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Tarifbindung in der M+E-Industrie wird geringer

Die Tarifbindung in der M+E-Industrie ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Für die nicht tarifgebundenen Betriebe sind vor allem das Entgeltniveau und das tarifliche Arbeitszeitvolumen entscheidende Argumente gegen die Regelungen des Flächentarifvertrags.

Kernaussagen in Kürze:
  • In der M+E-Industrie geht die Tarifbindung zurück: Im Jahr 2018 waren 3.400 M+E-Betriebe an den Flächentarifvertrag gebunden – zehn Jahre zuvor waren es noch 3.900.
  • Nur ein Drittel der flächentarifgebundenen M+E-Unternehmen war im Jahr 2017 mit dem tariflichen Arbeitszeitvolumen zufrieden. Weiterer Knackpunkt sind die hohen Entgelte für einfache Tätigkeiten.
  • Wegen des steigenden Drucks auf die Betriebe durch die schwächelnde Konjunktur müssen die Tarifparteien vorausschauend agieren, um eine weitere Erosion der Tarifbindung zu verhindern.
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Entgeltstufen, Arbeitszeit, Urlaub, Sondervereinbarungen – in einem Flächentarifvertrag sind gewöhnlich Kernpunkte für die Regelung der Arbeitsbeziehungen zwischen den Unternehmen und ihren Mitarbeitern festgelegt. Davon profitieren nicht nur jene Arbeitnehmer, die in den Verhandlungen von den jeweils zuständigen Gewerkschaften vertreten werden. Auch den Betrieben bietet die Flächentarifbindung wichtige Vorteile: So lassen sich dadurch Konflikte aus dem Betrieb heraushalten. Außerdem schaffen Tarifverträge Rechts- und Planungssicherheit und mindern die Regelungskosten.

Auf der anderen Seite sind die Unternehmen an die tariflichen Vorgaben gebunden, auch wenn sie sich im Einzelfall schwer umsetzen lassen oder sogar die finanzielle Existenz gefährden können. Deshalb ist es wichtig, dass Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände ausgewogene Lösungen aushandeln.

In der Metall- und Elektro-Industrie deuten aktuelle Zahlen darauf hin, dass sich aus Sicht der Betriebe zuletzt ein Ungleichgewicht entwickelt hat (Grafik):

Knapp 3.400 M+E-Betriebe waren im Jahr 2018 an den Flächentarifvertrag gebunden – zehn Jahre zuvor waren es noch 3.900.

Mitglieder in den M+E-Verbänden in Deutschland Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Zwar ist die Zahl der flächentarifgebundenen Beschäftigten im selben Zeitraum um gut 110.000 auf knapp 1,9 Millionen gestiegen. Das ist aber auf die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und damit auf den Beschäftigungsanstieg in den verbleibenden Betrieben in der Tarifbindung zurückzuführen.

Die Höhe der Entgelte und das tarifliche Arbeitszeitvolumen sprechen für M+E-Unternehmen ohne Tarifvertrag am stärksten gegen eine Tarifbindung.

Dies wird vor allem deutlich, wenn man auf die Beschäftigten in jenen Betrieben blickt, die zwar in den Arbeitgeberverbänden organisiert sind, aber den Flächentarifvertrag nicht mehr nutzen (die sogenannten OT-Betriebe). Zwischen 2008 und 2018 gab es hier einen Anstieg um gut 73 Prozent auf fast 567.000.

Die weiteren rund 1,4 Millionen M+E-Beschäftigten arbeiten in Unternehmen, die keinem Arbeitgeberverband angehören und ihre Arbeitsregeln selbst festlegen.

Unzufriedenheit mit Arbeitszeitregelungen

Das Institut der deutschen Wirtschaft ist der schwindenden Flächentarifvertragsbindung mithilfe einer Befragung von M+E-Unternehmen auf den Grund gegangen. Dabei haben die Forscher sowohl tarifgebundene als auch tariffreie M+E-Betriebe – 1.553 an der Zahl – befragt. Ein Ergebnis:

Nur ein Drittel der flächentarifgebundenen M+E-Unternehmen war im Jahr 2017 mit dem tariflichen Arbeitszeitvolumen zufrieden – der Rest wollte längere Arbeitszeiten.

Weitere Knackpunkte für die Betriebe sind die verhältnismäßig hohen Entgelte für einfache Tätigkeiten und die Privilegien für ältere Beschäftigte.

Positiv herausgestellt wird dagegen die Regelung zum Jahresurlaub – 88 Prozent der Unternehmen sind damit zufrieden. Ebenfalls große Zustimmung finden die arbeitsvorsorgewirksamen Leistungen. Drei Viertel stellen zudem die Regelungen zur Qualifizierung heraus.

Die tarifgebundenen Unternehmen zu halten, ist die eine Aufgabe, Firmen von den Vorteilen des Flächentarifvertrags zu überzeugen, eine andere. Auch hier liefert die IW-Befragung wichtige Erkenntnisse (Grafik):

Die Höhe der Entgelte insgesamt und das tarifliche Arbeitszeitvolumen sprechen für M+E-Unternehmen ohne Flächen- oder Haustarifbindung am stärksten gegen eine Tarifbindung.

Für so viel Prozent der M+E-Unternehmen in Deutschland ohne Tarifbindung sprechen diese Faktoren gegen eine Tarifbindung Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Fast jedes zweite dieser Unternehmen nennt zudem die hohen Entgelte für einfache Tätigkeiten als Grund.

Es zeigt sich also, dass – egal ob tarifgebunden oder nicht – die Entgelte und das Arbeitszeitvolumen für die Betriebe die Fallstricke des Flächentarifs sind.

Angesichts der Struktur der Metall- und Elektro-Industrie in Deutschland ist dies auch nachvollziehbar. Die Branche muss sich stärker als die meisten anderen mit ihren Produkten auf den internationalen Märkten behaupten. Doch die Konkurrenz aus dem Ausland zahlt fast durchgängig niedrigere Löhne als die deutsche M+E-Industrie. Das gilt auch für andere hoch entwickelte Industriestaaten wie die USA, Frankreich und Japan.

Außerdem hat Deutschland im Ländervergleich eine der niedrigsten tariflichen Wochenarbeitszeiten.

Wegen des steigenden Drucks auf die Betriebe durch die schwächelnde Konjunktur, die Unsicherheiten in wichtigen Absatzländern wie den USA und dem Vereinigten Königreich sowie eine sich stetig verbessernde Konkurrenz müssen die Tarifparteien vorausschauend agieren, um eine weitere Erosion der Tarifbindung zu verhindern.

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