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Deutschlands Klimaziele: Es gibt viel zu tun

Die Bundesregierung hat neue Klimaschutzziele beschlossen, die für alle Wirtschaftsbereiche ambitioniertere CO2-Emissionsminderungen vorsehen. Um die Klimaziele zu erreichen, sind umfangreiche Investitionen und ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien nötig.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die neuen deutschen Klimaziele sind eine große Herausforderung für die Verbraucher und die Wirtschaft.
  • Wenn Deutschland bis 2045 klimaneutral sein soll, müssen jetzt umfangreiche Investitionen und ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden.
  • Unternehmen, die nicht zeitnah in den Klimaschutz investieren, riskieren umfangreiche Einschränkungen und höhere CO2-Vermeidungskosten.
Zur detaillierten Fassung

Als das Bundesverfassungsgericht im April 2021 den Gesetzgeber verpflichtete, das nicht mal zwei Jahre alte Klimaschutzgesetz für die Zeit nach 2030 näher zu regeln, hat kaum jemand damit gerechnet, dass die Bundesregierung innerhalb weniger Wochen ein neues Gesetz präsentiert: Die Treibhausgasemissionen, die in Deutschland ausgestoßen werden dürfen, sind gegenüber den ursprünglich angesetzten Zielen nun noch einmal verringert worden (Grafik):

In der ersten Fassung des Klimaschutzgesetzes betrug der maximale CO₂-Ausstoß für das Jahr 2030 in Deutschland 563 Millionen Tonnen, nun sind es 437 Millionen Tonnen.

Treibhausgasemissionen in Millionen Tonnen Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Im Jahr 2040 dürfen nur noch höchstens 150 Millionen Tonnen Treibhausgase ausgestoßen werden und im Jahr 2045 nur noch so viel, wie an anderer Stelle durch Negativemissionstechnologien wie beispielsweise Aufforstung oder das Abfangen und Speichern von CO2 aus der Luft ausgeglichen werden können. Damit peilt Deutschland die Treibhausgasneutralität fünf Jahre früher an als die Europäische Union, die 2050 klimaneutral sein will.

Zusätzliche Anstrengungen sind nötig

Klar ist, dass dieses Ziel erheblicher zusätzlicher Anstrengungen bedarf. Zwar hat Deutschland sein Klimaziel für das Jahr 2020 erreicht: Statt der maximal zulässigen 751 Millionen Tonnen CO2 wurden hierzulande zuletzt nur rund 739 Millionen Tonnen Treibhausgase emittiert. Doch 2020 war ein Ausnahmejahr – rund ein Drittel der deutschen Emissionsminderungen in diesem Jahr ging auf die Corona-Pandemie zurück. Weil weniger Auto und Bahn gefahren wurde, Flieger am Boden blieben und ungenutzte Gebäude und Industrieanlagen weniger Strom und Heizenergie verbrauchten, sanken die CO2-Emissionen stärker als in den Vorjahren. Den größten Treibhausgasrückgang verzeichnete die Energiewirtschaft, die vor allem aufgrund der geringeren Kohleverstromung im Jahr 2020 rund 38 Millionen Tonnen CO2 weniger ausstieß als 2019.

Doch was passiert, wenn die Menschen wieder alte Routinen aufnehmen und auch die Wirtschaft wieder hochfährt? Dann steigt auch der Energieverbrauch und damit automatisch der CO2-Ausstoß. Vermeiden lässt sich dieser Mechanismus nur durch den Ausbau klimaschonender Technologien und durch Produkte auf Basis von erneuerbarem Strom.

Ökostrom-Anteil steigt deutlich

Tatsächlich wird der Strom in Deutschland immer grüner (Grafik):

Im Jahr 2020 hatten die erneuerbaren Energien bereits einen Anteil von 46 Prozent am gesamten Bruttostromverbrauch.

So viel Prozent des Bruttostromverbrauchs in Deutschland stammt aus erneuerbaren Energien Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Das war nicht nur doppelt so viel wie im Jahr 2012 – Deutschland hat damit auch sein Ziel von 35 Prozent für das Jahr 2020 deutlich übertroffen. Das Problem an dieser Bilanz: Der Netzausbau hinkt hinterher. Von den gut 1.800 Kilometern Höchstspannungsnetz, die für Deutschlands künftige Energieversorgung als notwendig erachtet werden, waren im dritten Quartal 2020 erst 994 Kilometer fertiggestellt.

Die neuen Klimaziele verlangen von allen Wirtschaftsbereichen zusätzliche Emissionseinsparungen.

Bis 2030 soll der Ökostrom-Anteil in Deutschland auf 65 Prozent steigen. Um die neuen Klimaziele zu erfüllen, müsste der Anteil allerdings mehr als 70 Prozent betragen. So viel grüner Strom lässt sich nur erzeugen, wenn jetzt massiv Wind- und Solaranlagen gebaut werden. Bei der Windkraft lahmt der Ausbau allerdings schon seit einiger Zeit: Statt der geplanten knapp drei Gigawatt Zubau pro Jahr schaffte Deutschland im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre gerade mal 1,4 Gigawatt. Ursache dafür sind die langen komplexen Genehmigungsverfahren und die Einschränkung verfügbarer Flächen. Zudem regt sich vielerorts der Widerstand der Anwohner. Die Folge:

Im Durchschnitt vergehen von der Planung bis zur Inbetriebnahme eines neuen Windparks in Deutschland insgesamt etwa sechs Jahre.

In die Zukunft investieren

Doch mit einer ausreichenden Menge an bezahlbarem grünen Strom allein ist es nicht getan. Die neuen Klimaziele verlangen von allen Wirtschaftsbereichen zusätzliche Emissionseinsparungen. Der Gebäudesektor, die Land- und Abfallwirtschaft, die Industrie, der Verkehrssektor und die Energiewirtschaft müssen nun mit geringeren CO2-Budgets zurechtkommen als im alten Klimagesetz vorgesehen. Das erfordert zeitnahe umfassende Investitionen, denn Abwarten kostet: Wer nicht zeitnah in den Klimaschutz investiert, trägt nicht nur dazu bei, dass die Erderwärmung weiter voranschreitet, sondern riskiert umfangreiche Einschränkungen und höhere CO2-Vermeidungskosten.

CO2-Vermeidungskosten bezeichnen zusätzliche Kosten, die bei der Einsparung von CO2-Emissionen – zum Beispiel durch die Umstellung auf klimaschonende Prozesse – entstehen. Obwohl aktuell klimafreundliche Technologien beispielsweise im Gebäude-, Verkehrs- und Industriesektor häufig noch deutlich teurer sind als konventionelle Prozesse und Produkte, müssen schon jetzt umfangreiche Investitionen getätigt werden, sodass durch Skaleneffekte langfristige Kostensenkungen angeregt werden.

Ein Beispiel dazu: Der Preis von Elektrofahrzeugbatterien ist aufgrund der erzielten Skaleneffekte in der Batterieproduktion seit 2010 auf weniger als ein Siebtel der ursprünglichen Kosten gesunken. Diese Kostenreduktionen resultieren sowohl aus den gestiegenen Verkaufszahlen als auch aus den getätigten Investitionen in die entsprechenden Technologien. Diese Entwicklung lässt sich auch bei Fahrzeugen beobachten – der Preis für E-Autos wird sich immer weiter an die Kaufpreise für konventionell angetriebene Fahrzeuge annähern, sodass die CO2-Vermeidungskosten für Elektroautos sukzessive sinken werden.

Nicht zuletzt bilden zielgerichtete Investitionen, die dem Klimaschutz dienen, die Grundlage für wettbewerbsfähige grüne Technologien – und ermöglichen auf dem Weltmarkt agierenden Unternehmen, sich frühzeitig künftige Absatzmärkte für klimafreundliche Güter zu sichern.

Einen Teil der Klimaschutzausgaben wird der Staat finanzieren: So hat die Bundesregierung angekündigt, 8 Milliarden Euro im Rahmen des Pakets „Sofortprogramm 2022“ beizusteuern.

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