Geisteswissenschaftler: Vielseitig im Berufsleben
Nur selten richten sich Stellenausschreibungen explizit an Sprachwissenschaftler oder Philosophen. Dennoch sind sie in vielen Branchen und Tätigkeitsfeldern anzutreffen.
- Geisteswissenschaftler sind beruflich flexibel. Die Hälfte von ihnen arbeitet in Jobs und Branchen, die einen Zusammenhang mit den Inhalten ihres Studiums nicht ohne Weiteres erkennen lassen.
- Zwei von drei erwerbstätigen Geisteswissenschaftlern sind Frauen. Das dürfte auch ein Grund dafür sein, dass rund ein Drittel der Geisteswissenschaftler in Teilzeit arbeitet.
- Ihr Gehalt liegt oft unter dem anderer Hochschulabsolventen: Im Jahr 2016 erzielten rund 16 Prozent der Akademiker ein monatliches Nettogehalt von mindestens 4.000 Euro, bei den Geisteswissenschaftlern waren es nur 8 Prozent.
Mediziner werden Ärzte, Betriebswirte Manager und Juristen in der Regel Anwälte. Aber womit verdienen Gräzisten, Ethnologen und Philosophen ihren Lebensunterhalt?
Wie sich Geisteswissenschaftler im Vergleich zu anderen Akademikern auf dem Arbeitsmarkt behaupten, zeigt eine neue IW-Studie, die von der Gerda Henkel Stiftung und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft gefördert wurde.
Tatsächlich bestätigt sie in Teilen das gängige Vorurteil gegenüber diesen Studienabsolventen: Alles in allem schneiden Geisteswissenschaftler in puncto Gehalt, Karriere und adäquaten Jobs schlechter ab als Absolventen anderer Fachrichtungen. Von einer mehrheitlich problematischen Lage kann aber keine Rede sein, denn Geisteswissenschaftler erweisen sich als besonders vielseitig:
Die Hälfte der Geisteswissenschaftler arbeitet in Berufen und Branchen, die einen Zusammenhang mit den Inhalten ihres Studiums nicht ohne Weiteres erkennen lassen.
Das zeigt, dass viele von ihnen in der Lage sind, sich in fachfremde Inhalte einzuarbeiten – was in Zeiten der fortschreitenden Digitalisierung und Globalisierung ein echtes Pfund ist. Auch die ausgeprägte Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit vieler Geisteswissenschaftler gilt als Kernkompetenz in einer durch die Digitalisierung geprägten Arbeitswelt.
Interesse an Geisteswissenschaften lässt nach
Doch wie groß ist die Gruppe der Geisteswissenschaftler überhaupt? Und in welchen Berufen arbeiten sie aktuell?
Im Wintersemester 2017/18 waren in Deutschland rund 340.000 Studenten in einem geisteswissenschaftlichen Fach eingeschrieben. Das Interesse an Fächern wie Germanistik und Romanistik hat allerdings in den vergangenen zehn Jahren deutlich nachgelassen: Während sich die Gesamtzahl der Studenten zwischen 2007/08 und 2017/18 um fast die Hälfte erhöhte, stieg die Zahl der Studenten in den Geisteswissenschaften lediglich um rund ein Viertel.
Auch auf dem Arbeitsmarkt sind Geisteswissenschaftler eine vergleichsweise kleine Gruppe, wenn man Lehramtsabsolventen außen vor lässt (Grafik):
Mit rund 500.000 Beschäftigten machen die Geisteswissenschaftler nur knapp 6 Prozent der erwerbstätigen Akademiker in Deutschland aus.
Zwei von drei erwerbstätigen Geisteswissenschaftlern sind Frauen, was kaum verwundert, denn für geisteswissenschaftliche Fächer schreiben sich überproportional viele Frauen ein: So lag der Frauenanteil an den bestandenen Uniprüfungen in den Geisteswissenschaften 2016 bei 73 Prozent.
Der hohe Frauenanteil dürfte auch ein Grund dafür sein, dass rund ein Drittel der Geisteswissenschaftler in Teilzeit arbeitet. Dies ist allerdings nur selten eine Verlegenheitslösung: Lediglich 11 Prozent der Geisteswissenschaftler mit einer Teilzeitstelle sind unfreiwillig in dieser Form beschäftigt.
Im Jahr 2016 erzielten rund 16 Prozent der Akademiker ein monatliches Nettogehalt von mindestens 4.000 Euro, bei den Geisteswissenschaftlern waren es nur 8 Prozent.
Auch wenn fast jeder zweite Geisteswissenschaftler in einem studienuntypischen Beruf arbeitet, zeigt sich ein unverkennbarer Schwerpunkt: pädagogische und kommunikative Tätigkeiten (Grafik):
In gut der Hälfte der Jobs, die Geisteswissenschaftler ausüben, stehen Didaktik, Kommunikation sowie der Umgang mit Sprache im Mittelpunkt.
Tätigkeiten wie Konstruieren, Gestalten und Maschinensteuern liegen ihnen – wenig überraschend – dagegen weniger. Hier sind sie seltener anzutreffen als andere Akademiker. Auch gelingt es Germanisten, Historikern und Philosophen nicht so oft wie dem Durchschnitt der Hochschulabsolventen, eine Führungsposition zu erreichen.
Weniger Gehalt als andere Akademiker
Auch in puncto Gehalt und Tätigkeitsniveau müssen sich einige Geisteswissenschaftler bescheiden. Nach den Kategorien der Bundesagentur für Arbeit ist für Promovierte sowie für Diplom- und Masterabsolventen das Expertenniveau üblich. Dieses Level erreichen knapp 57 Prozent der Geisteswissenschaftler, im Durchschnitt der Akademiker ist dies mit annähernd 63 Prozent häufiger der Fall. Mit fortschreitendem Alter holen die Geisteswissenschaftler allerdings kräftig auf: Wenn sie Vollzeit arbeiten und älter als 45 Jahre sind, haben69 Prozent von ihnen das Expertenniveau erreicht – und damit etwas mehr als andere, vergleichbare Akademiker, die im Schnitt auf eine Quote von 67,5 Prozent kommen.
Wer häufiger in Teilzeit und unter seinem Ausbildungslevel arbeitet, spürt das zwangsläufig auch im Portemonnaie:
Im Jahr 2016 erzielten rund 16 Prozent der Akademiker ein monatliches Nettogehalt von mindestens 4.000 Euro, bei den Geisteswissenschaftlern waren es nur 8 Prozent.
Besonders selten stoßen Frauen in diese Gehaltsklasse vor. Von den in Vollzeit erwerbstätigen Geisteswissenschaftlerinnen erreichten nur 7 Prozent die höchste Gehaltsklasse, während dies rund 17 Prozent der männlichen vollzeitbeschäftigten Geisteswissenschaftler gelang.
Ganz im Gegensatz zum gängigen Bild des Taxifahrers Dr. phil. stehen die promovierten Geisteswissenschaftler am besten da: Häufiger als der Durchschnitt der Akademiker arbeiten sie in leitenden Positionen und auf Expertenniveau. Und jeder Dritte erreicht die höchste Einkommensklasse.