Klimapolitik Lesezeit 4 Min.

Deutschland braucht große Investitionen in den Klimaschutz

Um die neuen ambitionierten Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen, braucht Deutschland vor allem eins: umfangreiche Investitionen. Bleiben geeignete Maßnahmen aus, können die Ziele nur unter volkswirtschaftlichen Verlusten und gravierenden Einschnitten erreicht werden, wie das Beispiel der Corona-Krise zeigt.

Kernaussagen in Kürze:
  • Die deutschen Klimaziele wurden im vergangenen Jahr nur durch die Folgen der Corona-Krise erreicht – dem standen allerdings immense Umsatzeinbrüche in nahezu jeder Branche gegenüber.
  • Um die neuen Klimaziele auch ohne solch gravierenden Einschnitte in den Alltag wie während der Lockdowns zu erreichen, muss der Staat schon jetzt Anreize für umfangreiche Investitionen setzen.
  • Ein Beispiel, wie es funktionieren kann, liefert der Blick auf die Preisentwicklung von Photovoltaikanlagen.
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Zu kurzsichtig, nicht zielführend und viel zu lasch: Auf das deutsche Klimaschutzgesetz von 2019 hagelte es Kritik. Sogar das Bundesverfassungsgericht schaltete sich ein und verpflichtete den Gesetzgeber im April 2021, die Ziele für die Zeit nach 2030 zu spezifizieren.

Im Kern des Urteils steht die Generationengerechtigkeit: Die Kosten des Klimaschutzes sollen nicht auf zukünftige Generationen abgewälzt werden. Die Bundesregierung reagierte schnell und verringerte die Vorgabe, wie viel Treibhausgasemissionen in Deutschland 2030 noch ausgestoßen werden dürfen, gegenüber den ursprünglichen Zielen um rund 125 Millionen Tonnen CO2. Die Treibhausgasneutralität soll schon 2045 erreicht werden.

Diese Ziele sind ambitioniert und bedürfen großer zusätzlicher Anstrengungen (siehe "Deutschlands Klimaziele: Es gibt viel zu tun") – der Staat muss in grüne Technologien und die Klimaforschung investieren, in zahlreichen Branchen müssen Arbeits- und Fertigungsschritte auf klimaschonende Prozesse umgestellt werden. Das ist oft mit hohen Kosten verbunden. Solche Ausgaben werden CO2-Vermeidungskosten genannt – das ist der Preis, den es kostet, bestimmte Mengen an CO2 einzusparen. Je nach Sektor und Branche sind die Vermeidungskosten unterschiedlich hoch: So sind klimafreundliche Technologien zum Beispiel im Verkehrs- und Industriesektor in der Regel noch deutlich teurer als konventionelle Prozesse und Produkte.

Deutschland braucht zeitnahe und umfangreiche Investitionen in den Klimaschutz. Ansonsten können die Klimaschutzziele nur unter hohen volkswirtschaftlichen Kosten oder gravierenden Einschnitten in den Alltag erreicht werden.

Mögliche Kosteneinsparungen in diesen Bereichen ergeben sich jedoch nicht durch schlichtes Warten auf günstigere Alternativen. Vielmehr muss der Staat schon jetzt Anreize für umfangreiche Investitionen setzen und bürokratische Hürden beim Umstieg auf neue Technologien beseitigen, um die Klimaziele zu erreichen und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen zu sichern.

Ein Beispiel liefert der Blick auf die Preisentwicklung von Photovoltaikanlagen: Aufgrund der starken Investitionen ist der Endkundenpreis für Solaranlagen in Deutschland von 2006 bis 2019 um rund drei Viertel gesunken. Das verringert auch deren CO2-Vermeidungskosten deutlich (Grafik):

In den vergangenen 15 Jahren sind die Kosten für eine eingesparte Tonne CO₂ durch Solarstromanlagen um mehr als 90 Prozent gesunken.

So viel Euro kostet(e) eine eingesparte Tonne CO2 durch... Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Ähnlich verhält es sich bei E-Batterien für Elektroautos, die mittlerweile weniger als ein Siebtel dessen kosten, was noch vor zehn Jahren zu zahlen war. Der Grund: Da immer mehr Menschen auf batteriebetriebene Fahrzeuge umsteigen und die Verkaufszahlen in die Höhe schießen, profitieren die Hersteller von Skaleneffekten – die Durchschnittskosten pro Batterie sinken, wenn mehr davon produziert werden.

Die Kosten des Wartens

Bleiben geeignete politische Maßnahmen und Investitionen jedoch aus, können die Klimaschutzziele nur unter hohen volkswirtschaftlichen Kosten erreicht werden – beispielsweise, wenn Unternehmen aufgrund fehlender Möglichkeiten zur klimafreundlichen Produktion ins Ausland abwandern. Eine andere, ebenso wenig wünschenswerte Alternative wären gravierende Einschnitte in den Alltag, um den CO2-Ausstoß zu senken. Ein gutes Beispiel dafür liefern die Lockdowns zur Eindämmung der Corona-Pandemie, als die Wirtschaft stark heruntergefahren wurde.

So sparte die Bundesrepublik 2020 knapp 71 Millionen Tonnen CO2 ein – rund ein Zehntel ihrer Emissionen. Laut Umweltbundesamt entfiel gut ein Drittel davon auf die Pandemie, etwa durch den reduzierten Pendlerverkehr als Folge von Kurzarbeit und Homeoffice oder die Rückgänge in der industriellen Produktion. Mit anderen Worten:

Die deutschen Klimaziele wurden im vergangenen Jahr nur durch die Folgen der Corona-Krise erreicht.

Dem standen allerdings Umsatzeinbrüche in nahezu jeder Branche gegenüber, das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in Deutschland sank 2020 um gut 113 Milliarden Euro. Daraus lassen sich über alle Sektoren gemittelte CO2-Vermeidungskosten durch die Pandemie von knapp 1.650 Euro pro Tonne CO2 ableiten – weit mehr, als eine eingesparte Tonne CO2 bei Investitionen in klimafreundliche Technologien kostet.

Immer höhere Unwetterschäden

Ein weiteres Beispiel für die teuren Folgen ausbleibender Investitionen sind Kosten durch klimabedingte Wetterphänomene wie Gewitterserien und Starkregen, die immer häufiger auftreten und große Schäden verursachen (Grafik):

Der Schadensaufwand in der Sach-Elementarversicherung durch das Unwettertief im Juli 2021 wird aktuell auf 4,5 bis 5,5 Milliarden Euro geschätzt.

Schadensaufwand in Deutschland durch Starkregen und Hochwasser in der Sach-Elementarversicherung in Millionen Euro Download: Grafik (JPG) herunterladen Grafik (EPS) herunterladen Tabelle (XLSX) herunterladen

Schon die Unwetterserie im Juni hinterließ Schäden in Höhe von 400 Millionen Euro, was damals die vierthöchsten Versicherungskosten durch Starkregen und Hochwasser bedeutete – nur einen Monat später führte das Tief Bernd dann zur Flutkatastrophe und zum neuen traurigen Schadensrekord.

Katastrophen wie diese unterstreichen noch einmal deutlich, wie wichtig zeitnahe und umfangreiche Investitionen in den Klimaschutz sind – ganz gleich, ob damit Emissionen vermieden oder die Folgen des Klimawandels bekämpft werden. Die Kosten des Wartens und des erzwungenen Verzichts sind in jedem Fall deutlich höher.

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