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Interview: „Weniger Subventionen sind nicht automatisch besser“

Das geplante Subventionsvolumen des Bundes in diesem Jahr ist nahezu doppelt so hoch wie 2019. Warum Subventionen trotzdem nicht zwingend abgebaut, sondern vielmehr regelmäßig hinterfragt und an neue Entwicklungen angepasst werden müssen, erklärt Tobias Hentze, Senior Economist für Finanz- und Steuerpolitik im Institut der deutschen Wirtschaft.

Kernaussagen in Kürze:
  • Für IW-Finanzexperte Tobias Hentze muss es nicht zwingend das Ziel der Finanzpolitik sein, Subventionen unverzüglich zurückzunehmen.
  • Er fordert allerdings, dass jede Subvention regelmäßig in ihrer Höhe, ihrem Ziel und ihrer Wirkung geprüft, ihre Ausgestaltung hinterfragt und gegebenenfalls angepasst werden muss.
  • Sollten Subventionen abgebaut werden, müsse die Regierung Prioritäten setzen und entscheiden, welche erhofften Lenkungseffekte ihr am wichtigsten sind.
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Subventionen abbauen zu wollen, haben die unterschiedlichen Bundesregierungen immer wieder verkündet. Trotzdem steigen die Ausgaben Jahr für Jahr. Wie glaubwürdig ist das erneute Vorhaben der Ampelkoalition?

Die Erfahrung zeigt, dass es immer schwierig ist, eine einmal eingeführte Subvention wieder zurückzunehmen oder einzuschränken. Das ist ähnlich wie bei einer Steuererhöhung: Die Menschen haben dann das Gefühl, weniger als zuvor vom Staat zu bekommen, was oft als ungerecht empfunden wird.

Es geht aber ja auch gar nicht per se darum, jede Subvention unverzüglich zurückzunehmen. Weniger Subventionen sind nicht automatisch besser als mehr Subventionen. Es geht vor allem darum, welche Ziele damit verfolgt werden. Das muss die neue Regierung noch klarer beantworten – welche Daseinsberechtigung hat eine bestehende Subvention? Welche positiven Effekte soll sie in welchem Zeitraum bewirken? Genauso muss überlegt werden, wann eine bestehende Subvention eingeschränkt oder zurückgenommen werden kann.

Das ist zunächst die Aufgabe jeder Regierung, nicht nur der neuen Ampelkoalition. Da der Umfang der Subventionen in den vergangenen Jahren aber deutlich gestiegen ist, stellt sich die Frage im Vergleich zu Zeiten, in denen es weniger Subventionen gab, aktuell ganz besonders. Die neuen Regierungsparteien stehen jetzt auch in einer selbst auferlegten Pflicht, da sie im Koalitionsvertrag angekündigt haben, Finanzhilfen und Steuervergünstigungen hinterfragen und abbauen zu wollen.

Tobias Hentze ist Senior Economist für Finanz- und Steuerpolitik im Institut der deutschen Wirtschaft; Foto: IW Medien Welche Subventionen können denn getrost gestrichen werden?

Das hängt von der Zielsetzung der Politik ab. Im Koalitionsvertrag ist die Rede vom Abbau von „überflüssigen, unwirksamen und umwelt- und klimaschädlichen Subventionen und Ausgaben“. Das ist noch sehr unkonkret. Grundsätzlich sollte zunächst jede Subvention ihre Rechtfertigung haben – sonst wäre sie widersinnig. Am Ende geht es darum, wie schwer diese Rechtfertigung im Vergleich zu anderen Argumenten wiegt. Man muss schlicht abwägen, wie öffentliche Gelder am besten verwendet werden. Die Regierung muss auch bei den Subventionen Prioritäten setzen und entscheiden, welche erhofften Lenkungseffekte ihr am wichtigsten sind und wie diese mit möglichst geringem Mitteleinsatz erreicht werden können.

Zeigt der kürzlich durch eine Antragsflut ausgelöste Förderstopp bei der Gebäudesanierung nicht generell, dass die Politik mit ihrer Subventionspolitik am Ziel vorbeischießt?

In der energetischen Gebäudesanierung und dem effizienten Wohnungsbau haben wir in Deutschland noch viel zu tun. Um den Klimaschutz in diesen Bereichen zu fördern, können Subventionen zunächst einmal ein wichtiges Instrument sein. In diesem Fall hat die Subvention auch dazu geführt, dass klimafreundlicher gebaut wird. Allerdings wurde die KfW-Förderung der Effizienzhäuser der Stufe 55 zu lange beibehalten, da diese sich letztes Jahr als Standard im Neubau etabliert hat. Darum gab es möglicherweise Mitnahmeeffekte – darauf deutet die Antragsflut hin. Eine Subvention soll Anreize setzen, etwas Bestimmtes zu tun, man soll aber nicht Geld für etwas bekommen, was man im Grunde ohnehin getan hätte. Das ist ein schmaler Grat.

Die Regierung muss bei den Subventionen Prioritäten setzen und entscheiden, welche erhofften Lenkungseffekte ihr am wichtigsten sind und wie diese mit möglichst geringem Mitteleinsatz erreicht werden können.

Beim Ziel der Klimaneutralität bis 2045 haben wir es aber mit einem längerfristigen Projekt zu tun. Daher geht es auch darum, in den kommenden Jahren die Subventionen in ihrer konkreten Ausgestaltung zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen, wenn sich Rahmenbedingungen ändern. Der Förderstopp heißt ja nicht, dass es keine neue, eventuell modifizierte Subvention in diesem Bereich geben wird. Ich gehe davon aus, dass wir auch in zehn, fünfzehn Jahren Subventionen im Sinne des Klimaschutzes haben werden – aber eben nicht dieselben wie heute. Das ist ein stetiger Prozess.Generell sollte aber jede Subvention nur temporär sein. Wenn das nicht das Ziel der Politik ist, ist die entsprechende Subvention fehl am Platz. Ein gutes Beispiel ist die Kaufprämie für E-Autos, die es auch nicht für immer geben kann.

Ein Finanzhilfeposten in Höhe von fast 900 Millionen Euro ist die Förderung von Breitbandnetzen. Warum gelingt es hier dem Staat nicht, die Kosten wie beim Mobilfunk auf die Anbieter abzuwälzen?

Die Frage bei einer privaten Investition ist immer, wie sie sich für den Investor rentiert. Insbesondere in den sehr ländlichen und dünner besiedelten Regionen Deutschlands ist der Investitionsrückfluss beim Breitbandausbau aber nicht gerade hoch und der private Investitionsanreiz somit sehr gering. Wenn man diese Regionen nicht abhängen will, bedarf es im Zweifelsfall einer staatlichen Unterstützung.

Das soll aber nicht heißen, dass die 900 Millionen Euro auf den Cent genau richtig angesetzt sind. Auch hier gilt wieder: Die Subvention muss regelmäßig in ihrer Höhe, ihrem Ziel und ihrer Wirkung geprüft, ihre Ausgestaltung hinterfragt und gegebenenfalls angepasst werden.

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