Kritische Rohstoffe Lesezeit 5 Min.

Interview: „Bergbau lässt sich nachhaltig betreiben“

Um die Elektromobilität voranzutreiben, braucht es große Mengen an kritischen Rohstoffen. Einer davon ist Lithium. Konstantin Deichsel, Head of Strategy & Business Innovation beim deutsch-kanadischen Rohstoffunternehmen Rock Tech Lithium Inc., erklärt, wann es das erste in Europa hergestellte Lithiumhydroxid in Batteriequalität geben könnte.

Kernaussagen in Kürze:
  • „Noch im Jahr 2026 könnten wir mit der Produktion von Lithiumhydroxid in Guben beginnen", sagt Konstantin Deichsel, Strategiechef des deutsch-kanadischen Rohstoffunternehmens Rock Tech Lithium Inc.
  • Dort könnte dann Lithiumhydroxid für 500.000 bis 600.000 Autos pro Jahr hergestellt werden, so Deichsel.
  • Noch ist das Bauprojekt allerdings nicht gestartet. Deichsel: „Die 200 Millionen Euro Förderung der Bundesregierung sind unabdingbar, um das Projekt in Guben im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu machen."
Zur detaillierten Fassung

Ihr Unternehmen will die E-Automobilindustrie mit hochqualitativem Lithiumhydroxid „made in Germany“ beliefern. Wie weit ist dieses Vorhaben gediehen?

Wir haben 2021 angefangen, den Bau eines Lithiumkonverters in Guben zu planen. Wir wären innerhalb kürzester Zeit in der Lage, mit dem Bau dieses großen Industrieprojekts zu starten, wenn es da nicht regulatorische und politische Hürden gäbe.

Sie sprechen die in Aussicht gestellten 200 Millionen Euro Subventionen der Bundesregierung für dieses Projekt an. Wie ist denn der Stand der Dinge?

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sagt man uns, wir müssten uns gedulden. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will dem Vernehmen nach bis Ostern Klarheit schaffen, was wir begrüßen würden.

Warum warten Sie auf die Zusage? Sie könnten doch auch ohne Subvention loslegen.

Die 200 Millionen Euro der Bundesregierung sind unabdingbar, um das Projekt in Guben im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu machen. Andernfalls ist das Vorhaben schlicht nicht finanzierbar und würde sich auf unbestimmte Zeit verzögern.

Der Critical Raw Material Act der EU legt zwar fest, dass 10 Prozent der kritischen Rohstoffe auf europäischem Boden abgebaut und 40 Prozent der kritischen Rohstoffe hier verarbeitet werden sollen. Aber er zeigt nicht auf, wie man da hinkommen will.

Ich erkläre kurz das Problem: Deutschland und Europa werden derzeit nicht als ernst zu nehmende Spieler im kritischen Rohstoffbereich wahrgenommen. Der Critical Raw Material Act der EU stellt zwar die hohen Ansprüche und Absichten klar, indem er festlegt, dass 10 Prozent der kritischen Rohstoffe auf europäischem Boden abgebaut und 40 Prozent der kritischen Rohstoffe hier verarbeitet werden sollen. Aber er zeigt nicht auf, wie man da hinkommen will. Es gibt zwar beschleunigte Genehmigungsverfahren für Unternehmen wie uns, aber wichtiger wäre es, gleiche oder gerechte Geschäftsbedingungen im internationalen Wettbewerb zu schaffen.

„In anderen G-7-Staaten würden Projekte wie unseres bis zu 50 Prozent gefördert"

In anderen G-7-Staaten würden Projekte wie unseres, das eine Investitionssumme von 800 Millionen Euro hat, bis zu 50 Prozent staatlich gefördert. Und in China, dem großen Konkurrenten, der derzeit rund 80 Prozent des weltweiten Lithiumhydroxids produziert, spielen Investitionskosten im Grunde überhaupt keine Rolle.

Angenommen, Sie bekommen die Zusage für die 200 Millionen Euro zeitnah. Wie lange dauert es, bis das erste Lithiumhydroxid im Gubener Werk hergestellt werden kann?

Wir gehen davon aus, dass wir die Anlage noch im Jahr 2026 fertigstellen und in Betrieb nehmen können.

Für wie viele E-Autos würden Sie in Guben Lithiumhydroxid herstellen?

Wir rechnen damit, dass die Menge für 500.000 bis 600.000 Autos pro Jahr ausreicht. Die exakte Zahl hängt letztlich davon ab, wie groß die Batterien in den E-Autos ausgelegt sind.

Konstantin Deichsel ist Head of Strategy & Business Innovation bei Rock Tech Lithium Inc.; Foto: privat Sie investieren auch in Kanada. Was machen Sie dort?

Wir sind ein deutsch-kanadisches Unternehmen, unser Hauptquartier befindet sich in Toronto. In Kanada haben wir zwei Projekte: ein Minenprojekt, um das Lithiummineral Spodumen abzubauen. Das zweite Projekt ist eine Lithiumanlage, die wir in Ontario nach dem Vorbild von Guben errichten wollen. Wir können in Kanada also den selbst abgebauten Rohstoff direkt vor Ort verarbeiten. Unsere Mine ist nur 60 Kilometer vom geplanten Standort der Anlage entfernt.

Warum engagieren Sie sich ausgerechnet in Ontario?

Der Distrikt Thunder Bay, wo wir unseren ersten kanadischen Lithiumkonverter bauen wollen, ist ein aufstrebendes Lithiumabbaugebiet. Aufgrund der in Ontario vorhandenen Bodenschätze planen bereits viele Unternehmen wie Stellantis, LG und Volkswagen, dort Batteriefabriken zu errichten. Unser Ziel ist es, noch deutlich vor Ende dieses Jahrzehnts den nordamerikanischen Kontinent und insbesondere Ontario mit lokalem Lithium zu versorgen.

Erhalten Sie von der kanadischen Regierung eine Förderung?

Wir sind in vielversprechenden Gesprächen diesbezüglich. Die kanadische Regierung sieht die signifikanten Vorteile, die Investments wie das unsrige bringen werden. Kanada will den eigenen Rohstoffreichtum nicht nur für den Export nutzen, sondern die Wertschöpfung komplett im Land halten.

Für wie viele Autos soll denn Ihre kanadische Anlage Lithiumhydroxid produzieren?

Wir überlegen, die Anlage in Kanada bis zu 50 Prozent größer als die in Guben auszulegen und könnten nach der Fertigstellung bis zu 36.000 Tonnen Lithiumhydroxid pro Jahr produzieren. Damit ließen sich ungefähr 900.000 E-Autos bestücken.

Bergbau ist üblicherweise immer mit Umweltbelastungen verbunden. Sie bezeichnen sich selbst als ein nachhaltiges Unternehmen. Wie passt das zusammen?

Wenn wir von Kohle, Gas und Öl wegkommen wollen, brauchen wir Rohstoffe wie seltene Erden, Kupfer und Lithium, um elektrische Energie aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen, zu übertragen und zu speichern. Dafür braucht man den Bergbau – und der lässt sich durchaus nachhaltig betreiben. Der Spodumen-Bergbau hat den großen Vorteil, dass beim Abbau keine gefährlichen Chemikalien eingesetzt werden. Der Abraum, der dabei entsteht, ist vergleichbar mit Strandsand ohne nennenswertes Gefahrenpotenzial für die Umwelt. Außerdem werden unsere Anlagen mit grünem Strom betrieben.

Wird Ihr Lithium dadurch teurer?

Die Herstellungskosten sind in Europa etwas höher als im Referenzland China. China hat grundsätzlich niedrigere Lohnkosten, niedrigere Energiekosten und deutlich niedrigere Kosten für die Reststoffentsorgung.

„Wir rechnen nicht mit dauerhaften Staatshilfen“

Wir rechnen aber damit, dass die Nachfrage nach hochwertigem Lithium aus Europa dauerhaft hoch sein wird. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Investition bereits bei den zu erwartenden Marktpreisen ohne Prämien oder Schutzzölle rentabel ist. Insbesondere rechnen wir nicht mit dauerhaften Staatshilfen. Unser Geschäftsmodell basiert darauf, dass wir in Europa produzieren und mit Marktpreisen rechnen – vom Einkauf bis zum Verkauf.

Sie wollen auch Lithium recyceln. Wo soll das stattfinden?

Perspektivisch in Guben. Rein technisch könnten wir dort bereits ab der ersten Inbetriebnahme Lithiumrezyklate verarbeiten. Allerdings wird Recycling von Lithium erst in einigen Jahren, möglicherweise Jahrzehnten, wirklich zur Deckung des weltweiten Lithiumbedarfs beitragen. Noch wächst der Bedarf an diesem Rohstoff einerseits zu stark und die Menge an Batterien am Ende ihres Lebenszyklus ist andererseits noch viel zu gering. 2030 kann Recycling vielleicht 10 Prozent des Lithiumbedarfs ersetzen, 2050 vielleicht 30 oder 40 Prozent.

Sie setzen voll und ganz auf Lithium. Was ist, wenn E-Autos künftig nicht von Lithium-Ionen-Batterien, sondern von Natrium-Ionen-Batterien angetrieben werden oder von einer ganz anderen Technik?

Dann freuen wir uns erst mal, denn das bedeutet, dass die E-Mobilität beziehungsweise die Energiewende grundsätzlich schneller vonstattengeht als geplant. Wir sind allerdings fest davon überzeugt, dass sich die günstigste und sicherste Technologie durchsetzen wird, und das ist die Lithium-Ionen-Batterie. Sie ist aktuell konkurrenzlos, was Preis und Leistung angeht.

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