Lateinamerikanische Staaten können Lieferländer für Rohstoffe werden
Politisch überwiegend stabil, reich an Bodenschätzen – die lateinamerikanischen Staaten bieten sehr gute Voraussetzungen für intensive Kooperationen. Deutschland und die EU könnten und sollten ihre Wirtschaftsbeziehungen in Zeiten globaler Krisen mit den Ländern Mittel- und Südamerikas stärken.
- Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat Deutschland und der EU gezeigt, dass das Prinzip Wandel durch Handel nicht funktioniert.
- Um die Rohstoffversorgung zu sichern, sollte Europa engere Beziehungen mit Staaten in Mittel- und Südamerika eingehen.
- Mehr Kooperation ist auch aus politischer Sicht wichtig. Die Ratifizierung des Mercosur-Abkommens wäre daher ein starkes Signal.
Wandel durch Handel – auf dieses Prinzip vertrauend, haben Deutschland und der Rest der EU ihre Wirtschaftsbeziehungen zu autoritären und staatskapitalistischen Ländern in der Vergangenheit aufgebaut. Doch die Konfrontation mit Russland im Zuge des Ukraine-Kriegs und die zunehmenden Probleme mit China haben gezeigt, dass die Grundidee doch eher Wunschdenken war.
Das Problem für Europa: Rohstoffe, die für viele Industrieprodukte unverzichtbar sind, kommen hier kaum vor und müssen importiert werden. Dafür braucht es verlässliche Partner. Eine Lösung könnte in Lateinamerika liegen. Die meisten der dortigen Staaten sind politisch stabil: 16 von 21 erreichen im Global Freedom Status mittlere bis hohe Werte. Und die kritischen Rohstoffe sind dort reichlich vorhanden (Grafik):
Chile verfügt allein über fast 42 Prozent der weltweiten Lithiumreserven.
Das Material wird zum Beispiel für Smartphone-Akkus und E-Auto-Batterien benötigt. Das Nachbarland Peru ist ebenfalls reich an Bodenschätzen: Es verfügt über knapp ein Siebtel der Vorkommen an Selen, das sowohl in der Chemie- als auch der Elektronikindustrie gebraucht wird, und sitzt auf mehr als einem Fünftel des weltweit vorhandenen Silbers.
Engere Beziehungen Europas zu Mittel- und Südamerika sind nicht nur für die Rohstoffversorgung, sondern auch politisch wichtig.
Zwar bestehen bereits Partnerschaften mit Ländern in Mittel- und Südamerika. So sind südamerikanische Staaten für Europa schon lange die wichtigsten Rohstofflieferanten von Kautschuk, Salpeter oder Holz. Deutschland und die EU sind aber gut beraten, die Handelsbeziehungen für kritische Rohstoffe zu vertiefen.
Auch für die Staaten jenseits des Atlantiks lohnt sich die Kooperation:
Der Export von Rohstoffen ist für viele südamerikanische Länder der größte Posten in ihrer Außenhandelsbilanz.
Engere Wirtschaftsbeziehungen sind für Europa auch aus politischer Sicht wichtig. Schließlich versucht China seit Längerem, seinen Einfluss in Südamerika durch Investitionen zu stärken. Die EU könnte vor allem mit der Ratifizierung des Mercosur-Abkommens ein starkes Signal senden und ihren Grundsatz von Wandel durch Handel in Wandel durch Investitionen abändern.