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Deutschland wird nur ein wenig digitaler

Der Digitalisierungsindex 2021, der vom Institut der deutschen Wirtschaft und der IW Consult im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie erstellt wird, zeigt, wie stark sich die deutschen Unternehmen seit Beginn der Corona-Pandemie digitalisiert haben – und wo es noch Nachholbedarf gibt.

Kernaussagen in Kürze:
  • Der Digitalisierungsindex des Instituts der deutschen Wirtschaft und der IW Consult misst die digitale Entwicklung Deutschlands.
  • Für das Jahr 2021 zeigt sich, dass die Wirtschaft hierzulande zwar nahezu durchgängig digitaler geworden ist – allerdings nicht in einem solchen Maß, dass bereits von einem langfristigen Digitalisierungsschub durch Corona gesprochen werden kann.
  • Die direkten Effekte sind vielmehr ein Homeoffice-Schub: Die Pandemie begünstigte vor allem die Digitalisierung unternehmensinterner Prozesse, zum Beispiel das vernetzte Arbeiten.
Zur detaillierten Fassung

Homeoffice statt Büro, Videokonferenzen statt Dienstreisen, Online-Kurse statt Fortbildung in Präsenzseminaren – die Corona-Pandemie zwang viele deutsche Unternehmen dazu, sich verstärkt digitalen Prozessen und Arbeitsabläufen zu widmen. Entsprechend groß ist in den Firmen mittlerweile das Bewusstsein dafür, welchen Stellenwert die Digitalisierung in der Wirtschaft einnimmt (Grafik):

Knapp zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland sehen eine eher oder sehr große Bedeutung der Digitalisierung für ihr Geschäft.

So viel Prozent der befragten Unternehmen sehen in den kommenden fünf Jahren diesen Stellenwert der Digitalisierung für ihr Geschäft Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Nur rund jedes 17. Unternehmen sagt, dass die Digitalisierung für die geschäftlichen Aktivitäten überhaupt keine Rolle spielen wird.

Die deutsche Wirtschaft ist 2021 im Vergleich zum Vorjahr in nahezu allen Bereichen digitaler geworden – der direkte Effekt ist aber zumindest kurzfristig eher ein Homeoffice-Schub als ein umfassender Corona-Digitalisierungsschub.

Doch wie gut ist die deutsche Wirtschaft insgesamt in Sachen Digitalisierung aufgestellt? Um diese Frage zu beantworten, hat das IW im vergangenen Jahr gemeinsam mit weiteren Projektpartnern den Digitalisierungsindex erarbeitet. Seine jährliche Aktualisierung ermöglicht es, die digitale Entwicklung in Deutschland im Detail zu erfassen.

Für das Jahr 2021 zeigt sich, dass die Wirtschaft hierzulande nahezu durchgängig digitaler geworden ist:

Der deutschlandweite Wert des Digitalisierungsindex stieg gegenüber dem Vorjahr um 8 Punkte.

Die Digitalisierung der Wirtschaft schritt allerdings nicht in einem solch umfassenden Maß voran, dass bereits von einem langfristigen Digitalisierungsschub durch Corona gesprochen werden kann. Die wichtigsten Ergebnisse im Einzelnen:

Digitalisierung nach Branchen. Wie im Vorjahr schneidet wenig überraschend jene Branche am besten ab, zu deren Kern digitale Produkte und Geschäftsmodelle zählen (Grafik):

Mit rund 274 Indexpunkten liegt die Informations- und Kommunikationstechnologie im Digitalisierungsindex vorn. Der Index misst die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft auf der unternehmensinternen und -externen Ebene anhand von insgesamt 37 Indikatoren in zehn Kategorien, der Durchschnitt aller Branchen wurde im Jahr 2020 auf 100 normiert Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Wie bereits 2020 ist die Branche in allen untersuchten Kategorien Spitzenreiter – mit einer Ausnahme: Bei den Forschungs- und Innovationsaktivitäten gewinnt der Fahrzeugbau mit deutlichem Abstand. Der große Industriezweig zählt zusammen mit der Elektrotechnik und dem Maschinenbau sowie den unternehmensnahen Dienstleistern ebenfalls zu den überdurchschnittlich stark digitalisierten Branchen.

Die stärksten Digitalisierungszuwächse verzeichnet der Tourismus, zu dem unter anderem Gastgewerbe und Gastronomie zählen. Zwar liegt der Indexwert der Branche weiterhin unter dem Gesamtdurchschnitt, er steigt jedoch – getrieben von der deutlichen Zunahme digitaler Prozesse infolge der Corona-Pandemie – um fast ein Drittel.

Digitalisierung nach Unternehmensgröße. Im Digitalisierungsindex hat das Duell „Groß gegen Klein“ wie schon im Vorjahr einen klaren Sieger:

Mit 205 Indexpunkten liegen die Unternehmen ab 250 Beschäftigten deutlich vorn, mittelgroße Unternehmen kommen auf 119 Punkte und Betriebe mit maximal 49 Beschäftigten erzielen 94 Punkte.

Während die großen und kleinen Unternehmen im Vergleich zu 2020 ein leichtes Plus verzeichnen, verlieren die mittelgroßen einige Punkte im Index. Dass die großen Firmen so gut abschneiden, verdanken sie vor allem ihren Ergebnissen in den Kategorien Qualifizierung, Prozesse, Forschungs- und Innovationsaktivitäten sowie Innovationslandschaft – beispielsweise kooperieren sie besonders häufig mit anderen Firmen oder Institutionen im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben.

Nur in der Kategorie Produkte laufen kleine Unternehmen den großen und mittleren erneut den Rang ab. Das liegt auch daran, dass besonders viele kleine Unternehmen aus der stark digitalen Informations- und Kommunikationstechnologiebranche stammen.

Digitalisierung nach Bundesländern. Für die Analyse nach Regionen wurden die Bundesländer in vier Gruppen eingeteilt. Alle gewinnen 2021 Indexpunkte hinzu. Am stärksten digitalisiert ist der Süden Deutschlands (Grafik):

Die Region Süd, gebildet aus den Ländern Baden-Württemberg und Bayern, steht mit 129 Punkten weiterhin an der Spitze, gefolgt von der Bundesländergruppe Nord – Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein –, die auf 113 Punkte kommt.

Der Digitalisierungsindex misst die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft auf der unternehmensinternen und -externen Ebene anhand von insgesamt 37 Indikatoren in zehn Kategorien, der Durchschnitt aller Bundesländergruppen wurde im Jahr 2020 auf 100 normiert Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Etwas deutlicher unter dem Durchschnitt liegen die Bundesländergruppe West, zu der Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland gezählt werden, sowie die ostdeutschen Länder. Letztere verzeichnen im Vergleich zu 2020 zudem den geringsten Anstieg an Indexpunkten – während die anderen drei Bundesländergruppen jeweils um rund 16 Prozent zulegen, sind es im Osten nur gut 4 Prozent.

Digitalisierung nach Regionstypen. Auch auf Ebene der verschiedenen Regionstypen, die anhand der Siedlungsdichte gebildet werden, zeigen sich durchgehend Zuwächse. Dabei schneiden die großen Ballungsgebiete wie zum Beispiel Berlin, München und Köln mit im Schnitt 136 Punkten am besten ab, während die gering verdichteten ländlichen Räume mit 90 Indexpunkten das Schlusslicht bilden.

Die höchsten Punktzahlen erzielen die Agglomerationen in Kategorien, die die Innovationskraft messen, sowie in der technischen Infrastruktur, die unter anderem die Verfügbarkeit von schnellem Breitbandinternet erfasst. In den ländlichen Räumen zeigt sich: Unternehmensinterne Fortschritte in puncto Digitalisierung erfolgen vor allem dann, wenn die externen technischen Rahmenbedingungen verbessert werden.

Entwicklungspotenzial vorhanden

Insgesamt deuten die Ergebnisse des Digitalisierungsindex darauf hin, dass der direkte Effekt zumindest kurzfristig eher ein Homeoffice-Schub als ein umfassender Corona-Digitalisierungsschub ist. Zwar begünstigte die Pandemie die Digitalisierung der unternehmensinternen Prozesse – zum Beispiel das vernetzte Arbeiten –, die Produkte und Geschäftsmodelle der Firmen wurden im Vergleich zum Vorjahr aber nur wenig digitaler.

Nichtsdestotrotz kann die positive Entwicklung der externen Kategorien dazu führen, dass die Wirtschaft in Deutschland auch bei den unternehmensinternen Kategorien künftig zulegen kann – erst recht, wenn sich die negativen Auswirkungen der Pandemie auf das Investitionsbudget und die Umsatzzahlen abgeschwächt haben.

Der für das Ausgangsjahr 2020 für Deutschland auf 100 normierte und jährlich fortgeschriebene Index setzt sich aus einem unternehmensinternen und einem unternehmensexternen Subindex zusammen. Unternehmensintern wird die Digitalisierung anhand von fünf Kategorien gemessen: Prozesse, Produkte, Geschäftsmodelle, Qualifizierung sowie Forschungs- und Innovationsaktivitäten. Der externe Subindex gliedert sich ebenfalls in fünf Kategorien: technische Infrastruktur, administrativrechtliche Rahmenbedingungen, Gesellschaft, Humankapital und Innovationslandschaft. Insgesamt sind diesen Kategorien 37 Indikatoren zugeordnet, die durch Normierungsverfahren vergleichbar gemacht werden. Der Digitalisierungsindex ist Teil des Projekts „Entwicklung und Messung der Digitalisierung der Wirtschaft am Standort Deutschland“ im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Die Projektpartner sind: das ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, das Institut der deutschen Wirtschaft (IW), die IW Consult, das Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) an der RWTH Aachen und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

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