwächelnden Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen, diskutiert die Politik über Konjunkturmaßnahmen. Unter den Vorschlägen sind auch Konjunkturimpulse mit klimaschonender Wirkung. Denn diese würden der deutschen Wirtschaft nicht nur aus der gegenwärtigen Krise helfen, sondern sie auch für die nächste rüsten.
- Um der Wirtschaft aus der Corona-Krise zu helfen, plant die Bundesregierung ein Konjunkturprogramm – unter den Vorschlägen sind auch Impulse mit klimaschonender Wirkung.
- Der Ansatz ist richtig, denn es ist sehr wahrscheinlich, dass die momentan niedrigeren Emissionen wieder steigen, sobald die Wirtschaft an Fahrt gewinnt.
- Ein kurzfristiges Konjunkturprogramm in Kombination mit einem mittel- bis langfristigen Wachstumsprogramm wäre optimal. Es würde der deutschen Wirtschaft nicht nur aus der gegenwärtigen Krise helfen, sondern sie auch für die nächste rüsten.
Die von der Corona-Pandemie geplagte Volkswirtschaft muss wieder an Fahrt gewinnen. So weit sind sich alle einig. Weniger Konsens gibt es darüber, was konkret in dem für Anfang Juni angekündigten Konjunkturprogramm stehen soll. Steuersenkungen, Abwrackprämien, Corona-Schecks, Investitionsprogramme – an Ideen, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, mangelt es nicht. Wenn allerdings schon historische Summen ausgegeben werden, so die Forderung, sollte dabei eine Sache nicht zu kurz kommen: der Klimaschutz. Dieser Ruf nach einer „Green Recovery“ wurde zuletzt auch im Rahmen des Petersberger Klimadialogs laut: Anlässlich der Beratungen hatten 68 namhafte deutsche Unternehmen, darunter immerhin acht Dax-Konzerne, dazu aufgerufen, die Maßnahmen zur Klimaschutzpolitik auch in Zeiten der Corona-Krise weiterzuführen. Denn der Klimawandel und seine Folgeschäden machen keine Pause.
Zwar sinken die CO2-Emissionen durch den Lockdown derzeit – aber nachhaltig ist dieser Effekt nicht. Vielmehr ist es wahrscheinlich, dass die Emissionen in Deutschland erneut ansteigen, sobald die Wirtschaftsleistung wieder an Fahrt gewinnt – wie der Blick auf die vorherige Wirtschaftskrise zeigt (Grafik):
Schon ein Jahr nach der Finanzkrise 2009 stiegen die Treibhausgasemissionen in Deutschland sprunghaft um 35 Millionen Tonnen.
Um eine anhaltende Reduktion der Emissionen zu erreichen, braucht es somit öffentliche Investitionen in die Infrastruktur, private Investitionen in emissionsarme Technologien und verlässliche Rahmenbedingungen, die Planungssicherheit für diese grundlegenden Investitionen schaffen. Allerdings sind solche Aufwendungen auch von einer wettbewerbsfähigen und innovationsstarken Industrie abhängig, die durch die Corona-Krise gerade geschwächt ist.
Ein kurzfristiges Konjunkturprogramm in Kombination mit einem mittel- bis langfristigen Wachstumsprogramm wäre optimal, um der deutschen Wirtschaft aus der gegenwärtigen Krise zu helfen und sie zugleich für die nächste zu rüsten.
Doch wie könnte das konkret aussehen? Dafür sollte die Bundesregierung folgende Schritte wählen:
Erstens sollte die Politik Maßnahmen beschließen, die schnell wirken, damit sie auch solchen Unternehmen helfen, die sich gerade noch so über Wasser halten können.
Zweitens sollten befristete Maßnahmen einen konjunkturellen Schub geben, der die baldige Erholung fördert.
Drittens sollten Maßnahmen angestoßen werden, die auf langfristige und nachhaltige Strukturveränderungen abzielen. Als Richtlinie bietet sich zum Beispiel das 2019 beschlossene einheitliche EU-Klassifikationssystem an, das Kriterien für klimaverträgliche Investments festlegt.
Investitionen in die öffentliche Infrastruktur
Auch nach der Finanzkrise wurde neben Krediten und Steuererleichterungen mehr als ein Viertel des damals von der Politik geschnürten 100-Milliarden-Euro-Pakets für Investitionen in die öffentliche Infrastruktur verwendet.
Besonders erprobt, nachhaltig und wirksam sind vor allem Baumaßnahmen wie die energetische Sanierung und Optimierung von Bestandsgebäuden sowie Heizungsanlagen.
Diese Maßnahmen setzen auch – meist regionale – wirtschaftliche Impulse für die Gebäudeinfrastruktur, die immerhin für knapp 14 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich ist.
Wie vor allem bei Schulgebäuden zu sehen ist, besteht allein in der kommunalen Infrastruktur ein Sanierungsstau in Höhe von gut 138 Milliarden Euro. Dieses Problem sollte über die nächsten zehn Jahre in Angriff genommen werden, sodass die Bauunternehmen und nachgelagerte Branchen auch langfristig Planungssicherheit haben.
Aber auch infrastrukturelle Klimamaßnahmen könnten einen raschen Effekt erzielen, wie etwa der Ausbau einer emissionsärmeren Verkehrsinfrastruktur – zum Beispiel durch mehr Lademöglichkeiten für Elektroautos – und der generelle Ausbau erneuerbarer Energien.
Digitalisierung hat eine Schlüsselrolle beim Klimaschutz
Die Corona-Pandemie, in der so viele Menschen wie nie zuvor von zu Hause aus arbeiten, verdeutlicht auch den Stellenwert der Digitalisierung. Eine weitere Infrastrukturmaßnahme ist daher ein schneller Breitbandzugang für alle Bundesbürger. Gerade das könnte auch langfristig Wachstumsimpulse in weniger besiedelte Regionen bringen und neue Geschäftsmodelle ermöglichen.
Die Digitalisierung spielt beim Klimaschutz eine Schlüsselrolle, da sie Homeoffice, Videokonferenzen – anstelle von Dienstreisen – sowie Fernunterricht ermöglicht.
Nicht zuletzt fällt auch der klimafreundliche Umbau der Industrie in die Kategorie der strukturellen – und ohnehin notwendigen – Maßnahmen. Investitionen in Zukunftstechnologien, vor allem in die Wasserstoff- und Kreislaufwirtschaft, sind langfristig und nachhaltig – und klare Rahmenbedingungen dazu werden von Unternehmen ohnehin seit Längerem gefordert. Mit der Entwicklung dieser weltweit zunehmend gefragten Technologien könnte die deutsche Industrie ihren Vorsprung nutzen und neue Wertschöpfungsquellen erschließen.