Klimapolitik Lesezeit 4 Min.

Interview: „Investitionen in den Klimaschutz können auch ökonomisch sinnvoll sein“

Mit den angepassten Klimavorgaben hat sich die Bundesregierung hochgesteckte Ziele gesetzt. Im iwd-Interview erläutern die IW-Wissenschaftlerin Sarah Fluchs und der IW-Wissenschaftler Andreas Fischer, wie umfangreiche Investitionen helfen können, diese Ziele zu erreichen und warum auch kurzfristig akute Klimafolgen bekämpft werden müssen.

Kernaussagen in Kürze:
  • Um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen, wird Deutschland viel Geld in die Hand nehmen müssen – erklären die IW-Umweltökonomen Sarah Fluchs und Andreas Fischer im iwd-Interview.
  • Es geht allerdings nicht mehr ausschließlich darum, das Klima präventiv zu behandeln – es muss zusätzlich Geld investiert werden, um akute Klimafolgen zu bekämpfen.
  • Die öffentliche Hand sollte vor allem Bürokratiehürden abbauen und Infrastrukturen bereitstellen, die neue Technologien ermöglichen, fordern die Wissenschaftler.
Zur detaillierten Fassung

Frau Fluchs, Herr Fischer, wie stehen Sie zu den neuen Klimazielen der Bundesregierung?

Fischer: Ambitionierte Ziele sind ein notwendiger erster Schritt, nun kommt es aber auf die Umsetzung an. Deutschland wird jetzt viel Geld in die Hand nehmen müssen. Die Ausbauziele der im vergangenen Jahr verabschiedeten Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz reichen zum Beispiel hinten und vorne nicht, hier muss der Staat nachbessern.

Gehen Sie davon aus, dass Deutschland die gesteckten Ziele erreichen kann?

Fluchs: Ja, sofern die Voraussetzungen dafür stimmen. Es geht nicht um die Frage, ob wir es schaffen oder nicht, sondern darum, wie wir es schaffen. Es kommt jetzt darauf an, je nach Wirtschaftssektor die richtigen Maßnahmen zu finden und diese entsprechend umzusetzen.

Verpasst der Staat gerade seine Aufgabe, Innovations- und Forschungsanreize zu setzen?

Fluchs: Ich habe den Eindruck, dass die deutschen Unternehmen sehr gewillt sind, Innovationen voranzutreiben und sowohl auf Länder- als auch Bundesebene dahingehend gut unterstützt werden. Der Knackpunkt für die Unternehmen ist die Planungssicherheit: Mit welchen Unterstützungsmaßnahmen kann ich langfristig planen, um sicherzugehen, dass sich große Innovationen auch wirtschaftlich lohnen?

Fischer: Genau, viele Unternehmen brauchen einfach diese Sicherheit – wenn Wasserstoff in der Stahlproduktion eingesetzt werden soll, muss die Pipeline dafür bereitstehen, sobald das Unternehmen so weit ist, seine Prozesse umzustellen. Das gleiche Prinzip gilt auch bei den erneuerbaren Energien: Ich kann als Unternehmen nur klimaneutral produzieren, wenn der grüne Strom in ausreichender Menge vorhanden ist und bei mir ankommt. Das ist ein Bereich, in dem die Politik in der Vergangenheit mehr hätte umsetzen können.

Gibt es Beispiele dafür, dass staatliche Investitionen schon gut funktionieren?

Fischer: Die Photovoltaikanlagen sind so ein Fall, die werden in Deutschland seit mittlerweile mehr als 20 Jahren über das Erneuerbare-Energien-Gesetz gefördert. Der Staat hat hier viel investiert und stottert davon noch viele Milliarden pro Jahr ab – kosteneffizient war das Ganze nicht. Was Deutschland aber geschafft hat: Weil es sich durch die öffentlichen Investitionen wirtschaftlich lohnt, wurden immer mehr Solaranlagen gebaut, wodurch auch die Kosten sanken.

Wichtig ist, sowohl in den Klimaschutz als auch in die Bekämpfung der Folgen zu investieren, das eine kann das andere nicht ersetzen.

Es muss also zunächst einmal viel Geld investiert werden, damit Skaleneffekte erreicht werden können und die Kosten dauerhaft sinken – je größer die Produktion ist, desto günstiger wird es in der Summe. Aktuell sinken die Preise vieler grüner Technologien, da die Nachfrage steigt, mehr produziert wird und sich so die Durchschnittskosten verringern.

Kann Deutschland hier eine Vorreiterrolle einnehmen?

Sarah Fluchs und Andreas Fischer sind Umweltökonomen am IW Köln; Fotos: IW Medien Fluchs: Prinzipiell ja. Es ist aber sehr schwierig, die direkten Vorteile solcher Investitionen zu zeigen. Man sieht zwar, dass es erneuerbare Energien zu günstigeren Preisen gibt, die positiven Auswirkungen auf das Klima sind aber natürlich nicht lokal beschränkt und folgen zeitlich nicht unmittelbar. Deswegen ist eine direkte Zuordnung zu den konkreten Maßnahmen oft schwierig.

Fischer: Es geht ja nicht nur darum, ein gutes Beispiel zu sein. Eigentlich ist es einfach: Wenn eine grüne Technologie gut erforscht und etabliert ist, sie funktioniert, günstig ist und sich obendrein mit ihr Geld verdienen lässt – dann wollen viele diese Technologie haben. Investitionen in den Klimaschutz können deswegen auch eine einfache Businessentscheidung sein. Die Nachfrage nach grünen Technologien steigt aktuell weltweit, die könnte Deutschland gerade als Exportnation gut bedienen. Als hiesiges Unternehmen verpasst man Chancen und Märkte, wenn man jetzt nicht investiert.

Es wird oft von langfristigen Investitionen in den Klimaschutz gesprochen. Viele Klimafolgen sind aber aktuell schon spürbar – muss deshalb nicht auch kurzfristig investiert werden, um akute Klimafolgen zu bekämpfen und mit klimatischen Veränderungen besser umzugehen?

Fluchs: Richtig, denn wir stecken schon mitten im Klimawandel und müssen zusehen, dass wir auch akute Klimafolgen bekämpfen und Vorkehrungen treffen. Es geht nicht mehr ausschließlich darum, das Klima präventiv zu behandeln – es muss heute zusätzlich Geld in die Hand genommen werden, um Schadensbegrenzung zu betreiben.

Fischer: Wichtig ist, sowohl in den Klimaschutz als auch in die Bekämpfung der Folgen zu investieren, das eine kann das andere nicht ersetzen. Windräder werden das Hochwasser nicht aufhalten, nur ein Damm hilft aber auch nicht gegen die Erderwärmung.

Worin liegt die Schwierigkeit, beides zu verbinden?

Fluchs: Ein Punkt ist sicherlich die Akzeptanz in der Bevölkerung. Man muss vermitteln, dass sowohl Präventiv- als auch Sofortmaßnahmen nötig sind. Es darf aber auch nicht die Erwartung entstehen, dass die Effekte von großen Investitionen in den Klimaschutz in zwei bis drei Jahren direkt spürbar sind. Hier muss der Staat die Menschen sensibilisieren und aufklären.

Was könnten aktuell sinnvolle Investitionen sein?

Fischer: Die öffentliche Hand sollte vor allem Infrastrukturen bereitstellen, die neue Technologien ermöglichen. Ein potenzieller E-Autofahrer baut sich seinen Ladepunkt nicht selbst an die Autobahn – wenn es aber genug davon gibt, steigt er vielleicht auf einen elektrischen Wagen um. Ebenso brauchen wir weitere Investitionen in eine erneuerbare Energieversorgung. Für Unternehmen gilt es, die Umstellung auf klimafreundliche Produktionsprozesse voranzutreiben. Aber auch private Haushalte können sinnvoll investieren, beispielsweise in Photovoltaikanlagen mit Batteriespeichern oder Wärmepumpen. Leider scheitern viele solcher Ausgaben noch oft an den hohen Bürokratiehürden in Deutschland. Solche Hemmnisse müssen dringend abgebaut werden.

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