Knackpunkt betriebliche Arbeitszeit
In puncto Arbeitszeitvolumen und Möglichkeiten zur flexiblen Gestaltung der Arbeitszeit ist die Mehrheit der M+E-Unternehmen mit dem Flächentarif zufrieden, wie eine IW-Befragung zeigt. Probleme bereiten den Firmen aber die verkürzte Vollzeit und das Wahlmodell T-ZUG.
- Durch die neuen Arbeitszeitregelungen hat sich die Arbeitsflexibilität für die Betriebe in der M+E-Industrie eher verschlechtert als verbessert.
- Die neuen erweiterten Quotenregelungen kommen vor allem bei großen Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten gut an.
- Entscheidend ist, wie die Unternehmen auf Dauer mit den neuen Regelungen zurechtkommen. Geht das Arbeitszeitvolumen zurück oder werden die Arbeitszeitregelungen weniger praktikabel, wirkt sich dies negativ auf die Verbundenheit mit dem Flächentarifvertrag aus.
Die Tarifrunde 2018 in der Metall- und Elektro-Industrie war eine komplizierte Angelegenheit. Auf der einen Seite wollte die IG Metall dem Wunsch der Arbeitnehmer nach mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit Rechnung tragen, auf der anderen Seite mussten die Arbeitgeber für ihre Unternehmen sicherstellen, dass das Arbeitszeitvolumen insgesamt erhalten bleibt.
Am Ende stand ein Kompromiss, der eine Reihe neuer arbeitszeitpolitischer Instrumente brachte. So können Arbeitnehmer seither ihre Arbeitszeit für einen Zeitraum von 6 bis 24 Monaten auf bis zu 28 Stunden pro Woche verkürzen und anschließend wieder in Vollzeit wechseln. Des Weiteren wurde ein tarifliches Zusatzgeld (T-ZUG) vereinbart, das von Schichtarbeitern und Beschäftigten mit Kindern oder zu pflegenden Angehörigen in zusätzliche freie Tage umgewandelt werden kann, sofern der Betrieb die ausfallende Arbeitszeit auf gleichem Qualifikationsniveau ersetzen kann.
Die Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie sehen die Praktikabilität der Arbeitszeitregelungen des vergangenen Tarifabschlusses kritisch.
Im Gegenzug wurde es den Unternehmen erleichtert, die tarifliche Wochenarbeitszeit für einen größeren Teil der Beschäftigten von 35 auf maximal 40 Stunden zu erhöhen.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat nun geprüft, welche Auswirkungen die neuen Regelungen auf die Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie haben. Das IW hat dazu zwischen April und Juni 2019 knapp 800 flächentarifgebundene Unternehmen befragt. Die wichtigsten Ergebnisse (Grafik):
Während knapp 16 Prozent der Betriebe sagen, dass sie flexibler agieren können, hat sich für 25 Prozent unter dem Strich die Arbeitszeitflexibilität verringert.
Für die restlichen 60 Prozent waren keine oder kaum Veränderungen spürbar.
Insgesamt sehen die Arbeitgeber vor allem die Praktikabilität der Arbeitszeitregelungen kritisch. Fast 46 Prozent bemängeln eine Verschlechterung durch die neuen Bestimmungen. Lediglich 4 Prozent der Unternehmen finden die jetzigen Regelungen praktikabler.
Das wirkt sich auch auf die Gesamtbewertung der neuen Arbeitszeitregelungen aus:
In knapp 48 Prozent der M+E-Unternehmen ist die Zufriedenheit bezüglich der Arbeitszeitregelungen gesunken.
Dabei fällt auf, dass vor allem Unternehmen mit 500 und mehr Mitarbeitern weniger zufrieden sind. Ein Grund könnte die höhere Betroffenheit von verkürzter Vollzeit und den Freistellungstagen sein. So haben in Unternehmen mit 500 und mehr Mitarbeitern 19,6 Prozent der Beschäftigten Anträge auf die Freistellungstage gestellt, in Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern nur 13,5 Prozent.
Um den Arbeitsausfall zu kompensieren, wurden mit dem 2018er-Abschluss neue Quotenregelungen eingeführt. Diese kommen vor allem bei großen Unternehmen gut an (Grafik):
Knapp 56 Prozent der flächentarifgebundenen M+E-Betriebe ab 2.000 Mitarbeitern sind mit den erweiterten Quotenregelungen zufrieden.
Über alle Betriebsgrößen hinweg liegt der Zuspruch bei 44 Prozent, 34 Prozent sind dagegen unzufrieden mit den Maßnahmen.
Unternehmen der "neuen Welt" zufriedener
Nicht alle Unternehmen nutzen die neuen Möglichkeiten. Das IW unterteilt die Unternehmen daher danach, ob sie in der „neuen Welt“ oder in der „alten Welt“ der Arbeitszeitregelungen agieren. Betriebe der neuen Welt setzen auf die erweiterten Quotenregelungen. Dafür müssen sie aber akzeptieren, dass der Betriebsrat sein Veto einlegen kann, wenn die Quoten überschritten werden. Ein solches Vetorecht gab es in der „alten Welt“ nicht. In der Umfrage zählten 54 Prozent zur Gruppe „neue Welt“.
Im direkten Vergleich zeigt sich, dass Unternehmen der neuen Welt zufriedener mit Arbeitszeitflexibilität und Arbeitszeitvolumen sind. Außerdem hat sich das Arbeitszeitvolumen in Betrieben der neuen Welt mit 18 Prozent deutlich seltener reduziert als in Unternehmen der alten Welt (29 Prozent). Die neuen Quotenregelungen scheinen also ein nützliches Instrument zu sein, um die Auswirkungen von verkürzter Vollzeit und T-ZUG teilweise auszugleichen.
Entscheidend ist aber, wie die Unternehmen auf Dauer mit den neuen Regelungen zurechtkommen.
Geht das Arbeitszeitvolumen zurück oder werden die Arbeitszeitregelungen weniger praktikabel, wirkt sich dies negativ auf die Verbundenheit mit dem Flächentarifvertrag aus. Diese kann auch sinken, wenn Betriebe schlecht mit der verkürzten Vollzeit oder dem T-ZUG leben können.
Eine zu große Komplexität der Arbeitszeitregelungen kann vor allem kleine und mittlere Unternehmen von einer Flächentarifbindung abschrecken.