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des Instituts der deutschen Wirtschaft

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Digitale Dekade Lesezeit 4 Min.

Interview: „Wir müssen bei der Digitalisierung alle einen Gang hochschalten“

Seit Dezember 2022 ist Renate Nikolay stellvertretende Generaldirektorin der Generaldirektion für Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien der Europäischen Kommission. Sie soll die digitale Dekade der EU zum Erfolg führen. Der iwd sprach mit ihr über die nächsten Schritte hin zum digitalen Europa und darüber, was in den Mitgliedsstaaten bereits gut läuft – und was nicht.

Kernaussagen in Kürze:
  • Renate Nikolay ist die stellvertretende Generaldirektorin für Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien der EU-Kommission. Sie sprach mit dem iwd über die digitale Dekade.
  • Laut Nikolay haben die Mitgliedsstaaten noch viel zu tun, um die vereinbarten Digitalisierungsziele bis 2030 zu erreichen.
  • Gleichwohl ist die Europäische Union bei der Digitalisierung laut Nikolay nicht spät dran – vorausgesetzt, es gelingt ihr, die ehrgeizigen Ziele rechtzeitig umzusetzen.
Zur detaillierten Fassung

Die Ziele der digitalen Dekade hat die EU-Kommission in vier Kategorien definiert. Wie läuft es bislang?

Erst 2022 haben sich Rat, Parlament und Kommission auf diese Ziele gemeinsam verpflichtet. Das war ein Quantensprung. Im Juni 2023 wird der erste Fortschrittsbericht bei einer Konferenz in Stockholm präsentiert.

Die Details werden momentan noch zusammengetragen, aber was ich heute schon sagen kann: Wir stehen in allen Bereichen nicht grandios da – der Fortschrittsbericht wird ein Weckruf sein. Wenn wir die Ziele bis 2030 wirklich erreichen wollen, müssen alle einen Gang hochschalten.

Nachdem wir den Bericht veröffentlicht haben, sollen die Mitgliedsstaaten bis Oktober erarbeiten, wie sie die Ziele erreichen wollen – dabei werden wir sie unterstützen.

Kommt Europa denn in einem Bereich besonders gut voran?

Ich will nicht einen Bereich herausheben. Aber das Konjunkturprogramm „Next Generation EU“, das die Pandemiefolgen abschwächen soll, sieht 20 Prozent der Gelder für digitale Projekte vor. Das hat der Digitalisierung Auftrieb gegeben, gerade bei der Highspeed-Internetversorgung für den ländlichen Raum.

Was zeichnet die Digitalisierungs-Musterschüler in der EU aus?

Das Ganze ist kein Beauty Contest. Aber Estland ist bekanntlich ein Staat, der bereits vor einer Dekade massiv öffentliche Dienste digitalisiert hat. Das wirkt bis heute nach.

Aber auch Spanien kann ich nennen, denn es nutzt das jüngste Konjunkturprogramm ganz gezielt für den Glasfaserausbau und macht hier beachtliche Fortschritte.

Haben die digital schwächeren Staaten allesamt ähnliche Probleme oder sind die Schwierigkeiten individuell?

Definitiv individuell. Das hat auch mit der Topologie eines Landes zu tun: In einem großen Flächenstaat ist der Glasfaserausbau eine ganz andere Herausforderung als in einem Mikrostaat wie Malta.

Weil sich Europäisches Parlament, Ministerrat und Kommission 2022 gemeinsam auf die Ziele für die digitale Dekade verständigt haben, hat das ein anderes Gewicht als reine Kommissionsvorgaben.

Die Wirtschaftskraft spielt ebenfalls eine Rolle, denn ein hohes Bruttoinlandsprodukt macht es leichter, die Digitalisierung voranzutreiben.

Was tut die Kommission denn konkret, um die Mitgliedsstaaten bei der Digitalisierung zu unterstützen?

Zum einen gibt sie den Staaten Geld, „Next Generation EU“ habe ich erwähnt. Außerdem erleichtern wir es Staaten, gewisse Beihilfen an Firmen zu zahlen – beispielsweise für grüne Projekte, die ja oft unmittelbar mit der Digitalisierung zusammenhängen.

Außerdem versuchen wir, Mehr-Staaten-Projekte anzukurbeln: Beim Thema Blockchain, aber auch bei künstlicher Intelligenz ermutigen wir Staaten, sich zusammenzutun. Wir koordinieren und unterstützen das dann – für echte Business Cases, beispielsweise beim Thema Smart Cities.

Renate Nikolay ist stellvertrende Generaldirektorin in der EU-Kommission; Foto: Claudio Centonze, Europäische Kommission Ist Europa mit der digitalen Dekade nicht spät dran?

Ich würde das so nicht sagen. Wenn wir die ehrgeizigen Ziele umsetzen, dann haben wir nichts verschlafen.

Und eines möchte ich betonen: Wir gestalten die digitale Transformation nachhaltig, zum Beispiel beim Datenschutz, zum Beispiel bei der Cyber-Sicherheit. Damit meine ich: Wir bauen die Digitalisierung Europas auf unseren Werten auf. Zudem denken wir die Green Transition und die Digital Transition zusammen.

Apropos Datenschutz: Sie selbst waren maßgeblich an der Datenschutzgrundverordnung beteiligt. Steht der Datenschutz der Digitalisierung nicht oft im Weg?

Nein, im Gegenteil. Wir reden mittlerweile vom Brüssel-Effekt: Die Datenschutzgrundverordnung ist zum weltweiten Exportschlager geworden. Denn ein adäquater Datenschutz sorgt dafür, dass Bürger in die Digitalisierung vertrauen. Selbst in den USA haben Einzelstaaten wie Kalifornien entsprechende Regelungen auf den Weg gebracht, die von unseren Regeln inspiriert waren.

Auch bei digitalen Plattformen werden unsere Datenschutzvorgaben mittlerweile international als Referenzpunkt gesehen. Gerade weil wir viel Erfahrung mit Regulierung haben – und dafür auch gern kritisiert werden –, sind wir sehr gut aufgestellt, um im Wilden Westen der digitalen Ökonomie mit einem Ordnungsrahmen zu helfen.

Für mich ist jedenfalls klar: Die Plattformökonomie kann nicht über dem Recht stehen.

Gigabit für alle: Zumindest in Deutschland ist das nach wie vor mehr Wunsch als Wirklichkeit.

Ja, das stimmt – vor allem, wenn wir im ländlichen Raum unterwegs sind. Aber auch, wenn es über Ländergrenzen hinweg geht, wir also von einem Mitgliedsstaat in einen anderen reisen. Wir brauchen Breitband und 5G-Netzabdeckung flächendeckend für die Zukunft – ob nun für die digitale Medizin oder fürs autonome Fahren. In der Digitalstrategie der Bundesregierung ist das bereits angekommen.

Beispiel Steuererklärung in Deutschland: Hier ist einiges mittlerweile digital möglich, doch vernetzt sind die Behörden nicht und beim Steuerzahler bleibt am Ende noch immer sehr viel Arbeit hängen. Haben Sie Hoffnung auf Besserung?

Deutschlands oft schlechte Platzierungen beim Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft – das ist der Wirtschaftskraft unseres Landes nicht angemessen.

Ein Grund für das schlechte Abschneiden ist sicherlich die föderale Struktur. Es kann nur besser werden, wenn Daten fließen. Und das sage ich, obwohl ich den Datenschutz ernst nehme. Wenn der Wille da ist, verhindert der Datenschutz Digitalisierung nicht, man muss ihn nur mitdenken. Wenn wir doch alle problemlos Online-Banking machen können, warum nicht auch Online-Verwaltung?

Was passiert, wenn die Staaten im Oktober keine überzeugenden Konzepte liefern, wie sie die Digitalziele bis 2030 erreichen wollen?

Wie gesagt: Europäisches Parlament, Ministerrat und Kommission haben sich 2022 auf diese Ziele verständigt. Das hat ein anderes Gewicht als reine Kommissionsvorgaben. Der moralische und politische Druck, aber auch der gesellschaftliche und der mediale Druck werden groß sein. Nicht zuletzt, weil Europa als Wirtschaftsstandort im internationalen Wettstreit steht – auch in puncto Digitalisierung.

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