Ganztagsschule Lesezeit 4 Min.

Klassenprimus Hamburg

Knapp die Hälfte der Schüler in Deutschland besucht mittlerweile eine Ganztagsschule. Oft endet die Betreuung allerdings schon vor 15 Uhr, auch gibt es selbst an gebundenen Ganztagsschulen teilweise nur an drei Nachmittagen in der Woche Anwesenheitspflicht.

Kernaussagen in Kürze:
  • Laut Kultusministerkonferenz ist eine Schule dann eine Ganztagseinrichtung, wenn Schüler dort an mindestens drei Tagen die Woche jeweils mindestens sieben Zeitstunden verbringen und Mittagessen bekommen können.
  • Im Schuljahr 2018/2019 besuchten gut 42 Prozent der Grundschüler eine Ganztagsschule, an den weiterführenden Schulen lag der Anteil sogar bei rund 46 Prozent.
  • Zuletzt lag die Ganztagsquote in Hamburg an den Grund- und weiterführenden Schulen jeweils bei mehr als 90 Prozent. An den baden-württembergischen Grundschulen betrug sie nur knapp 20 Prozent..
Zur detaillierten Fassung

Die Schule war schon immer mehr als ein reiner Lernort, doch seitdem Kinder und Jugendliche in vielen Einrichtungen auch zu Mittag essen und diverse Sport- und Kreativangebote wahrnehmen, ist sie mehr Lebensort als je zuvor. Dies gilt auch für Schulen, die nicht offiziell im Ganztagsbetrieb arbeiten, denn die Definition der Kultusministerkonferenz erfüllen längst noch nicht alle der bundesweit 28.000 Grund- und weiterführenden Schulen: Eine Schule ist nur dann eine Ganztagseinrichtung, wenn Schüler dort an mindestens drei Tagen die Woche jeweils mindestens sieben Zeitstunden verbringen und Mittagessen bekommen können.

Im Schuljahr 2002/2003 ging an den weiterführenden Schulen nur jeder zehnte Jugendliche auf eine Ganztagsschule, im Schuljahr 2018/2019 war es bereits fast jeder zweite.

Dies ist noch längst nicht überall Schulalltag in Deutschland – doch die Tendenz ist eindeutig (Grafik):

Im Schuljahr 2018/2019 besuchten gut 42 Prozent der Grundschüler eine Ganztagsschule, an den weiterführenden Schulen lag der Anteil sogar bei rund 46 Prozent. So viel Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland waren Ganztagsschüler Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Zum Vergleich: Im Schuljahr 2002/2003 ging an den weiterführenden Schulen nur jeder zehnte Jugendliche auf eine Ganztagsschule, an den Grundschulen war es sogar nur jeder Zwanzigste.

Allerdings unterscheidet sich die Lage in den einzelnen Bundesländern deutlich. Während die Ganztagsquoten in Hamburg an den Grund- und weiterführenden Schulen jeweils bei mehr als 90 Prozent liegen, sind es an den baden-württembergischen Grundschulen nur knapp 20 Prozent; bei den weiterführenden Schulen bildet Thüringen mit rund 21 Prozent das Schlusslicht.

Viele Horte in Ostdeutschland und Bayern

Dabei können Grundschüler, die eine Ganztagsschule besuchen, durchaus auch noch anderswo nachmittags betreut werden: In einigen Bundesländern gibt es viele außerschulische Einrichtungen, zum Beispiel Horte, die ähnliche Angebote wie Ganztagsschulen machen. Das gilt vorwiegend für Ostdeutschland sowie für Bayern (Grafik):

So viel Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland waren im Schuljahr 2018/2019 Ganztagsschüler Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Da es aber teilweise zu Doppelzählungen kommt – es gibt Einrichtungen, die in beiden Statistiken erfasst werden, und manche Grundschüler besuchen tatsächlich eine Ganztagsschule und einen Hort –, lässt sich nicht genau feststellen, wie viele Grundschulkinder tatsächlich ganztagsbetreut werden.

Wenn ein Kind eine weiterführende Ganztagsschule besucht, hält es sich dort nicht automatisch große Teile des Tages in der Schule auf. Im Sozio-oekonomischen Panel gaben die 12- bis 14-Jährigen 2017 und 2018 an, im Schnitt rund 31 Stunden pro Woche in der Schule zu verbringen, nur rund 16 Prozent verweilten mehr als 35 Stunden dort. Und nur knapp die Hälfte der über zehnjährigen Ganztagsschüler bleibt dort an mindestens drei Tagen in der Woche bis mindestens 15 Uhr. Bis 16 Uhr verweilen sogar nur rund 9 Prozent der Schüler an drei Tagen die Woche.

Ganztagsangebot ist an Gesamtschulen besonders groß

Die Ganztagsangebote werden besonders häufig von Familien genutzt, die einen Migrationshintergrund haben, ALG II beziehen oder in denen Mütter in Vollzeit erwerbstätig sind. In den Horten werden dagegen verstärkt die Kinder aus Familien mit höherem Einkommen betreut.

An den weiterführenden Schulen entscheidet oft die Schulform über das Ganztagsangebot. Besonders groß ist es an Gesamtschulen:

Im Schuljahr 2018/2019 waren fast 80 Prozent der Gesamtschüler Ganztagsschüler, von den Gymnasiasten waren es nur knapp 36 Prozent und von den Haupt- und Realschülern gut 38 Prozent.

Im Idealfall kann die Ganztagsschule die Schulstunden entzerren: Wechselt sich Unterricht mit anderen Aktivitäten ab und steht in einem ausgewogenen Verhältnis zu ihnen, spricht man von einer Rhythmisierung, die von Pädagogen als lernfördernd erachtet wird. Voraussetzung dafür ist, dass die Ganztagsschulen gebunden, also mit Anwesenheitspflicht, arbeiten und ein großer Teil der Nachmittagsangebote für die Kinder und Jugendlichen obligatorisch ist. Im Schuljahr 2018/2019 besuchten nur 16 Prozent der Grundschüler, die auf eine Ganztagsschule gingen, eine gebundene Form, an weiterführenden Schulen waren es immerhin 63 Prozent der Ganztagsschüler, wobei allerdings die meisten von ihnen nicht in rhythmisierter Form unterrichtet worden sein dürften.

Bis 2025 will die Große Koalition einen bundesweiten Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz für Kinder im Grundschulalter einführen. In einigen Ländern existiert er bereits: So bestehen in Brandenburg und Thüringen bereits Ansprüche bis zum Ende der vierten Klasse, in Sachsen-Anhalt bis zum Ende der sechsten Klasse und in Hamburg bis zum 14. Geburtstag.

In Hamburg gibt es sogar ein Recht auf Ferienbetreuung

Das Hamburger Modell ist nicht nur mit Blick auf die Altersspanne vorbildlich. In der Hansestadt steht den Eltern im Zeitraum von 8 bis 16 Uhr ein für sie kostenloses Bildungs- und Betreuungsangebot in den Schulen zu. Zudem haben sie in den Zeiten zwischen 6 und 8 Uhr und zwischen 16 und 18 Uhr sowie in den Schulferien einen Rechtsanspruch auf eine Betreuung, die allerdings kostenpflichtig sein und in einer anderen Schule oder Betreuungseinrichtung stattfinden kann.

Bleibt neben dem dringend benötigten Ausbau der Ganztagsschulen noch die Frage nach der Betreuungsqualität. Die außerschulischen Angebote sollten nicht nur ein breites Spektrum an Interessen und Neigungen abdecken, sondern die Kinder und Jugendlichen tatsächlich ansprechen und fördern. Zudem sollten vor allem kleinere Kinder bereits im Rahmen der Betreuung ihre Hausaufgaben erledigen und den Schulstoff üben können.

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