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Kommunikationsstarke Kunsthistorikerin

Promovierten Geisteswissenschaftlern gelingt es häufiger als dem Durchschnitt der Akademiker, in leitende Positionen zu kommen – wenn auch nicht unbedingt in ihrem Fachgebiet. Die Kunsthistorikerin Susanne Hartmann hat genau das geschafft.

Kernaussagen in Kürze:
  • Nach dem Studium der Kunstgeschichte hat sich das Berufsleben von Susanne Hartmann anders entwickelt als gedacht.
  • Die promovierte Geisteswissenschaftlerin absolvierte zusätzlich ein Fernstudium der Public Relations.
  • Seit rund vier Jahren ist Hartmann Leiterin der Stabsstelle Kommunikation und Veranstaltungen der IHK Köln und hat vor Kurzem ebenfalls einen Geisteswissenschaftler als Vertreter eingestellt.
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„Germanistik war genau mein Ding, das hat mir sehr viel Spaß gemacht“, erinnert sich Susanne Hartmann. Doch als Professor Karl Otto Conrady, Autor der Standard-Lyrikanthologie „Der Große Conrady“, ihr während der Zwischenprüfung an der Kölner Uni den Rat gibt, angesichts der schlechten Berufsaussichten für Germanisten doch lieber eine Kfz-Lehre zu machen, wechselt Hartmann kurzerhand das Hauptfach. Sie sattelt um auf Kunstgeschichte, was sie bislang im Nebenfach studiert hat. „Mir erschienen die Arbeitsmöglichkeiten als Kunsthistorikerin interessanter als die von Germanisten“, sagt die 57-Jährige. Dass sie niemals als Kunsthistorikerin arbeiten würde, ahnt sie Anfang der 1980er Jahre nicht.

Hartmann meistert den Fachwechsel, in ihrem neuen Hauptfach beschäftigt sie sich vor allem mit Rezeptionsgeschichte. 1987 macht sie ihren Abschluss, in ihrer Magisterarbeit befasst sie sich mit der zeitgenössischen Rezeption von Max Beckmann in den 1920er und 1930er Jahren. Darin zeigt Hartmann, wie der Künstler sich damals mithilfe der FAZ selbst als Marke aufgebaut hat. „Eigentlich war das, was Beckmann gemacht hat, eine riesige PR-Kampagne – ohne dass dies damals explizit so genannt wurde“, erklärt Hartmann.

Über „Beckmann als Landschaftsmaler“ promoviert sie 1989/90, dann kommt das erste Kind. Kein idealer Zeitpunkt, um zwei Jahre lang als unbezahlte Volontärin Ausstellungen in einem Museum zu organisieren. Also sucht sie sich Jobs als Freiberuflerin. Sie schreibt ein Buch über Regenbögen in der Malerei für das Siegwerk in Siegburg, das die Farben des Regenbogens im Unternehmenslogo hat. Auch wissenschaftliche Publikationen gehören zu ihrem Repertoire, genauso wie Kalendertexte.

Praxis in einer Werbeagentur

Um Kontakte zu knüpfen und die Bedürfnisse ihrer potenziellen Kunden besser kennenzulernen, macht Hartmann ein sechswöchiges, unbezahltes Praktikum in einer Werbeagentur. Anschließend textet sie regelmäßig für Agenturen. Ein Highlight ist die Mitarbeit an einer Kampagne für den 1. FC Köln, doch auch der Augenoptiker um die Ecke zählt zu ihren Auftraggebern.

Susanne Hartmann ist Leiterin der Stabsstelle Kommunikation und Veranstaltungen der IHK Köln; Foto: Olaf-Wull Nickel „Irgendwann habe ich dann begriffen, was ich da eigentlich mache: nämlich Public Relations. Ich habe ja längst nicht nur getextet, sondern die Unternehmen auch beraten, wie und womit sie ihren Außenauftritt am besten gestalten und für Reputation sorgen. Und das konnte ich wohl auch deshalb ganz gut, weil ich mich im Studium so viel mit Rezeptionsgeschichte beschäftigt habe“, sagt Hartmann. Sie beschließt, sich zu professionalisieren und schreibt sich 2001 an der Initiative Kommunikation Heidelberg für ein zweijähriges Fernstudium der Public Relations ein. Ein Volltreffer. „Die zwei Jahre Fernstudium haben mir besser gefallen als mein ganzes erstes Uni-Studium.“ Ihre Abschlussarbeit in Heidelberg dreht sich um die Kölner Kulturkirche, für die sie jahrelang die Öffentlichkeitsarbeit gemacht hat.

Das, was ich heute mache, hat überhaupt keinen Bezug mehr zu meinem Studium. Aber es macht mir enormen Spaß.

Nach dem Fernstudium arbeitet Hartmann als PR-Beraterin für Firmen und in der Unternehmensberatung, mal selbstständig, mal als Angestellte – und immer für unterschiedliche Branchen: Banken, Versicherungen, Post, Büroartikel. Auch die Kölner Industrie- und Handelskammer gehört irgendwann zu ihren Kunden: Sie schreibt Artikel für die IHK-Mitgliederzeitung sowie Geschäftsberichte. Im Jahr 2011 erfährt sie eher zufällig, dass in der Pressestelle der IHK Köln ein Job vakant ist. Gesucht wird ein Stellvertreter für den Pressesprecher, doch die Frist zur Abgabe der Bewerbung läuft an dem Tag ab, als Hartmann erstmals von der Stellenausschreibung hört. Sie bewirbt sich dennoch – und bekommt den Job.

Abwechslungsreiche Tätigkeit

Seit rund vier Jahren ist sie Leiterin der Stabsstelle Kommunikation und Veranstaltungen der IHK Köln. „Das, was ich heute mache, hat überhaupt keinen Bezug mehr zu meinem Studium“, sagt die promovierte Kunsthistorikerin. „Aber es macht mir enormen Spaß, mich mit so vielen unterschiedlichen Themen zu befassen: die duale Berufsausbildung, der Brexit, die Stadt- und Regionalentwicklung. Und auch die strategische Kommunikationsplanung bleibt in Zeiten von Digitalisierung, Newsroom und immer mehr Verbreitungskanälen sehr vielfältig.“

Als Chefin einer Abteilung mit neun Mitarbeitern kann sie außerdem darüber entscheiden, welche Qualifikationen ihr bei neuen Kollegen wichtig sind. „Es ist schön, wenn Bewerber Fachwissen haben“, sagt Hartmann, „aber mir ist es noch lieber, wenn sie offen, konzeptionell stark und neugierig sind. Wenn jemand nicht jedes Instrument kennt, ist das kein Hindernis. Meiner Erfahrung nach kann man sich alles Handwerkliche beibringen.“ Vor ein paar Monaten musste Hartmann die Stellvertreter-Stelle neu besetzen – der Job, auf den sie sich selbst vor acht Jahren erfolgreich beworben hatte. Ihr neuer Kollege ist gerade mal 29 Jahre alt. Er hat Geschichte studiert.

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