Haushalte vom Preisanstieg unterschiedlich stark betroffen
Wenn die Verbraucherpreise steigen, trifft das nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen. So ist die Inflationsrate der Haushalte mit einem geringen Einkommen längerfristig betrachtet höher als jene der reicheren Haushalte. Ein Grund dafür ist, dass die verschiedenen Haushaltstypen unterschiedliche Konsummuster haben. Dabei ist der Einfluss einer bestimmten Gütergruppe besonders groß.
- Der Anstieg der Verbraucherpreise trifft die einzelnen Bevölkerungsgruppen unterschiedlich hart: Die Inflationsrate ist für ärmere und ältere Haushalte tendenziell höher als für reichere und jüngere.
- Ein maßgeblicher Grund ist die unterschiedliche Konsumstruktur der einzelnen Haushaltstypen.
- Die Politik kann auf die individuellen Inflationsraten wenig Einfluss nehmen, generell ließen sich negative Inflationseffekte aber dadurch abmildern, dass die kalte Progression im Einkommensteuertarif reduziert oder abgeschafft würde.
Der Kassenzettel im Supermarkt oder die Abrechnung des Energieversorgers zeigen: Die Preise in Deutschland steigen so stark wie lange nicht. Darüber ärgern sich wohl alle Bundesbürger. Doch trifft eine höhere Inflationsrate wirklich jeden Haushalt gleichermaßen? Dieser Frage ist das Institut der deutschen Wirtschaft nachgegangen und hat die Inflationsraten für verschiedene Haushaltstypen seit Mitte der 1990er Jahre anhand zentraler Unterscheidungsmerkmale untersucht:
Einkommen. Teilt man die Konsumgüter danach auf, ob sie sich in den vergangenen Jahren stärker, gleichermaßen oder weniger verteuert haben, zeigt sich für die Haushalte eine sich mit dem Einkommen deutlich verändernde Konsumstruktur: Je reicher der Haushalt, desto größer ist der Anteil jener Waren und Dienstleistungen am Gesamtkonsum, deren Preise unterdurchschnittlich gestiegen sind.
Die Inflationsrate der Haushalte in Deutschland ist tendenziell umso niedriger, je höher ihr Nettoeinkommen ist – ein Grund liegt darin, dass reichere Haushalte tendenziell einen größeren Anteil ihres Budgets für Elektronikprodukte ausgeben, die seit Mitte der 1990er Jahre deutlich günstiger geworden sind.
Die Inflationsrate der wohlhabenderen Haushalte müsste demnach tendenziell niedriger sein als jene der Haushalte mit niedrigeren Einkommen. Und tatsächlich (Grafik):
In einem durchschnittlichen Fünfjahreszeitraum zwischen 1995 und 2021 betrug die Inflationsrate für Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von weniger als 900 Euro 6,6 Prozent – die Preise des typischen Warenkorbs der Haushalte mit einem Einkommen von mehr als 5.000 Euro netto pro Monat stiegen dagegen nur um 5,5 Prozent.
Schaut man auf die Beiträge der einzelnen Gütergruppen zur jeweiligen Teuerungsrate, wird auch klar, warum das so ist. Zum einen sinkt etwa mit zunehmendem Einkommen der Anteil der Nahrungsmittel am gesamten Konsum eines Haushalts. Lebensmittel gehören jedoch zu jenen Gütern, die sich im betrachteten Gesamtzeitraum überdurchschnittlich stark verteuert haben.
Zum anderen geben Haushalte einen umso größeren Anteil ihres Budgets für Elektronikprodukte wie Fernseher, Computer und Handys aus, je höher ihr Einkommen ist. Diese Güter sind seit Mitte der 1990er Jahre deutlich günstiger geworden, wenn man die enorme Qualitätsentwicklung herausrechnet:
Der Preisindex für Informationsverarbeitungsgeräte ist laut Statistischem Bundesamt seit 1995 von 1.085 auf 89 gefallen – ein Rückgang um 92 Prozent.
Von dieser qualitätsbereinigten Preissenkung profitieren aufgrund der unterschiedlichen Konsummuster die reicheren Haushalte wesentlich stärker als die ärmeren.
Alter. Der gleiche Effekt prägt auch die Inflationsunterschiede in den Haushalten, wenn man diese nach dem Alter des Hauptverdieners gruppiert. Denn es sind vor allem die Jungen, die Produkte der Unterhaltungselektronik und Informationstechnologie stark nachfragen, während Ältere sich in der Regel nicht so stark für die neuesten Smartphones, Fernseher oder Spielekonsolen interessieren.
Dagegen spielen für die Haushalte mit zunehmendem Alter ihrer Bewohner jene Waren und Dienstleistungen eine immer größere Rolle, die sich um das Thema Gesundheit drehen. Deren Preise wiederum sind in den zurückliegenden zweieinhalb Jahrzehnten mit jahresdurchschnittlich 1,9 Prozent verhältnismäßig stark gestiegen.
Unterm Strich führen diese unterschiedlichen Konsumgewohnheiten dazu, dass die älteren Jahrgänge seit 1995 erheblich stärker mit dem Thema Inflation konfrontiert waren als ihre Kinder und Enkel:
Für Haushalte mit einem Haupteinkommensbezieher im Alter zwischen 18 und 24 Jahren stiegen die Preise für einen typischen Warenkorb innerhalb von fünf Jahren um 3,6 Prozent – bei den über 80-Jährigen belief sich die Teuerungsrate dagegen auf 8,3 Prozent.
Die Haushalte in Deutschland lassen sich noch anhand weiterer Kriterien auf Inflationsunterschiede hin untersuchen. Gruppiert man die Haushalte zum Beispiel nach ihrer Teilhabe am Arbeitsmarkt, zeigt sich, dass Angestellte im analysierten Zeitraum im Schnitt weniger stark von der Inflation betroffen waren als Rentner. Hierfür ist wiederum nicht zuletzt das unterschiedliche Gewicht der Kommunikations- und Unterhaltungselektronik am jeweiligen Warenkorb ausschlaggebend. Dabei dürfte sich auch niederschlagen, dass zwischen der Arbeitsmarktpartizipation und dem Einkommen sowie dem Alter ein enger Zusammenhang besteht.
Langfristig erhebliche Inflationsunterschiede
Insgesamt mögen die Unterschiede zwischen den Preiserhöhungen, mit denen die einzelnen Haushaltstypen innerhalb von fünf Jahren zurechtkommen mussten, nicht allzu gravierend wirken. Längerfristig sind die Differenzen aber zum Teil doch erheblich (Grafik):
Während Haushalte mit einem Konsummuster von 18- bis 24-Jährigen seit 1995 für ihren Warenkorb nur knapp 19 Prozent mehr ausgeben mussten, betrug die Teuerung für Haushalte mit der typischen Konsumstruktur von über 80-Jährigen fast 43 Prozent.
Und in den Haushalten mit den höchsten Einkommen war die gesamte Preissteigerung seit 1995 mit 28 Prozent um fast 6 Prozentpunkte geringer als in den Haushalten mit den niedrigsten Einkommen.
Politik kann mit dem Steuertarif gegensteuern
Was bedeutet dies nun für die Politik? Eine Steuerung individueller Inflationsraten durch die Geldpolitik ist keine Option. Generell ließen sich die negativen Effekte der Inflation auf die Haushalte aber dadurch abmildern, dass die sogenannte kalte Progression – nominale Einkommenssteigerungen werden mit einem höheren Steuersatz „bestraft“, sodass real weniger Einkommen für den Konsum verfügbar ist – im Einkommensteuertarif reduziert oder abgeschafft würde. Dazu müssten die Bemessungsgrenzen im Tarif konsequent an die Inflation angepasst werden.